Montag, 28. Dezember 2009

Der Skandal, der keiner war

Vor mehr als einem Monat nun gab es einige Aufregung darum, daß ein Hacker Emails von der University of East Anglia gestohlen hatte (in den Blogs als Climategate gehandelt). Und der Grund dafür, daß ich das noch mal aufwärme, ist, daß es nun eine Sammlung von Links dazu gibt und langsam ein Hintergrund dazu klarer wird - doch das am Schluß. Das seltsame an der Geschichte war, daß nicht etwa der Diebstahl der Post als Skandal gewertet wurde, sondern das, was man da in der Privatpost nachlesen konnte. Gar nicht seltsam, sondern symptomatisch für das fehlende Logikverständnis der Leugnergemeinde ist, welche Schlüsse aus der Email gezogen wurden. Unser Verständnis der globalen Erwärmung ist das Ergebnis publizierter wissenschaftlicher Forschung. Wenn da irgendetwas falsch oder fabriziert wäre, würde das in den Fehlern publizierter Artikel ersichtlich sein. Es ist aber noch niemand auf die Idee gekommen, anhand der gehackten Emails irgendein Forschungsergebnis anzufechten. Genau dieses macht deutlich, daß es auch hier um das gleiche geht, um das es schon bei früheren sogenannten Skandalen gegangen war: Leugner können keine fachlichen Argumente gegen den Stand der wissenschaftlichen Forschung vorbringen, nach dem die von Menschen verursachten Emissionen von Treibhausgasen zwangsläufig das globale Klima erheblich ändern müssen und wir bereits Anzeichen dafür sehen. Deshalb werden Verschwörungstheorien verbreitet von datenfälschenden Wissenschaftlern und Wetterdiensten und es werden Menschen angegriffen und als unglaubwürdig dargestellt, statt sich mit den Fakten zu beschäftigen.

Es wäre sinnlos, zu fragen, was denn an den Emails tatsächlich auf Fehlverhalten einzelner Personen deuten würde, aus folgenden Gründen:
1. Den Leugnern ist völlig egal, was wahr ist und was falsch oder wie signifikant etwas für die Grundfeststellungen zum Klimawandel ist. Worüber also soll man hier argumentieren?
2. Gestohlene Briefe oder Emails dürfen grundsätzlich keine Argumentationsbasis sein. Wir haben die Forschungsartikel und die Daten und brauchen gar nicht über irgendetwas anderes zu diskutieren.
3. Emails stehen zwischen gesprochenem Wort und Briefen. Sie sind oft salopp formuliert und daher können sie nur in einem Kontext bewertet werden. Eine gehackte willkürliche Sammlung irgendwelcher Emails kann diesen Kontext nicht immer liefern. Vor allem aber wird ein Verschwörungstheoretiker den Kontext in seinem Kopf herstellen und darüber läßt sich sowieso nicht argumentieren.

Um Beispiele dafür zu geben, wie unergiebig die Emails sind, einige bekannte Beispiele:

In einer Email tauchte das Wort Trick in Bezug auf die globale Temperaturzeitreihe auf, die aufgrund von Baumringdichtedaten erzeugt wurde. Der Hintergrund ist, daß die Korrelation zwischen Temperatur und Baumringdichte, wie hinreichend publiziert und bekannt, aufgrund des menschlichen Einflusses in den letzten Jahrzehnten zusammenbricht. Warum genau, ist noch ein Forschungsthema. Das ist an sich kein Problem, da ja für diesen Zeitraum genügend gemessene Temperaturen vorliegen. Man kann daher die rekonstruierte Temperaturzeitreihe und die gemessene Zeitreihe überlagern, um eine realistische Zeitreihe herzustellen. Das kann man Trick nennen, wenn man will. Und das Problem damit ist...? Kann kein Mensch sagen, aber anscheinend ist das Wort Trick irgendwie böse... Weitere Details dazu hier.

