Mittwoch, 17. Februar 2010

2010 – es wird noch wärmer, wann merken es die Medien?

2010 hat das Potential, neue globale Wärmerekorde zu liefern. Die Voraussetzungen sind jedenfalls vielversprechend. Das letzte Jahrzehnt war das wärmste seit Beginn der Temperaturaufzeichungen und um 0,17 (HadCruT) bzw. 0,18 (GissTemp) Grad wärmer als das Jahrzehnt davor (Zeiträume 2000-2009 und 1990-1999). Auch das Nationale Klimadatenzentrum der USA NCDC meldet das abgelaufene Jahrzehnt 0,18 Grad wärmer als das vorherige Jahrzehnt und für 2009 eine Anomalie von 0,56 Grad. Nach HadCruT stand 2009 auf Platz 5 aller Jahre seit 1850, nach GissTemp auf Platz 2. Das abgelaufene Jahr ist im Rahmen des Fehlers der Auswertung gleichauf mit dem zweitwärmsten Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen. Auf der Südhalbkugel war 2009 laut GISS bereits das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen. Alle bekannten Temperaturrekonstruktionen weisen das abgelaufene Jahrzehnt als das wärmste Jahrzehnt der letzten 2000 Jahre auf, wobei man aufgrund der hohen Fehlermarge in früheren Jahrhunderten sagen muß, daß dies wahrscheinlich gilt. Sicher ist aber, daß wir auf dem Weg zu Temperaturen sind, die den Bereich der letzten 2000 Jahre und sogar der letzten 3 Millionen Jahre dauerhaft verlassen, sollten die globalen Temperaturen im Laufe dieses Jahrhunderts um mehr als 2 Grad ansteigen.

Aufgrund des laufenden moderaten El Nino werden noch die nächsten Monate mit Sicherheit rekordverdächtig und das könnte das laufende Jahr entscheidend prägen. Beide Satellitentemperaturreihen UAH und RSS, melden den wärmsten Januar seit Beginn der Zeitreihe. Aufgrund der laufenden globalen Erwärmung reicht schon ein moderater El Nino aus, um das Rekordjahr 1998 in den Schatten zu stellen. Der Februar ist bislang ebenfalls rekordverdächtig. Die Zusammenfassung dazu kann man bei Joe Romm nachlesen.

Wie es unter diesen Umständen möglich ist, daß laut Umfragen gerade jetzt eine wachsende Zahl von Menschen an der globalen Erwärmung zweifelt, läßt sich einfach beantworten. Die Medien versagen komplett. Sie sind zwar in der Lage, jede Lüge und Unterstellung aus Lobbykreisen sofort zu berichten, um die Serie angeblicher Skandale in der Klimaforschung zu bedienen. Sie sind aber nicht in der Lage, den Lesern und Zuschauern seriös und richtig gewichtet mitzuteilen, was derzeit der Stand der Klimaforschung ist und in welchem Zustand sich das globale Klima befindet. Journalisten mauern und behaupten, es sei Aufgabe der Wissenschaftler, ihnen die Wissenschaft so zu erklären, daß sie sie richtig berichten können. So ein Weiterschieben der Verantwortung sieht man zum Beispiel bei diesem Spiegel-Artikel. Dazu will ich gleich noch etwas Hintergrund geben. Der Schreiberling hat genau diese 10 Minuten nicht investiert, um sich diesen Hintergrund zu erarbeiten, und schiebt deshalb die Verantwortung für die Falschberichterstattung der Daily Mail auf Professor Phil Jones. Er meint, Jones, dessen Job es ist, daß die Climate Research Unit ihre wissenschaftliche Arbeit gut macht, hätte bessere Öffentlichkeitsarbeit betreiben müssen. „Jones kümmert sich zu wenig um die Frage, wie Kritiker seine Aussagen missinterpretieren könnten.“ meint Christoph Seidler, der Autor des Spiegelartikels. Liebe Journalisten, ihr werdet dafür bezahlt, zu recherchieren und Informationen verständlich zu berichten. Und investigativer Journalismus heißt, Lobbygruppen auf die Finger zu schauen, wenn sie die Wahrheit verdrehen wollen, nicht unbesehen jeden Müll genau dieser Lobbygruppen als eingebildete Skandale zu verkaufen. Und schließlich: neutrale Berichterstattung kann auch heißen, gezielt nur über die Meinung der Experten zu berichten und dem Kreis der Spinner, Verschwörungstheoretiker und Lobbyisten, die Außenseitertheorien vertreten, eben keine Zeilen zu widmen. Es ist keine neutrale Berichterstattung, seriösen Klimaforschern und Lobbyvertretern die gleiche Zeilenzahl in Artikeln zu geben und Spinnertheorien ohne Wertung neben wissenschaftliche Erkenntnisse zu setzen. Was ich tagtäglich als Journalismus sehe, ist schlampig, oberflächlich, fehlerhaft, faul. Und die Verantwortung dafür tragen die Wissenschaftsredaktionen der Medien, die anscheinend inkompetent besetzt sind.

