Warum die öffentliche Debatte zum Klimawandel wichtig ist
Wann immer wissenschaftliche Arbeit den Raum politischer oder religiöser Relevanz streift, ist damit zu rechnen, daß die Diskussion der Laien bedeutend wird. In dem Fall treten in der öffentlichen Diskussion die anerkannten wissenschaftlichen Standards zurück. Fakten und ihre Unsicherheitsbereiche werden zu Glaubensfragen. Die Diskussion um die Evolutionstheorie als solche ist auf wissenschaftlicher Ebene schon lange beendet. In den USA jedoch, und auch anderswo, wird die öffentliche Diskussion auch in jüngster Zeit so erbittert geführt, daß noch nicht mal sicher ist, daß sich die wissenschaftlich anerkannten Kenntnisse durchsetzen werden – in Meinungsumfragen sind die Amerikaner mehrheitlich Leugner der Evolutionstheorie.
Die Diskussion um die globale Erwärmung, ihre Ursachen und Folgen hat eine weitaus kürzere Geschichte in der öffentlichen Debatte, und auch hier hat sich in manchen Ländern die wissenschaftliche Sicht noch nicht durchgesetzt. Ein besonderes Problem dabei ist, daß starke kurzfristige Interessen der energieerzeugenden und verbrauchenden Industrien den langfristigen volkswirtschaftlichen Interessen entgegenstehen. In Staaten, in denen die Energieerzeugung aus Kohle, Öl und Gas und gleichzeitig auch der Verbrauch eine große Rolle spielen (USA, Kanada, Australien) ist die politische Diskussion des Klimawandels geradezu vergiftet. Der Wechsel von Bush zu Obama in den USA wirkt auch in der Regierungsrhetorik so, als wären die USA gerade von einer fremden Besatzungsmacht befreit worden. Es gibt eindrucksvolle Belege dafür, wie unter Bush versucht wurde, die wissenschaftliche Arbeit zum Klimawandel zu behindern und zu verfälschen. (Siehe auch hier für den Report von 2007). Unter Obama ist das Problem nun zur höchsten Priorität geworden.
Nach allem, was wir wissen, ist es besonders wichtig, rasch und in großem Umfang Emissionen von Treibhausgasen zu reduzieren, weil seit den 80er Jahren, als sich ein wissenschaftlicher Konsens zu dem Problem entwickelte, nicht angemessen gehandelt und Zeit vergeudet wurde. Wir sind bereits auf einem Niveau der CO2-Konzentration, bei dem man nicht mehr ausschließen kann, daß langfristig (über Jahrhunderte) der Meeresspiegel um über 60 Meter ansteigt, denn ein Abschmelzen des polaren Festlandeises kann nicht sicher ausgeschlossen werden. Allenfalls darf die CO2-Konzentration innerhalb dieses Jahrhunderts um eine gewisse Marge steigen, sollte aber dann wieder absinken, und zwar, je nach Lesart, mindestens unter 450 ppm oder sogar auf 350 ppm. Dafür müssen die Emissionen der Treibhausgase bereits vor 2030 deutlich sinken und bis 2050 um mindestens 80% reduziert werden. Derzeit sind wir in einer Entwicklung, bei der bis 2050 noch keine Reduzierung erreicht wird. Schon eine Stabilisierung der Emissionen auf das heutige Niveau gilt als global ehrgeiziges Ziel. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts müssen wir es sogar schaffen, wieder CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen. Es ist nicht unmöglich, aber es ist sehr schwierig.
In einer solchen Situation ist es ein Problem, wenn die öffentliche Debatte nicht den Sachverstand seriöser und kompetenter Wissenschaftler akzeptiert, sondern Außenseitermeinungen vorzieht und aus dem existenziellen Problem des Klimawandels eine Glaubensfrage macht. Dies kann dazu führen, daß auch die Politik nicht mehr auf dem Sachverstand der Experten vertraut, sondern zunächst abwartet, um auf der sicheren Seite zu sein oder das Problem als unwichtig einstuft und dann nach Kriterien der Bequemlichkeit urteilt – wer ist am lautesten, was sagen die wichtigeren Lobbyisten, wo ist die Parteilinie, was ist beim Wähler populär. Wirtschaftliche Einschnitte in der Gegenwart zur Lösung eines Problems, daß sich im Laufe von Jahrzehnten entwickelt, sind natürlich immer unpopulär. Aber da Politik auch für die Kinder und Enkel gemacht werden muß, führt kein Weg an unpopulären Maßnahmen vorbei, die sich auf dem besten Wissensstand der aktuellen Forschung beziehen, ungeachtet dessen, ob dieser noch unvollständig ist oder nur mit gewisser Wahrscheinlichkeit Aussagen machen kann. Der Feuerwehrmann, der ein Kinderschreien im brennenden Haus hört, überlegt auch nicht lang, ob das nicht vielleicht auch ein noch laufender Fernseher sein könnte und es sich lohnt, sein Leben aufs Spiel zu setzen. Er verfolgt die wahrscheinlichere Annahme und startet die Rettungsaktion.
