Die Klimasensitivität ist eine einfache Zahl, um die Frage zu beantworten, was bei einer Verdopplung der CO2-Konzentration herauskommt. 1 Grad erwärmt sich die Erde direkt durch den CO2-Anstieg, 2 Grad durch die Summe aller Rückkopplungen, von denen die meisten und die wichtigsten positiv sind, wie etwa die Wasser-Temperatur-Rückkopplung, zu der ich bereits hier geschrieben hatte. Die gesamte Klimasensitivität von 3 Grad je Verdopplung von CO2 (oder entsprechenden Äquivalenten anderer Treibhausgase) ist jedoch nur ein zentraler Wert einer Verteilung, die recht unsicher ist. 2 Grad und 4,5 Grad sind Ränder dieser Verteilung, aber Werte außerhalb dieser Grenzen kann man auch nicht sicher ausschließen. Insbesondere der obere Rand der Verteilung ist nur vage begrenzt. Auch 6 Grad je Verdopplung von CO2 kann man nicht ausschließen. Und das nicht nur deshalb, weil die Klimasensitivität nur einen Wert beschreibt für einen Zeithorizont von maximal 100 Jahren. Hansen meint sogar, aus der Untersuchung von Eiszeiten abgeleitet zu haben, daß langfristig die Klimasensitivität auf jeden Fall bei 6 Grad je Verdopplung von CO2 liegen könnte. Ich betrachte das nicht weiter, weil das hier zu weit ab vom Thema führt.
Daß der obere Rand der Klimasensitivität besonders vage begrenzt ist und einen langen Schwanz von Werten hat, deren Wahrscheinlichkeit gering, aber eben nicht vernachlässigbar ist, bereitet besondere Sorge. Die Aussicht auf Werte einer globalen Erwärmung über 6 Grad zum Ende des Jahrhunderts ist die Aussicht auf Klimaänderungen, die in einen Zusammenbruch unserer Zivilisation führen würden, selbst in Szenarien, bei denen bis zum Ende des Jahrhunderts die Treibhausgasemissionen sinken. Diesen Schwanz kann man von zwei Seiten her angreifen. Zum einen kann man sich die Rückkopplungen anschauen und versuchen, sie möglichst genau zu beziffern. Da bleibt man aber schnell bei den Unsicherheiten der Wolkenparametrisierung oder der Aerosoleffekte hängen, die nun einmal die beiden unsichersten Terme in den Modellen sind. Irgendwann werden wir genaueres wissen, aber niemand kann sagen, wann das der Fall sein wird.
Die andere Möglichkeit ist die Betrachtung der Klimasensitivität als solcher. Wie ändert sich die Temperatur der Erde, wenn der Klimaantrieb variiert. Es gibt viele solcher Studien und die Antwort ist immer – wahrscheinlich 3 Grad je Verdopplung der CO2-Konzentration oder eines vergleichbaren Antriebs (Änderung der solaren Strahlung, Ausstoß von Sulfataerosolen aus Vulkanen usw.), möglicherweise aber auch nur 1,5 oder auch 4,5 Grad, aber ein langer Schwanz bis rauf zu 6 oder gar 7,5 Grad kann nicht ausgeschlossen werden. Das ist auch der Stand des IPCC-Berichts von 2007.
Nun gibt es eine neue Arbeit: Urban, Nathan M., and Klaus Keller, 2009. Complementary observational constraints on climate sensitivity. Geophys. Res. Lett., 36, L04708, doi:10.1029/2008GL036457, February 25, 2009, in press. Die meinen, sie könnten nun den langen Schwanz ausschließen. Sie versuchen das Problem dadurch in den Griff zu bekommen, daß sie zwei Größen betrachten: die Änderung der globalen Temperatur am Boden und den Wärmegehalt der Ozeane. Der Trick dabei ist, daß diese beiden Größen gekoppelt sind über die Geschwindigkeit, mit der Hitze in die Ozeane hinein transportiert wird. Geschieht das schneller, steigt die globale Temperatur langsamer bei gegebener Erwärmung der Ozeane. Ist der Transport langsamer, steigt die Temperatur schneller bei gegebener Erwärmung der Ozeane. Da globaler Temperaturanstieg an der Oberfläche und der Anstieg des Wärmegehalts der Ozeane voneinander nicht unabhängig sind, begrenzen beide zusammengenommen die Klimasensitivität stärker als jede dieser Größen für sich genommen. Ich könnte also z.B. aufgrund der globalen Temperaturen feststellen, daß eine gewisse Änderung des globalen Klimaantriebs verträglich ist mit einer Sensitivität von 6 Grad, sofern nur die Wärme sehr schnell und stark in die Ozeane abgleitet wird. Wenn ich aber gleichzeitig feststelle, daß der Wärmegehalt der Ozeane nicht besonders stark steigt, dann mag das für sich auch verträglich sein mit einer hohen Klimasensitivität, aber nur, wenn dann die Oberflächentemperaturen stark steigen, weil Wärme nur sehr langsam in die Ozeane hinein transportiert wird. Beides gleichzeitig geht aber nicht, und schließt den langen Schwanz sehr hoher Klimasensitivität aus. Genau das beobachten die Wissenschaftler in der Anwendung ihres Modells auf die bekannten Daten für die Temperaturen, die klimatischen Antriebskräfte und die Erwärmung der Ozeane für den Zeitraum 1750 bis 2000. Ihr Ergebnis ist, daß die Klimasensitivät in den Bereich fällt, der im IPCC-Bericht als besonders wahrscheinlich angegeben wird: 2 bis 4,5 Grad je Verdopplung von CO2, ohne den langen Schwanz hin zu hohen Klimasensitivitäten. Das ist nur begrenzt beruhigend, weil uns auch schon 2 – 4,5 Grad Erwärmung je Verdopplung von CO2 Sorgen machen. Um präzise zu sein, da sich andere Treibhausgaskonzentrationen auch erhöhen (werden), wir die globale Erwärmung trotzdem deutlich höher ausfallen, wenn nicht strenge Gegenmaßnahmen getroffen werden.
Es gibt noch mögliche Einwände, auf die die Autoren selbst hinweisen. Diese Einwände würden dazu führen, daß der lange Schwanz zu hohen Klimasensitivitäten nicht wirklich ausgeschlossen ist. Zum einen gibt es in den historischen Daten zu Klimaantrieben (etwa tatsächliche Treibhausgaskonzentrationen, Sulfatemissioenn der Vulkane und solare Strahlung in der Vergangenheit) Unsicherheiten, zum anderen ist ein recht einfaches Klimamodell benutzt worden, um schnell Rechnungen über diesen langen Zeitraum durchführen zu können. Weitere Untersuchungen sollen hier zu mehr Sicherheit führen. Nimmt man andere Arbeiten dazu (meistens in den IPCC-Berichten zitiert), wächst die Sicherheit, daß man die Klimasensitivität im IPCC-Bericht richtig mit dem Bereich von 2 – 4,5 Grad je CO2-Verdopplung angenommen hat. Damit bleibt Raum für die Hoffnung, daß eine Begrenzung der globalen Erwärmung auf ca. 2 Grad möglich ist, auch wenn es sehr schwer fallen wird.
Sonntag, 8. März 2009
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