Man muß immer wieder darauf hinweisen, daß die Klimamodelle, deren Ergebnisse in die IPCC-Berichte eingehen, keine Klimavorhersage machen. Eine Vorhersage nimmt einen möglichst gut bekannten, konkreten Anfangszustand und entwickelt ihn mit möglichst guten Kenntnissen der bestimmenden Zustandsgleichungen und antreibender Größen so lange fort, bis die Ungenauigkeit der Vorhersage groß wird gegenüber den Vorhersagegrößen. Bei der Wettervorhersage ist die Grenze nach etwa 10 Tagen erreicht, stabilere Größen verschwinden nach etwa 15 Tagen in der Ungenauigkeit der Vorhersage. Die Klimamodelle hingegen machen Aussagen dazu, wie sich das Klima bei bestimmten Randbedingungen langfristig im statistischen Mittel einstellen wird. Der Weg hin zu einem bestimmten Klima wird nur sehr grob angegeben, weil in Wahrheit das globale Wetter ganz erheblich um den jeweiligen klimatologischen Mittelwert schwanken wird. Daher kann man zwar sagen, um wie viel sich die globale Temperatur innerhalb der nächsten 100 Jahre ändert, falls ein bestimmtes Emissionsszenario eingehalten wird, aber es wird nicht sinnvoll sein, die Aussage dieses Modell über die Temperatur in 10 Jahren zu verwenden, und zwar selbst dann, wenn das Ergebnis nach 100 Jahren ohne Fehler stimmen würde, denn es führen viele gleichwertige Entwicklungen des globalen Wetters hin zum selben Klimazustand in 100 Jahren.
Es gibt aber auch Klimavorhersagen. Diese Vorhersagen kann man in zwei Gruppen unterteilen. Zum einen sind da die deterministischen Vorhersagen. Das sind im Grunde die gleichen Klimamodelle oder entsprechend angepaßte Wettervorhersagemodelle, denen man aber konkrete Anfangsbedingungen aufzwingt, statt sie sich erst mal in einem Vorlauf frei einschwingen zu lassen. Am wichtigsten ist hier ein möglichst exakte Anpassung an Temperaturen auf und in den Meeren. Im Bereich von einigen Monaten liegen dabei Modelle, die zum Beispiel die El Nino-Southern Oscillation ENSO vorhersagen sollen, und derzeit etwa vorhersagen, daß die El Nino-Bedingungen im Pazifik sich weiter fortentwickeln werden und dadurch zumindest bis nächsten Frühjahr für eine deutliche globale Temperaturzunahme sorgen werden. Es gibt aber auch Versuche, Vorhersagen für die nächsten Jahrzehnte zu machen. Veröffentlicht sind einerseits Vorhersagen des Hadley Centres und der Climate Research Unit der University of East Anglia. Diese Gruppe sagt vorher, daß in den nächsten Jahren die globale Temperatur rasch ansteigen wird, um 0,3 Grad zwischen 2004 und 2014. Das ergäbe eine Temperaturanomalie um 0,7 Grad in 2014 gegenüber im Mittel 0,43 Grad im laufenden Jahrzehnt. Das hieße, daß die Temperatur in den nächsten Jahren rasch ansteigen würde. Keenlyside et al. hingegen behaupten, daß die globale Temperatur in den nächsten Jahren nur wenig ansteigen würde. Beide Vorhersagen sind nur gering glaubwürdig, denn das Verfahren ist noch wenig erprobt und bisherige Ergebnisse im Vergleich zur tatsächlichen Entwicklung zeigen nur eine schwache Prognosegüte.
Neben den deterministischen Modellen gibt es auch statistische Modelle. Die Grundidee hier ist, sich die wesentlichen Größen herauszupicken, die die zukünftige Entwicklung beschreiben, und für diese die weitere Entwicklung zu bestimmen. Ich habe ja schon mal, allerdings mit einer anderen Zielsetzung, die Temperatur in verschiedene Anteile zerlegt. Hier fängt mal allerdings gleich mit der globalen Temperaturanomalie an. Man teilt die globale Temperatur in verschiedene Komponenten auf, z.B. Temperaturänderung(durch Vulkane) + Temperaturänderung(durch ENSO) + Temperaturänderung(durch Sonneneinstrahlungsänderung) + Temperaturänderung(durch menschlichen Eingriff über Treibhausgase und Aerosol) + Basiswert. Dahinter stecken zwei Annahmen. Die Größen sind voneinander unabhängig, was recht plausibel ist, und sie entwickeln sich linear additiv, das heißt, wenn ich die Temperatur durch menschlichen Eingriff um 1 Grad steigen lasse und dann ein Vulkanausbruch eine Abkühlung um 0,2 Grad bewirkt, würde der gleiche Vulkanausbruch, wenn die Temperatur um 2 Grad gestiegen ist, sie ebenfalls um diese 0,2 Grad senken. Das ist eine Annahme, die nicht zu stimmen braucht. So lange wir aber die nächsten Jahre betrachten und die globale Temperatur sich noch nicht zu stark geändert hat, ist diese Annahme noch nicht unplausibel.
