Montag, 27. September 2010

Wer die bösen Buben sind...

Für einen Europäer ist es eine sehr bequeme Sache, sich in den Lehnstuhl zu setzen und darüber zu philosophieren, wie der "american way of life" die Erde in die globale Erwärmung treibt. Doch kürzlich sah ich auf einer Webseite Illustrationen aus einem Buch von Prof. James Hansen ("Storms of my Grandchildren"). Und diese Graphiken zeigen ein alternatives Bild auf. Bei der Gelegenheit, auch ein Tip für eine Quelle im Internet. Unter dem Link Makiko's Page findet man weitere interessante Graphiken.


Wenn man vergleichen will, welcher Staat derzeit am meisten für den Klimaschutz unternehmen sollte, hat man die Wahl zwischen verschiedenen Vergleichsmöglichkeiten. Und jede Möglichkeit hat nicht nur seine Argumente für und wider. Jede Möglichkeit ist zugleich ein Weg, einen Staat gut oder schlecht dastehen zu lassen. Das ist nicht trivial - Staaten verhandeln darüber, wer seine Emissionen um wie viel abbauen soll und wer von wen Kompensationen und Hilfen verlangen kann. Dabei stehen wir noch ganz am Anfang globaler Systeme, Verantwortungen und Entschädigungen zuzuweisen.

Betrachten wir nur die absolute Höhe der Emissionen, so ist mittlerweile die Volksrepublik China der global größte Verschmutzer. Bei den Emissionen von CO2 wird China 2008 ein Anteil von etwa 22 Prozent zugeschrieben. Und im Jahr 2010 könnte China noch zugelegt haben - genau wissen wir es erst in 1 oder 2 Jahren. Die USA, lange Zeit CO2-Emittent Nummer 1, ist mittlerweile der zweitstärkste Emittent von CO2.
Anteil der CO2-Emissionen eines Landes 2008 und aufsummiert 1751-2008 (Bild aus James Hansen, "Storms of my grandchildren", Bild in besserer Qualität über diesen Link.)

Es mag einige gerade in den USA geben, die darauf herumreiten, daß das meiste CO2 nun von der Volksrepublik China emittiert wird und dies als Ausrede nutzen, um zu erklären, daß alle Emissionsreduktionsmaßnahmen der USA nutzlos sind, wenn der Zuwachs der chinesischen Abgase alle möglichen US-Aktivitäten übersteigt. Aber es ist offensichtlich, daß dies nur eine Ausrede ist, um gar nichts zu tun. Es ist offensichtlich, weil wir wissen, daß in China mehr als viermal so viele Menschen leben und man von dem bevölkerungsreichsten Land der Erde schlecht erwarten kann, daß es dauerhaft ein Miniemittent bleibt. Aber ist die CO2-Emission pro Person wirklich ein fairer Wert, um zwischen Ländern zu vergleichen?

Die Chinesen weisen darauf hin, daß sie ja auch deshalb so viel CO2 emittieren, weil sie die Werkbank der Welt sind. Sie emittieren für den Konsum der anderen. Das Gegenargument dazu ist, daß niemand China zwingt, Werkbank der Welt zu sein. Sie tun es, um dadurch ihr Wohlstandsniveau dauerhaft zu steigern, und über eine unterbewertete Währung und einigen Protektionismus arbeitet China aktiv daran, wichtigster Exporteur für die Welt zu bleiben.

Eine andere Sichtweise ist die, wie viel jemand an Kompensation bieten müßte, um die Gesamtmenge an Treibhausgasen auszugleichen, die bisher von seinem Land emittiert wurde. Genauer, bisher seit 1751. Auch dafür kann man sich ein Bild in dem Buch von James Hansen anschauen (oder mit entsprechenden Statistiken selbst generieren).
Aufsummierte CO2-Emissionen seit 1751 pro Person für ausgewählte Länder. Graphik aus James Hansen, "Storms of my Grandchildren".)

Unser Wohlstandsniveau ist also durch historische CO2-Emissionen erkauft, und dies zu Lasten der Länder, die sich jetzt entwickeln. Doch auch diese Sichtweise ist zu einfach. Die Länder, die in der Vergangenheit große CO2-Emittenten waren, haben dabei auch den Grundstein des Wohlstandes der Länder gelegt, die inzwischen aufholen können, mit entwickelter Technologie und in entwickelten globalen Märkten. In jedem Fall ist im historischen Kontext Deutschland kein wesentlich geringerer Emittent als die USA. Diese Graphik zeigt besonders deutlich die Bringschuld der entwickelten Länder für die Schwellenländer wie China und Indien. Wir müssen als erste auf eine CO2-freie Wirtschaft umstellen. Die intensive Nutzung der heimischen Braunkohle paßt da nicht in unsere historische Verantwortung.

1 Kommentar:

Ebel hat gesagt…

Ohne richtiges Wirtschaftsverständnis werden alle Apelle verpuffen. Und Witschaftsverständnis durch Viele hatte schon Ludwig Erhard gefordert - aber das ist noch nicht mal bei den Mainstreamökonomen vorhanden.

Warum diese Vorrede? Die Meisten glauben, daß Klimaschutzmaßnahmen ihren Wohlstand reduzieren. Das Gegenteil ist der Fall und das nicht nur, weil die Umwelt besser wird (und sich zumindest nicht verschlechtert), sondern auch mit dem, was sie sich individuell leisten können.

Wie kommt es aber zu diesem scheinbaren Widerspruch? Wenn einer individuell kürzer arbeitet, muß aus Gerechtigkeitsgründen sein individueller Lebensstandard geringer sein, wenn aber alle Beschäftigten kürzer arbeiten, entfällt diese Begründung - und wenn alle arbeiten wird trotz kürzerer individueller Arbeitszeit insgesamt länger gearbeitet - es wird also mehr produziert, das über Kaufhandlungen verteilt wird. Also kann aus der größeren Menge auch der Einzelne mehr haben.

In dem Artikel fehlt die durchschnittliche Arbeitszeit der Erwerbspersonen in den einzelnen Ländern. In den führenden Industrienationen ist die durchschnittliche Arbeitszeit sehr niedrig. In Deutschland z.B. ist sie von 1960 bis heute von 2000h/Jahr auf 1150h/Jahr gefallen (ohne die geringe Kaufkraft von Arbeitslosen usw. wäre sie bei ca. 1250h/Jahr).

Wenn z.B. für Klimaschutz beispielsweise 50h/Jahr zusätzlich aufgewändet würden, dann könnte sich jeder individuell zumindest genau so viel leisten wie vorher, wenn nicht sogar mehr.

Wenn alle länger arbeiten ist ihr Arbeitsentgelt höher - aber der Einzelne konsumiert nicht viel mehr. Deswegen sinkt die Anzahl der Beschäftigten in den Konsumgüterbranchen, aber die Anzahl der Beschäftigten in den Nichtkonsumgüterbranchen steigt. Das Arbeitsentgelt der Beschäftigten in den Konsumgüterbranchen wird aus dem Verkauf in den Konsum erhalten, bei den Nichtkonsumgüterbranchen entfällt das - deren Arbeitsentgelt wird aus Steuern finanziert.

Über alles betrachtet steigen die Reallöhne moderat, die Arbeitsentgelte gewaltig. Die Differenz zwischen Arbeitsentgelt und Reallohn sind die Abgaben, die steigen müssen - aber ohne Rückgang des Reallohns. Dafür ist sowohl Wirtschaftsverständnis als auch die richtige Politik gefordert.

MfG