In diesem Blog ist es mir ein Anliegen, gegen antiwissenschaftliche Strömungen zu schreiben. Eine Einstellung, die den persönlichen Glauben und politische Ziele über rationale Überlegungen stellt, findet man bei allen Richtungen, in denen man sich stark engagiert. Auch Umweltschützer sind davon gelegentlich betroffen. In diesem Sinne kann einen eigentlich nicht überraschen, mit welch schwachen Argumenten derzeit der Aktionskonferenz Nordsee e.V. (AKN) ein wissenschaftliches Experiment zu den Auswirkungen der Eisendüngung in den Weltmeeren verhindern will. Man hat geradezu das Bild von Idioten vor sich, die Versuchsfelder mit genetisch veränderten Pflanzen zertrampeln, um so ihre Weltanschauung allen anderen aufzunötigen. Auf den Weltmeeren kann man nichts zertrampeln, aber man kann Lobbyarbeit beim Umweltschutzministerium leisten und das geschieht gerade neben der Medienkampagne der AKN.
Um was geht es eigentlich? Die Eigendarstellung des Alfred Wegener Instituts AWI findet man hier. Die Polarstern soll danach im südlichen Atlantik im Rahmen des deutsch-indischen Eisendüngungsexperiment LOHAFEX (Loha bedeutet Eisen auf Hindi, FEX steht für Fertilization EXperiment also Düngungsexperiment) etwa 20 Tonnen Eisensulfat über einem Gebiet von 300 Quadratkilometern ausbringen. Das AWI weist mit recht darauf hin, daß ein größerer Eisberg in etwa die gleiche oder eine stärkere Wirkung hätte. Damit wäre die Diskussion eigentlich beendet. Zusätzlich hat man sich aber noch die Mühe gemacht, ein Meeresgebiet mit geringem Austausch nach außen zu suchen (aufgrund einer Wirbelform der örtlichen Strömung), dessen Wasser vorher aus küstennahen Gebieten einströmte. Dort hatten natürliche Prozesse (Erosion) einen erheblich höheren Eiseneintrag in das Wasser bewirkt. Überspitzt könnte man sagen, daß AWI bereitet auf 300 Quadratkilometern Meeresfläche ein homöopathisches Eisenpräparat zu, dessen Gehalt nach der Verdünnung experimentell kaum nachweisbar ist. Kann man hier noch furchtbare Auswirkungen vermuten?
Ja, das schaffen die Vertreter des AKN. Sie werfen den Forschern allen ernstes „einen größenwahnsinnigen Plan“ vor. Wo soll denn sich der Größenwahn verstecken? Bisher stelle ich mir da kleine Diktatoren vor, die sich mal wieder die Weltherrschaft als Ziel setzen. Das AKN möchte immerhin definieren, was Forscher weltweit tun und lassen sollen. Die juristische Argumentation des AKN ist natürlich unhaltbar, denn die internationalen Vereinbarungen, auf die sie sich berufen, erlauben gerade Düngungsexperimente und verbieten nur die großflächige Düngung. Faszinierend ist aber die fachliche Stellungnahme, die ich hier mal zitiere: „Dabei sind die langfristigen Folgen für Flora und Fauna der Tiefsee und Korallenriffe durch die großflächige Einbringung von Eisen kaum abschätzbar. Weiterhin wissen die Forscher auch nicht, wann das CO2 an einer anderen Ecke der Meere wieder auftaucht.“ Also, 300 qkm, das ist so großflächig wie ein Pickel auf der menschlichen Haut, etwa ein Millionstel der gesamten Meeresoberfläche. Vielleicht sollte das AKN erst mal seine Schlauchboote nehmen und Eisberge einfangen? Eine Tiefsee gibt es vor Ort, aber von was für Korallenriffen reden die Vertreter des AKN hier? Selbstverständlich könnten die gebildeten Algen in der Nahrungskette auftauchen und dabei am Ende auch wieder das gebundene CO2 in der Luft auftauchen. Wo ist da das Problem? Das ist Umweltschutz mit Schaum vor dem Mund, fernab von jeder rationalen Erwägung.
