Vor ca. 60.000 bis 70.000 Jahren besiedelten die ersten Menschen Australien. Sie kamen auf einen Kontinent, der fremdartiger war als alle Länder, die sie zuvor besiedelt hatten oder zu denen ihre Artgenossen hernach noch kommen könnten. Der isolierte Kontinent hatte eine ganz andere Tierwelt, beherrscht von Beuteltieren, deren größte Vertreter die Größe eines Nashorns hatten (Diprotodon), von einem Riesenvogel Genyornis newtoni, der doppelt so schwer war wie der Vogel Strauß und von einer Riesenechse Megalania prisca (verwandt mit dem Großwaran), die gut 5,5 Meter lang werden konnte. Doch vor über 20.000 Jahren starben die größten Arten auf Australien, darunter die genannten aus. Man weiß nicht sicher, was passiert ist, damit Australien sein großes Artensterben erleben konnte, aber es gibt Hypothesen, die plausibel klingen. Nimmt man sie zusammen, dann klingt die Geschichte so:
Gegen Ende der letzten Eiszeit wurde es auf Australien noch trockener als ohnehin schon. Weniger trockenheitsbeständige Bäume starben ab. Beschleunigt wurde dies durch Buschfeuer, an die nur besonders resistente Arten wie die ölhaltigen Eucalyptusbäume angepaßt waren. Durch ihre ätherischen Öle beschleunigten sie Feuer so sehr, daß das Feuer bereits leichtendzündliche Nahrung mehr fand, bevor das Kernholz geschädigt werden konnte. Trocken aber war es durch das Zusammentreffen einer geringeren Niederschlagsrate durch global niedrige Temperaturen und eine Phase gesteigerter El-Nino-Aktivität, die zu wiederholten Häufungen von Dürrejahren führten. Möglicherweise setzten die Menschen auf diesen Effekt noch einen drauf, indem sie häufige Buschfeuer anzündeten. Die Buschfeuer sollten dafür sorgen, daß offene Landschaften entstanden, in denen leichter Nahrung gefunden wrden konnte und Feinde früher gesehen wurden. Im Zusammenwirken mit Dürren und El-Nino-Phasen veränderten sich dadurch Landschaften in ganz Australien und veränderten sich zu dem Bild, das wir heute vom wüstenreichsten und trockensten Kontinent haben. Die großen Pflanzenfresser starben aus, weil sie nicht mehr täglich etwas zu trinken fanden und ihre bevorzugte Nahrung vernichtet wurde. Und die großen Fleischfresser wie Megalania verloren ihre wichtigste Beute.
Seit jener Zeit war es in Australien wieder etwas feuchter geworden – zu spät für die ausgestorbenen Arten. Die größten überlebenden Arten sind das rote Riesenkänguruh, das sein Wasser schon aus seiner Nahrung gewinnen kann und das Leistenkrokodil in Rückzugsgebieten am Rande des Kontinents. Aber auch diese Entwicklung war nicht von Dauer. Bis vor kurzem galt Australien auch als großer Agrarproduzent. So war Australien lange Zeit der zweitgrößte Produzent von Weizen. Auch diese Ära nähert sich dem Ende.
Ob das Feuchteangebot in einem Gebiet für die Landwirtschaft ausreicht, hängt empfindlich von Niederschlag und Temperatur ab. Steigt die Temperatur, wächst die Verdunstung exponentiell an. Durch die wachsende Löslichkeit von Wasser in Luft bei steigenden Temperaturen kann zwar auch der Niederschlag anwachsen, aber die Niederschläge können durchaus auch in ganz anderen Gebieten niedergehen. Möglicherweise hat Australien gerade ein Optimum beim Feuchteangebot durchlaufen. Schon seit 7 Jahren spricht man in Australien von einer andauernden Dürre, die nur von unzureichenden Niederschlägen unterbrochen wurde. Die Nothilfen der australischen Regierung für Farmer gehen in die Milliarden Euro pro Jahr. Trotzdem sind schon über 10.000 landwirtschaftliche Betriebe in die Liquidation gegangen. Es geht nicht nur darum, daß durch die Dürre Höfe ihre Kosten nicht mehr hereinholen und daher in die Insolvenz gehen. Noch schlimmer ist, daß von den trockenen Böden der Mutterboden durch Wind aufs Meer hinausgetragen wird. Wenn dann wieder der Regen kommt, trifft er stellenweise nur noch unfruchtbaren Boden, der teilweise zudem durch Bewässerungsversuche versalzen ist.
Im Buch Kollaps zitiert Jared Diamond Quellen, nach denen die Tragfähigkeit Australiens über lange Zeiträume nur für 8 Millionen Menschen ausreicht, nicht die gut 21 Millionen Australier, die derzeit auf dem Kontinent leben wollen. In Wahrheit kann man aber nicht berechnen, wie viele Menschen Australien wirklich ernähren könnte, weil es ja nicht nur darum geht, wie trocken der Kontinent werden kann, sondern auch, wie viel Boden zerstört wird, bevor man lernt, ihn nachhaltig zu bewirtschaften.
Die dramatischen Auswirkungen der aktuellen Dürre beschreibt ein Artikel des Hamburger Abendblattes vom 19. Juni 2008. Demnach hofft man mit großen Bewässerungsprojekten und Wasser aus Tasmanien die Situation in den Griff zu bekommen. In der Rechnung taucht aber der Klimawandel als große Unbekannte auf. Jeder Grad Temperaturerhöhung schlägt sich als eine Verminderung des Wasserabflusses im Südosten (im wichtigsten Gebiet für Landwirtschaft) von 15% nieder, ein deutliches Zeichen für das verringerte Wasserangebot. Und Wissenschaftler sind sich sicher, daß die erhöhte Trockenheit kein vorübergehendes Ereignis ist, sondern wohl als Folge des Klimawandels von Dauer sein wird.
Es mag seltsam klingen, daß sowohl die letzte Eiszeit als auch die globale Erwärmung für Australien zu verstärkten Dürren führen, aber das Wasserangebot in Australien ist keine einfache lineare Funktion der globalen Temperatur. Niedrige globale Temperaturen führen zu generell weniger Niederschlägen, hohe globale Temperaturen können dazu führen, daß die Niederschläge an anderen Orten niedergehen und außerdem die Verdunstung erhöht ist. Für Australien zumindest scheint es ganz klar ein Klimaoptimum zu geben, und das ist vorüber.
Für die Welt stellt sich die Frage, was eigentlich passiert, wenn der zweitgrößte Weizenproduzent der Welt durch Bodenerosion, -versalzung und immer häufigere Dürren als Exporteur wegfällt, während die Weltbevölkerung weiter steigt? Die Frage im Titel ist daher falsch gestellt. Ist Australien vielleicht so ein Dominostein, der das Fallen einer ganzen Kette anstößt, in der China und Indien als nächstes kommen, dann die Nachbarstaaten und schließlich Europa?
Sonntag, 12. Oktober 2008
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