Dienstag, 18. Mai 2010

Postnormale Wissenschaft - ein idealer Begriff für Schmierattacken

Als Chemiker habe ich keine Ahnung von Philosophie, Soziologie oder Wirtschaftswissenschaften. Wenn ich also etwas darüber schreiben möchte, wandele ich auf dünnem Eis - Dunning-Kruger winkt schon. Aber zum Glück gibt es schnell den Bullshit-Alarm, wenn jemand aus den Gefilden der Philosophie versucht, zu erklären, wie Naturwissenschaftler eigentlich Naturwissenschaften machen.

Gestern habe ich vom Hartwell-Papier geschrieben. Das hatte gleich den Bullshit-Alarm ausgelöst. Natürlich ist es möglich, daß Ökonomen schlaue Dinge zu ökonomischen Zusammenhängen beim Klimawandel herausfinden, die ich nicht beurteilen kann. Aber wenn sie erzählen wollen, es sei ökonomisch sinnvoller, die CO2-Reduktion hintenan zu stellen, weil es einfachere Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels gäbe, dann ist klar, daß es hier in Wahrheit darum geht, effektive Maßnahmen zu vermeiden.

1. Reduktionen anderer Treibhausgase werden bereits vorgenommen.
2. Aufgrund der Langlebigkeit von CO2 und der Stellung als wichtigstes Treibhausgas muß die Reduktion der CO2-Emissionen Priorität Nummer 1 sein.

Es gibt nämlich auch von den Wissenschaftlern am Scripps Institut einen aktuellen Plan zur Bekämpfung des Klimawandels, der in Teilen ähnlich aussieht, wie das Hartwell-Papier. Aber im Gegensatz zum Hartwell-Papier geht es ohne Decarbonisierung nicht. Die Scripps-Forscher empfehlen 3 Schritte:
  • Stabilisierung der CO2-Konzentration.
  • Ausbalanzierung der Verschmutzungsgesetzgebung, um zugleich mit kühlendem Aerosol auch wärmenden Ruß und Ozon aus der Atmosphäre zu entfernen.
  • Reduzierung der Emissionen von fluorierten Kohlenwasserstoffen, Methan und anderen Treibhausgasen, die eher kurzlebig sind.
Was das Hartwell-Papier noch verdächtig macht, ist eine Charakterisierung des Klimawandelproblems als "tückisches" (wicked) Problem. Darunter werden Probleme verstanden, die so formuliert werden, als hätten sie eine Lösung, sind aber in Wahrheit bezogen auf offene, komplexe Systeme, für die sich ein anzustrebender Zustand gar nicht formulieren läßt. Damit schwingt mit, daß Ziele wie das 2 Grad-Ziel für den Klimawandel gar nicht angestrebt werden könnten. Das verwechselt aber die Tatsache, daß wir nicht genau wissen, wo die Kippunkte des Systems Erde liegen, mit der Tatsache, daß wir sehr genau wissen, daß wir uns bereits in einen kritischen Bereich hineinbewegen und daß kein Weg an einer sehr schnellen Reduktion von Treibhausgasemissionen unter Einschluß von CO2 vorbeiführt. Diese Analyse ist nämlich möglich, weil wir z.B. wissen, wie hoch die CO2-Konzentrationen in den letzten 3 Millionen Jahren in Phasen waren, als der Meeresspiegel deutlich höher stand als heute. Demnach sind wir bereits am Rande eines Kippunktes zum Abschmelzen von Festlandseis.

Noch stärker Verschwurbeln kann man die Erkenntnisse zum Klimawandel mit dem Begriff der "postnormalen Wissenschaft". Das wird von von Storch auf der Klimazwiebel vorgeführt. Da fällt zunächst eines auf. Es wird von der Klimaforschung als "postnormale Wissenschaft" geschrieben. Dann "überlegt" von Storch, welche großen Beispiele für "postnormale Wissenschaft" ihm aus der Geschichte einfallen. Da fallen ihm nur die "arische Physik" im Dritten Reich und der Lysenkoismus ein. Und schon ist die Abqualifizierung durch Assoziation fertig, ohne auch nur einmal erläutern zu müssen, was denn konkret in der Klimaforschung falsch sein soll, weil es in einem ideologischen Rahmen formuliert wurde. Schaut man den Blogbeitrag weiter durch, fällt einem auch auf, daß absichtsvoll die Begriffe Klimapolitik und Klimawissenschaft austauschbar verwendet werden. Dabei kann es durchaus sein, daß wir noch nicht wissen, welches ökonomische Modell denn am besten geeignet ist, Emissionsziele umzusetzen. Die Grundfeststellungen der Klimaforschung andererseits sind trotzdem so fundiert, daß sie ohne besonderen Grund nicht mehr neu diskutiert werden müssen.