Beim BBC-Interview hatte Jones korrekte Antworten gegeben, die durch einen kompetenten Journalisten auch richtig interpretiert werden könnten. (Es gibt auch ein qualitativ beseres Interview bei Nature.) Die Daily Mail hingegen hat einfach aus dem Hinweis, daß 15 Jahre ein zu kurzer Zeitraum sind, um einen signifikanten Trend zu berechnen, die Schlagzeile gemacht, daß Jones eine 180 Grad-Wendung gemacht hätte und für die letzten 15 Jahre keine globale Erwärmung sähe. Das ist das Gegenteil seiner Aussage und somit eine Lüge und im Widerspruch zu den Fakten, die ich in der Einleitung des Beitrags nenne. Wie konnte es dazu kommen?

Das Interview von Jones war ein teilweise gesprochenes und schriftlich ausgearbeitetes Interview, bei dem die Fragen vom BBC-Reporter Roger Harrabin gestellt wurden. Den ernennt Seidler kurzerhand zum Umweltexperten, was aber nur heißt, daß der Mann regelmäßig die Berichterstattung zu dem Thema macht. Harrabins Fragen stammen aber gar nicht alle von ihm, sondern teilweise von Leugnern des Standes der Wissenschaft bzw. Lobbyisten gegen CO2-Minderungen (hier irreführend Klimaskeptiker genannt – diese Menschheit treibt nicht Skepsis). Diesen Hinweis am Anfang hat Seidler irgendwie überlesen, dabei erklärt der Hinweis, warum einige der Fragen bereits Wertungen enthalten und Jones keine faire Chance geben, sie offen zu beantworten. Es gibt ja keinen Grund, danach zu fragen, ob ausgerechnet in den letzten 15 Jahren eine globale Erwärmung festzustellen ist, wenn wir das für jeden statistisch signifikanten, längeren Zeitraum feststellen können.

So richtig unrund wird das Interview, wenn der Interviewer scheinbar die vorherigen Antworten vergißt. Nachdem Jones erklärt hatte, daß natürliche Einflüsse in den letzten Jahrzehnten, wenn überhaupt und soweit bekannt, eher einen abkühlenden Trend verursacht haben könnten, kommt die gleiche Frage erneut:

H – Wenn Sie damit übereinstimmen, daß es ähnliche Temperaturanstiege wie heute seit 1850 gab und die mittelalterliche Erwärmung zu erwägen ist, was überzeugt sie, daß die aktuelle Erwärmung wesentlich vom Menschen gemacht ist?

I – Wäre es vernünftig, sich die gleichen wissenschaftlichen Belege mit der Haltung anzuschauen, daß die aktuelle Erwärmung nicht vom Menschen verursacht ist?

Beide Male verweist Jones auf Frage D.

