Die Klimaforschung hat eine ganz eigene Dramaturgie, die an die Dynamik der Kollision zweier Öltanker erinnert, deren Kapitäne bereits eine halbe Stunde vorher wissen, daß der Unfall nicht mehr zu vermeiden ist, aber in der Zwischenzeit noch in Ruhe ihre Mittagessen einnehmen können. Seit Ende der 70er Jahre wissen wir, daß wir mit den CO2-Emissionen vermutlich auf Dauer Probleme bekommen werden, seit Ende der 80er Jahre, daß der Klimawandel bereits begonnen hat und Probleme auf Dauer sicher sein werden, und trotzdem haben die Entscheidungsträger die ganze Zeit so getan, als sei noch viel Zeit zu handeln. Das ist bedrohlich in einem System, das Bremsspuren macht, die bei einer Länge von 50 Jahren anfangen (globale Temperatur) über Jahrhunderte (Abschmelzen des Festlandeises auf Grönland und in der Westantarktis) und Jahrtausende (Verweildauer von mindestens der Hälfte des CO2 in der Atmosphäre) gehen. Man neigt dazu, noch während der Kollisionsphase zu sagen: „Aber es ist ja noch nichts geschehen.“
Es gibt mehrere Gründe, warum inzwischen Zweifel aufkommen, ob wir den Klimawandel überhaupt noch in den Griff bekommen.
China kriegt die Kurve nicht
Die Emissionen Chinas: die chinesischen CO2-Emissionen steigen schneller als in allen Prognosen auf dem Stand des 3. Assesment Reports des IPCC. Neue Studien zeigen, daß selbst im optimistischen Fall sich die chinesischen CO2-Emissionen in den nächsten 20 Jahren verdoppeln werden, trotz massiven Ausbaus der Kernenergie und alternativer Energieträger und selbst unter Berücksichtigung von Technologien zum Auffangen und Ablagern von CO2 bei neuen Kohlekraftwerken. Und China ist dabei ein Platzhalter, der auch für Indien, Indonesien, den Iran, die Türkei, Pakistan, Nigeria, Mexico und viele andere Staaten steht, die ebenfalls bevölkerungsreich sind und Nachholbedarf bei der Entwicklung haben.
Bereits gebuchte Erwärmung ist größer
Eine neue Studie hebt die Menge an Erwärmung an, die bereits im System angelegt ist, aber wegen der Verzögerung durch die Ankopplung der Meere und möglicher Kühlung durch Aerosole noch nicht realisiert wurde. Dazu gibt es eine Publikation: D. P. Van Vuuren, M. Meinshausen, G.-K. Plattner, F. Joos, K. M. Strassmann, S. J. Smith, T. M. L. Wigley, S. C. B. Raper, K. Riahi, F. de la Chesnaye, M. G. J. den Elzen, J. Fujino, K. Jiang, N. Nakicenovic, S. Paltsev, and J. M. Reilly: Temperature increase of 21st century mitigation scenarios, Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA, die hier verlinkt ist.
Selbst im striktesten Vermeidungsszenario kommt die Studie bis 2100 auf eine Erwärmung von 1990 an von 1,4 Grad mit einem Unsicherheitsbereich von 0,5 – 2,8 Grad. Selbst in dem Band der stärksten und raschesten Maßnahmen zur Reduktion der Treibhausgasemissionen besteht die Möglichkeit zu einer globalen Erwärmung von mehr als 2 Grad, der Grenze, bis zu der man die Folgen der globalen Erwärmung für moderat hält und bewältigen kann.
Was das IPCC verschwiegen hat
Doch selbst die Überlegungen dazu, welche Erwärmung eigentlich noch mit moderaten Folgen abläuft, wurden in den letzten Jahren revidiert. Die Veröffentlichung dazu ist schon wieder ein Politikum für sich.
Die Ergebnisse des IPCC basieren auf dem Stand der Wissenschaft, wie er zur Erstellung der IPCC-Berichte publiziert oder bekannt war. Es wurde jedoch nur in den IPCC-Bericht hereingenommen, was im Review durch die Experten und Staaten nicht auf Einspruch stieß. Einige Staaten, explizit genannt werden die USA, Russland, China und Saudi-Arabien, haben massiven Einfluß genommen, die Aussagen des IPCC zu entschärfen. Im konkreten Fall geht es um ein Diagramm, das darstellt, wie Risiken in verschiedenen Bereichen abhängig von der globalen Temperatur auftreten. Die gestrichene Graphik kann man nun in einer Publikation sehen von Joel B. Smith, Stephen H. Schneider, Michael Oppenheimer, Gary W. Yohe, William Hare, Michael D. Mastrandrea, Anand Patwardhan, Ian Burton, Jan Corfee-Morlot, Chris H. D. Magadza, Hans-Martin Füssel, A. Barrie Pittock, Atiq Rahman, Avelino Suarez and Jean-Pascal van Ypersele, Assessing dangerous climate change through an update of the Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) “reasons for concern”, Proceedings of the national Academy of Sciences, 27.02.2009.