Mit wem wird die öffentliche Diskussion geführt?
Die Situation ist inzwischen so, daß es in aller Regel nicht darum geht, Skeptiker zu überzeugen. Skeptiker sind Menschen, die noch das Für und Wider einer Argumentation abwägen und bessere Beweise wünschen. Skeptiker arbeiten an der Gewinnung dieser Beweise aktiv mit, sie zeigen Fortschritte in einer Diskussion und sie haben erkennbare Punkte, an denen sie festmachen können, daß deren Erfüllung ihre Meinung ändern würde. Üblicherweise läuft die Diskussion jedoch mit Leugnern. Das sind Menschen, die sich bereits eine feste Meinung gebildet haben, jedoch aufgrund sachfremder Erwägungen die Fakten selektiv wahrnehmen oder sich unzureichend informieren, und die daran auch nichts ändern wollen. Diese Menschen erkennt man daran, daß es für sie keine erkennbaren Punkte gibt, deren Erfüllung ihre Meinung ändern würde. Diskussionen um Fakten mit solchen Menschen sind sinnlos. Gegenargumente werden sie nicht akzeptieren. Notfalls werden sie diese in dem Augenblick vergessen, in dem sie geäußert wurden und schon kurz darauf einen widerlegten Einwurf wiederholten. Leugner werden Fakten, Quellen und Zeugen vorwiegend danach beurteilen, ob sie für ihre Meinung brauchbar oder schädlich sind, und nach dieser Einteilung dann als wahr oder falsch qualifizieren.
Es ist ein Problem, daß viele Leute, die den wissenschaftlichen Sachstand in Diskussionen vertreten wollen, sich nicht im klaren darüber sind, daß sie es mit Leugnern und nicht mit Skeptikern zu tun haben, und daß es gar nicht darum geht, Beweise vorzulegen, sie besser zu erläutern und Einwände zu widerlegen. Es wird nichts geben, das einen Leugner überzeugen könnte. Je länger die Diskussion dauert, desto stärker werden sich Leugner sogar bestätigt fühlen, weil sie selektiv nur das ansammeln, was in ihre Meinung paßt. Es sollte zu denken geben, daß ein Teil der Inhofe-Liste, der Pressemitteilung des US-Senators, der „beweisen“ will, daß es noch eine Kontroverse in der Wissenschaft zum Klimawandel gibt, aus Artikeln von Wissenschaftlern besteht, die damit zusätzliche Belege anführen, daß die globale Erwärmung vorwiegend eine Folge der Emission von Treibhausgasen ist.
Wer mit Leugnern diskutieren will, sollte sich verdeutlichen, daß er gegen jemanden antritt, der keinen Maßstab entwickelt hat und entwickeln will, an dem er feststellen könnte, ob er vielleicht irrt. Ein Leugner wird aus seiner Sicht nie in einer Diskussion unrecht haben. Er wird notfalls auch lügen, fälschen, gerade besprochenes vergessen, er wird willkürlich Quellen und Zeugen zusammentragen und gegebenenfalls auch Aussagen aus ein und der selben Quelle als Bestätigung nehmen, wenn sie brauchbar sind, und als unglaubwürdig ablehnen, wenn sie schädlich sind. Lindzen, der selbst den Treibhauseffekt akzeptiert, ist ein gern verwendeter Zeuge von Leugnern, die zugleich auch Gerlich zitieren, um zu zeigen, daß der Treibhauseffekt nur eine Lüge sei.