Dahinter steht eine Angst, die nicht weniger irrational ist: ein erfolgreiches Experiment könnte dazu führen, daß von der Wirtschaft gefordert wird, im Rahmen des Geoengineering mit Eisendüngungen gegen steigende CO2-Konzentrationen vorzugehen. Selbstverständlich könnte das geschehen. Auf Basis der bereits durchgeführten Experimente könnte das schon geschehen. Was wollen wir eigentlich? Jede Forschung verbieten, deren Ergebnisse vielleicht zum Effekt haben, daß man Maßnahmen als sinnvoll ansieht, die bisher aus Vorsichtsgründen ausgeschlossen wurden? Forschung hat nicht den Zweck, bestehende politische Vorlieben zu unterstützen, sondern es ist die immerwährende Suche nach mehr Wissen über die Welt, um besser fundierte Entscheidungen treffen zu können. Selbstverständlich können Forschungsergebnisse auch positiv für wirtschaftliche Interessen von Unternehmen sein, ohne daß das den Wert der Forschung beeinträchtigt.
Die eigentliche Entscheidung zur Eisendüngung als Maßnahme wird sowieso solche Experimente nur als Teil der Entscheidungsgrundlage nehmen können. Ich hatte schon andernorts geschrieben, daß Geoengineering eine heikle Sache ist. In diesem speziellen Falle besteht die Frage, ob eine ausreichend große Algenblüte, um signifikant globale Kohlendioxidkonzentrationen zu senken, nicht zu einer so massiven Überdüngung der Meere führen könnte, daß dabei auch großflächig (und hier passt das Wort) Meeresgebiete (in den tieferen Schichten) durch den biologischen Abbau der Algen sauerstoffarm werden und absterben. Diese Frage erfordert weitere Daten und geeignete Modellrechnungen. Wenn man Düngeexperimente unterbindet, unterbindet man auch das Sammeln der hierfür nötigen Daten. Die AKN leistet insoweit nicht nur keinen Beitrag zum Umweltschutz, langfristig behindert sie ihn sogar. Wissen eigentlich die armen Spender für diesen Verein, was das AKN da anrichtet?
Der Erfolg des AKN bisher, mit Deckung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: das Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF hat das Experiment gestoppt, bis sich zwei nicht genannte Institutionen als Gutachter geäußert haben. Man kann nun spekulieren, was für neuartige Erkenntnisse in den nächsten Tagen oder Wochen herauskommen werden, die über ein Experiment entscheiden sollen, das bereits eine Begutachtung hinter sich hat, und dessen grundsätzliche Auswirkungen bekannt sind. Mit etwas Glück kommen die Gutachten mit vorhersagbarem Ergebnis rechtzeitig heraus, bevor die Polarstern am Einsatzort angekommen ist. Dann könnte ein positives Votum des BMBF den AKN-Auftritt zum Sturm im Wasserglas machen. Aber man muß klar sagen, solche irrationalen Eiferer schaden auf Dauer nicht nur der Forschung, sondern auch dem Umweltschutz, der auf solide Forschungsergebnisse angewiesen ist.
Eine Ergänzung: in der FAZ gab es eine ausführlichere Darstellung des Ablaufs. Demnach gebührt einer kanadischen Umweltorganisation die zweifelhafte Ehre, zuerst Alarm geschlagen zu haben, AKN und auch WWF sind dann mitgezogen. Auch die Rolle des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ist nicht ganz durchsichtig, denn eigentlich waren sie im Vorfeld von der Aktion informiert, ohne zunächst Einwände zu erheben, und über das Umweltbundesamt noch mal kurz vorher informiert worden. Nun beruft sich das Ministerium darauf, aus dem Forschungsministerium und über das UBA nicht die erforderlichen und erwarteten Informationen erhalten zu haben und stellt sich erst mal dumm. An der obigen Darstellung ändert das nicht besonders viel, so oder so müssen wir nun hoffen, daß die geforderten Gutachten rechtzeitig im Umweltministerium Gnade finden, damit man auf der Polarstern nach Zeitplan anfangen kann, das Eisensulfat ins Meer zu schütten.
Mittwoch, 14. Januar 2009
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