Die wesentliche Botschaft ist hier, daß nun erhebliche Risiken bereits bei einer deutlich niedrigeren globalen Erwärmung gesehen werden. Bereits bei einer globalen Erwärmung von einem Grad steht man bei mehreren der betrachteten Risiken im roten Bereich. Zu extremen Wetterereignissen mit Schäden an Vermögenswerten und Leben trägt die globale Erwärmung jetzt schon zu einem gewissen Teil bei. Unter Verdacht stehen einige Sturmereignisse, Überschwemmungen oder die Hitzewelle und die Brandereignisse in Australien. In allen Fällen kommen andere Ursachen maßgeblich oder möglicherweise dazu, aber Klimaveränderungen spielen in vielen Fällen sehr wahrscheinlich bereits eine Rolle.
Besorgniserregend ist auch, daß das Eis auf Grönland beim gegenwärtigen Klima bereits als nicht mehr stabil angesehen wird. Sollte es mal abtauen, würde es sich nicht wieder neu bilden. Nur weil das grönländische Eisschild bis zu 3 Kilometer dick ist, liegt es zum großen Teil in solchen Höhen, daß Niederschläge das Abtauen zum großen Teil ersetzen können. Auf dem Bodenniveau wäre es bereits zu warm, damit sich neue Gletscher aufbauen könnten – im Sommer würde neu gebildetes Eis immer wieder abtauen.
Die gebildeten Risikokategorien sind nicht alle einfach nachzuvollziehen, aber das Diagramm dazu ist intuitiv verständlich. Wohl deshalb gab es die Widerstände einiger Hauptverschmutzer, die Graphik aufzunehmen und nur kurze Textaussagen zu übernehmen.
Wir sind bereits auf Kollisionskurs, aber Aerosole nehmen uns die Sicht
Eine ähnliche Sicht unterstützt ein anderer Artikel von V. Ramanathan and Y. Feng, On avoiding dangerous anthropogenic interference withthe climate system: Formidable challenges ahead. Proceedings of the National Academy of Sciences, 105, 14245–14250 (2008).
Auch hier wird ein düsteres Bild gezeichnet. Der beobachtete Anstieg der Treibhausgaskonzentrationen hätte bereits im Strahlungsgleichgewicht einen Anstieg der Temperatur um 2,4 Grad zur Folge mit einer Unsicherheitsspanne von 1,4 bis 4,3 Grad. Damit läge man aber schon jetzt in der Spanne von 1 bis 3 Grad, bei der verschiedene Kippunkte überschritten werden, etwa für die Gletscher im Himalaya (Wasserversorgung für Indien und China) und das grönländische Eisschild (in anderen Arbeiten habe ich allerdinsg gelesen, daß dieser Kippunkt auch im optimistischen Fall bis hoch zu 6 Grad liegen könnte). Nach den IPCC-Modellen wurde bisher gerade 25% dieser Erwärmung realisiert. Der Rest käme zu 90% in diesem Jahrhundert, abhängig davon, wie viel von der bisherigen Erwärmung durch Aerosole maskiert wurde und wie stark bisher die Ozeane die Erwärmung gedämpft hatten. Jede Strategie zur Vermeidung von Treibhausgasemissionen, egal wie aggressiv durchgeführt, kann nicht unter diesen Stand von 2,4 Grad vorgemerkter Erwärmung gelangen. Die Zahlen liegen etwas höher als in der am Anfang genannten Arbeit, teilweise aber, weil hier die Erwärmung aus dem 20. Jahrhundert mit berücksichtigt wird, teilweise, weil hier der Anteil der Erwärmung nach 2100 dazugezählt wird. Korrigiert man dafür, stimmen die Zahlen in dieser Arbeit und in der von Van Vuuren et al weitgehend überein.
Keine schönen Neuigkeiten…
Montag, 16. März 2009
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1 Kommentar:
Ich finde dasselbe wie du. Uber Erwärmungssysteme ist es immer noch verandlich..
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