Die Frage ist nun, wie finde ich heraus, um wie viel eine bestimmte Änderung einer Größe (Stärke des ENSO-Indikator, Stärke der Sonneneinstrahlung, menschlicher Strahlungsantrieb durch Treibhausgase und Aerosole, Stärke von Vulkanausbrüchen) jeweils die Temperatur ändert. Die Antwort hier ist die Anwendung einer multiplen linearen Regression. Die Größen werden als unabhängig angenommen und es wird versucht, die Abweichungen einer Kombination dieser Größen zur Temperatur zu minimieren. Dann kann man vorhersagen, um wie viel sich die Temperatur in den nächsten Jahren ändert, wenn man diese vier Größen, ENSO, Sonne, Vulkane und menschlicher Antrieb, ändert.
Genau das haben nun Lean und Rind gemacht und die Ergebnisse in den Geophysical Research Letters vorgestellt (Lean, J. L., and D. H. Rind (2009), How will Earth's surface temperature change in future decades?, Geophys. Res. Lett., 36, L15708, doi:10.1029/2009GL038932.) Diese beiden Wissenschaftler haben sich bereits 2008 mit der Frage beschäftigt, welche Größen eigentlich auf die globale Temperaturentwicklung Einfluß nehmen und wie groß der menschliche Anteil daran ist (er ist dominierend in den letzten Jahrzehnten) (Lean, J. L., and D. H. Rind (2008), How natural and anthropogenic influences alter global and regional surface temperatures: 1889 to 2006, Geophys. Res. Lett., 35, L18701, doi:10.1029/2008GL034864.) Nun sagen sie voraus, daß die globale Temperatur bis 2014 deutlich ansteigen sollte (um 0,15 Grad, also auf über 0,55 Grad Temperaturanomalie nach der HadCRUT-Zeitreihe – derzeit stehen wir bei 0,5 Grad im Juni 2009 bzw. 0,42 Grad im Mittel des laufenden Jahrzehnts), von 2014 bis 2019 hingen nur gering (0,03 Grad) steigen wird, ziemlich analog zum raschen Anstieg in der ersten Hälfte des laufenden Jahrzehnts und der Konsolidierung des Anstiegs danach. Sie begründen das damit, daß der unterliegende anthropogene Trend überlagert wird durch eine Verstärkung der Erwärmung durch erhöhte solare Aktivität in den nächsten 5 Jahren und wieder abfallender Aktivität in den folgenden 5 Jahren. Sie deuten auch an, wie ein Vulkanausbruch in der Stärke des Pinatubo-Ausbruchs Anfang der 90er Jahre und ein starker El Nino Einfluß nehmen würden. Beides ist auf der Zeitskala grundsätzlich nicht vorhersagbar, aber wenn man einen El Nino auf die ansteigende globale Temperatur aufaddiert, würde man zu jeder Zeit das Temperaturmaximum von 1998 übertreffen. Das Ergebnis liegt natürlich in dem Rahmen, den bereits meine Milchmädchenrechnung angibt, und den auch Easterling und Wehner mit einer ganz anderen Methode finden.
Die Ergebnisse sind also nicht überraschend und nicht aufregend, aber die Arbeit ist sorgfältig ausgeführt und verdeutlicht, daß die globale Temperaturentwicklung recht gut verstanden wird. Im Vergleich zu dieser Arbeit wirkt das kurz zuvor veröffentlichte Machwerk von McLean et al. 2009, in dem eine hohe Korrelation zwischen Temperatur und ENSO-Indikator erzwungen wird und am Ende Aussagen zum Klimatrend gemacht werden, die keinen Bezug zu den Daten in der Arbeit haben, erst recht amateurhaft und unseriös. Das Ergebnis von Lean und Rind ist wohl die derzeit beste Vorhersage der globalen Temperatur der nächsten Jahre. Aber auch hier sieht man deutlich, wie massive Begrenzungen greifen. Weder können wir über mehr als ein halbes Jahr den ENSO-Zyklus vorhersagen noch wissen wir, wann wieder ein Vulkan der Stärke des Mt. Pinatubo ausbricht, dessen (Sulfat-)Aerosol für eine merkliche, kurzzeitige Abkühlung sorgen könnte. Sicher ist nur, daß wir die Temperaturen der 90er Jahre, des 20. Jahrhunderts und wohl auch der letzten 2000 Jahre, endgültig hinter uns gelassen haben, und wir vielleicht schon 2010, auf jeden Fall aber vor 2014 den nächsten Temperaturrekord in allen Temperaturzeitreihen sehen werden. Sicher ist auch, die globale Erwärmung schreitet voran und nein, es wird nicht kühler. Aber das wußten wir auch schon.
Donnerstag, 20. August 2009
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