In anderen Emails geht es darum, Leute die aus politischen Gründen wissenschaftliche Ergebnisse verfälschen wollen, aus dem IPCC-Bericht rauszuhalten. Das ist zum einen nur unterstützenswert (auch wenn einige Wissenschaftler anscheinend es für verwerflich halten, wenn man schlechte Wissenschaft unterdrücken will – was war deren Job noch mal?), zum anderen grundsätzlich zum Mißerfolg verdammt. An den Diskussionen zu den IPCC-Berichten sind so viele Menschen beteiligt, daß es aussichtslos ist, irgendetwas, was mit der Klimaforschung zu tun hat, aus den Berichten rauszuhalten, wenn man nicht nachweisen kann, daß es wirklich absolut falsch ist. Zum Beispiel findet man selbstverständlich im 2. Kapitel des Berichtes der Arbeitsgruppe 1 auch einen Verweis auf die Theorie, daß kosmische galaktische Strahlung einen signifikanten Einfluß auf das Klima hätte. (Zitat: „Least certain, and under ongoing debate as discussed in the TAR, are indirect effects induced by galactic cosmic rays (e.g., Marsh and Svensmark, 2000a,b; Kristjánsson et al., 2002; Sun and Bradley, 2002).“) Was in den Emails stand ist, was man sich nach all der Frustration mit schlechter Wissenschaft wünscht, aber das ist noch nicht das, was dann wirklich geschieht. Ein umfassender Kommentar ist hier.

Im Grunde ist jeder weitere Abschnitt dazu verschwendet. Trotz der völligen Bedeutungslosigkeit der Emails für die wissenschaftliche Diskussion gab es eine Vielzahl von Blogbeiträgen und gar Medienbeiträgen dazu. Kommentare dazu findet man von Betroffenen, von nicht Betroffenen, hier, hier zur Reputation von Phil Jones, dessen Emails gestohlen wurden oder hier Hansens Kommentar. Hier findet man eine Mutmaßung, hinter der ganzen Diskussion über Emails steckte eigentlich nur, daß Leugner des Klimawandels Google beeinflussen wollen, so daß man bei Stichwortsuchen zum Klimawandel fast nur Leugnerseiten findet. Ein anderer meint, daß den Leugnern mit mehr Verstand klar ist, daß die Emailgeschichte zurückfeuern könnte, weil die Leugner des Klimawandels damit zu offensichtlich sich selbst als Verschwörungstheoretiker darstellen und in einem Topf mit Leuten landen könnten, die die Mondlandung leugnen oder den Zusammensturz des World Trade Centers als Sprengung durch das CIA darstellen (was definitiv realistisch beschreibt, in welchen Zusammenhang Leugner des menschengemachten Klimawandels gehören). Ein Beispiel dafür, wie die Emails für Verschwörungstheorien mißbraucht werden, wird hier diskutiert.

Eine umfassende Seite zum Thema ist hier.

Eine Seite die aktuelle Meldungen dazu sammelt, ist hier.

Hier wird erläutert, daß der Begriff Climategate im Web viel stärker diskutiert wird als in den Medien und dazu die Vermutung geäußert, daß das nur für die Schreiber, nicht für die Leser gilt, es also zeigt, daß im Web vor allem Schreiber die Leser unbedingt ihre Version glauben lassen wollen.

Weiterführende Links gibt es noch hier.

Und einen sehr sarkastischen Beitrag auf deutsch hier.

Was aber steckt nun eigentlich dahinter? Auffällig war der Zeitpunkt der Veröffentlichung der gehackten Emails kurz vor der Klimakonferenz. Es war wohl ein kalkuliertes Störmanöver. Und wenn schon von Verschwörungstheorien die Rede ist, warum nicht die Idee, daß die gleiche chinesische Seite, die die Klimagespräche in Kopenhagen nach Zeugenaussage sabotiert hatten, auch dafür gesorgt hatten, daß im Vorfeld ein Aufruhr erzeugt wurde? Das behauptet jedenfalls eine britische Zeitung. Ob es stimmt? Das werden wir nicht herausfinden, und eigentlich ist es auch nicht übermäßig wichtig.

2 Kommentare:

Sylvia hat gesagt…
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
J. Zimmermann hat gesagt…

Ich habe Spam entfernt (Link, der sich nicht auf diesen Blogbeitrag bezog; Beitrag mit Fehlinformationen).