Eine typische geladene Frage ist auch die Frage N.
N - Wenn Wissenschaftler sagen, “die Debatte über den Klimawandel ist vorüber”, was genau meinen sie damit und was nicht?
Jones hätte zurückfragen können, welcher Wissenschaftler denn das gesagt haben soll. Debatten sind in der Wissenschaft nie vorüber, sondern nur in der Politik, weil dort irgendwann gehandelt werden muß, auf der Basis dann vorliegender Informationen, egal wie unvollständig sie dann sind. Die Frage transportiert nach Meinung des Blogs gather.com eine Unterstellung im Sinne von „Haben Sie aufgehört, ihre Frau zu schlagen?“ Jede Antwort dient der anderen Seite. Entweder kann sie sagen, daß auch Jones behauptet, daß die Klimaforschung noch gar keine gesicherten Ergebnisse habe, denn die Debatte sei noch offen, oder unterstellen, daß auch Jones so tue, als gäbe es Dogmen in der Wissenschaft, die nicht mehr debattiert werden dürfen. Joe Romm regt sich in seinem Blog genau darüber ebenfalls auf und meint, Jones hätte nicht so defensiv antworten dürfen. Hier bin ich anderer Meinung. Ein Journalist wird dafür bezahlt, daß er die Öffentlichkeit mit seriösen Informationen versorgt und dazu gehört, daß er sinnvolle Fragen in Interviews stellt und die Antworten gegebenenfalls mit dem erforderlichen Kontext versieht. Vor allem aber ist Jones nicht verantwortlich dafür, daß in der Daily Mail dann seine Worte umgedreht wurden. Denn dafür ist es völlig egal, was er sagt, irgendwas findet man immer, wenn man es sucht.

Der Spiegel berichtet nicht über die Tatsache, daß mehrere britische Zeitungen beim Thema Klimawandel Lügen verbreiten, was ein Skandal erster Güte ist. Und auch in diesem Fall erhält der Leser nicht die vollständigen Informationen vom Spiegel. Wann zieht eigentlich der Spiegel mal Konsequenzen aus seiner fortgesetzt fehlerhaften Berichterstattung, die darauf angelegt ist, daß die Leser ein verzerrtes Bild der Realität erhalten? Dauerndes Mauern, daß Journalisten keine Fehler machen, sondern allenfalls die, von denen sie ihre Informationen erhalten, ist keine Entschuldigung mehr. In einer besseren Realität könnte man den Chefredakteur Rüdiger Ditz fragen, welche persönlichen Konsequenzen er zieht. Aber was schreibe ich da…?

P.S.: Das gleiche gilt leider auch für jede andere Zeitung, die ich lesen konnte, mit einem besonders hohen Müllfaktor in der Welt. Versuchen Sie mal, bei diesem Welt-Artikel zu erkennen, worum es überhaupt geht. Es ist nicht zu glauben, aber auch dieser Artikel bezieht sich auf das BBC-Interview. Das Geschreibsel ist Müll, völlig frei von Quellenangaben und Realitätsbezug und der Schreiberling Ulli Kulke hat hier bezahlte Lügen abgeliefert. Er sollte gefeuert werden und der Chefredakteur der Welt, Thomas Schmid, der seinen Sauhaufen nicht unter Kontrolle hat, gleich mit.

Und noch ein Postscriptum nach einem Blick auf andere Blogs (18.2.2010):
Auch Stefan Rahmstorf war von Kulkes Leistung bei der Welt nicht angetan. Den Spiegel-Artikel fand er vergleichsweise okay - man muß schlechte Leistungen relativ zu Katastrophen sehen, um sie noch loben zu können. Und so gibt es für jeden Hoffnung. Selbst der Weltartikel kann noch unterboten werden durch ein Gratisblättchen. Und ein österreichischer Professor namens Oberhummer gibt mit einem Blogeintrag ein weiteres erschütterndes Beispiel dafür, was man aus dem Jones-Interview machen kann.

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