Wie man mit Leugnern diskutiert
Man kann nicht mit Leugnern diskutieren, sondern nur über sie. Man kann ihre Methoden vorführen, man wird aber bei jedem Versuch zu einer Sachdiskussion scheitern. Leugner versuchen, Themen zu diktieren, bei denen sie sich sicher fühlen. Kommen sie mit einem Thema nicht voran, wechseln sie es. Eine der Grundregeln für den Umgang mit Leugnern ist daher, das Thema so eng wie möglich zu halten und notfalls geradezu mechanisch einen einzelnen Punkt zu wiederholen, bis der Leugner aufgeben muß. Er wird sich selbstverständlich nie eingestehen, daß er unrecht hatte und den Punkt bei nächster Gelegenheit wiederholen. Aber zumindest hier ging dann die Haupttaktik nicht auf, sich gegen Argumente durch Wechsel des Themas zu immunisieren. Grundsätzlich ist es wichtig, möglichst schnell festzustellen, ob man mit einem Leugner zu tun hat oder doch mit jemandem, der noch nicht informiert ist. Bei Leugnern gibt es nur rhetorische Fragen. Eine Antwort ist nie wichtig. Uninformierte Menschen hingegen stellen echte Fragen. Sie wollen Antworten haben und bauen auf diesen Antworten auf. Uninformierte Menschen stellen allerdings selten Fragen, sondern verfolgen lieber passiv Diskussionen. Gerade deshalb ist es wichtig, daß sich Menschen, die den wissenschaftlichen Sachstand vertreten, nicht auf das Niveau der Leugner herunterziehen lassen. Leugner verweist man bevorzugt auf anerkannte Quellen. Wenn sie mit Verschwörungstheorien reagieren, nach denen das IPCC politisch gesteuert sei und ähnliches, hilft nur, dies offen anzusprechen und die Diskussion zu beenden. Mit Verschwörungstheoretikern diskutiert man nicht.
Auch über offensichtlich falsche Behauptungen diskutiert man nicht. Wenn jemand zu beweisen versucht, daß 2+2=5 sei, ist eine Diskussion unsinnig. Es ist falsch! Wenn jemand sagt, die globale Erwärmung habe geendet, gilt das gleiche. Trendberechnungen sind statistisch eindeutig – es gibt einen Trend und dazu einen Vertrauensbereich. Läßt der Vertrauensbereich auch einen gegenläufigen Trend zu, reicht die Datenbasis nicht. Wenn jemand meint, es gäbe keinen Treibhauseffekt, dann leugnet er Lehrbuchwissen. Das ist nicht diskutabel, es ist falsch. Wenn man mit jemandem, der etwas offensichtlich falsches behauptet, anfängt zu diskutieren, hat man verloren. Wie soll man jemandem, der das Gegenteil behauptet beweisen, daß 2+2=4 ist? Es kann nicht funktionieren. Ich sehe viele lange Diskussionen mit Leugnern und wundere mich nur.
Auch über den Konsens in der Wissenschaft diskutiert man nicht. Er ergibt sich aus der Fachliteratur. Wer nicht in die Fachliteratur schaut, kann auch nicht wissen, was der wissenschaftliche Erkenntnisstand ist. Es gibt viele angebliche Wissenschaftler, die sich in Umfragen gegen Feststellungen des IPCC wenden, obwohl diese ja zwangsläufig nur Zusammenfassungen der Fachliteratur sein können. Wo sind denn die Publikationen dieser Kritiker? Das dreckige Dutzend der wissenschaftlichen Leugner ist bekannt und ihre wenigen Fachpublikationen, die wirklich wiedergeben, was in den Blogs als Meinung verbreitet wird, in der Regel bereits durch andere Arbeiten widerlegt oder relativiert. Warum es Leugner unter Wissenschaftlern gibt, hat verschiedene Gründe, die zu erläutern hier zu weit führt. Ich werde darauf zurückkommen.
Die Semantik ist nicht unwichtig. Man tut Leugnern einen großen Gefallen, wenn man sie Skeptiker nennt. Sie sind es nicht, sie würden nur gerne als solche erscheinen. Sie werden ohnehin jeden, der seriöse Wissenschaft vertritt, als Alarmisten oder Paniker diffamieren, nicht aufgrund objektiver Sachverhalte, sondern weil es Teil ihres Glaubens ist. Eine Differenzierung zwischen Wissenschaftlern, Politikern und Publizisten (Al Gore!) oder zwischen Laien und Experten oder zwischen gemäßigten und radikalen Vertretern erfolgt nicht. Aber natürlich ist es einfacher, jeweils die Politiker, die Laien und die Radikalen anzugreifen, und die anderen dann zu subsumieren. Und so geschieht es auch.
Was ist das Fazit?
Bevor man eine Diskussion anfängt, sollte man sich erst mal klar machen, mit wem man diskutiert, welche Regeln er akzeptiert und welche Ziele er hat. Man kann sich dann Zeitverschwendung und Frustration ersparen.
Mittwoch, 28. Januar 2009
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