Fragt man ganz konkret danach, welche Erkenntnisse der naturwissenschaftlichen Klimaforschung denn nun "postnormal" seien, wird man vergebens auf Antworten warten. Die naturwissenschaftliche Klimaforschung entspricht nämlich überhaupt nicht der Definition einer "postnormalen Wissenschaft", sondern findet ganz normal über fachbegutachtete Publikationen, auf der Basis von Experimenten, Beobachtungen und Modellrechnungen statt und keineswegs unter der Einbeziehung einer erweiterten Begutachtung durch Nicht-Experten. "Postnormale Wissenschaft" ist einfach nur ein neuer Strohmann, der leicht abzufackeln ist, aber mit der Klimaforschung gar nichts zu tun hat. Klimapolitik andererseits ist sowieso keine Wissenschaft, egal ob normal, revolutionär oder postnormal. Deshalb findet man den deutschen Begriff "postnormale Wissenschaft" praktisch nur in Leugnerblogs, wie auch das Hartwell-Papier über google mit Ausnahme meines Blogs zur Auflistung von Leugnerblogs führt. Und der Begriff "postnormale Wissenschaft" als Schmierattacke der Leugner gegen die Klimawissenschaft ist ohnehin ironisch, denn was Watts mit seinen Photographien von Wetterstationen und McIntyre mit seiner absurden Definition von Wissenschaftsaudits und die vielen Blog"wissenschaftler" betreiben, ist genau die Erweiterung der "Peers", die "postnormale Wissenschaft" kennzeichnen soll, und die von anderen Leugnern den Klimaforschern unterstellt wird.

Wenn man es sauber machen will, nimmt man zunächst eine größere Zahl von Publikationen aus definierten Bereichen der Klimaforschung, weist hier nach, daß komplexe Probleme mit schlimmen Folgen und hohem Entscheidungsbedarf behandelt wurden und dabei eine Begutachtung von Nicht-Fachleuten genutzt wurde, und stellt dann fest, daß man einen Bereich der Klimaforschung identifizieren konnte, der "postnormal" gemäß der Theorie von Silvio Funtowicz and Jerome Ravetz ist. Was hingegen offensichtlich nur eine Schmierattacke ist, ist erst anhand abstrakter Merkmale "der" (nicht definierten) Klimaforschung zu unterstellen, daß sie "postnormale Wissenschaft" sei, und dann Vergleiche mit der politisierten Pseudowissenschaft unter Stalin anzustellen.

Sonntag, 16. Mai 2010

Das Hartwell-Papier - was die Leugnerlobby möchte

Gwyn Prins, Isabel Galiana, Christopher Green, Reiner Grundmann, Mike Hulme, Atte Korhola, Frank Laird, Ted Nordhaus, Roger Pielke jr., Steve Rainer, Daniel Sarewitz, Michael Shellenberger, Nico Stehr und Hiroyuki Tezuka haben im Februar das im Mai publizierte Hartwell-Papier erstellt. Es ist das Ergebnis einer Konferenz von Ökonomen, Soziologen und anderen Wissenschaftlern, die von der London School of Economics einberufen wurde. Zwei der Autoren sind vom The Breakthrough-Institute, das dafür bezahlt wird, Lobbyinteressen umzusetzen, andere Autoren sind bekannt dafür, den bestehenden wissenschaftlichen Wissensstand zum Klimawandel durch indirekte Methoden in den Zweifel zu ziehen, beispielsweise Stehr und Pielke jr., Tezuka vertritt als Manager die Japanische Eisen und Stahl Vereinigung (Japan Iron and Steel Federation), und zwei Autoren haben zwar andere Arbeitgeber, sind aber außerdem auch Fellows des Breakthrough-Instituts (Laird und Pielke jr.).

Im Sinne der Geldgeber oder der politischen Vorstellungen der Autoren ist es, zu folgendem Resultat zu kommen:

  • Die wissenschaftliche Basis zum Klimawandel ist unsicher
  • Die Klimaforscher sind politisch beeinflußt und ihre Aussagen daher ideologisch zu bewerten
  • Umweltbewegungen und Umweltpolitik der Regierungen sind auf dem Rückzug
  • Gravierende Maßnahmen zur Reduktion der CO2-Emissionen sind nicht wünschenswert
  • Maßnahmen zur CO2-Reduktion sind potentiell schädlich und daher gegen die unsicheren, im politischen Raum stehenden Risiken des Klimawandels abzuwägen
  • Alternative Maßnahmen, die die Energiewirtschaft nicht treffen, sind beim Klimawandel vorzuziehen
  • Maßnahmen gegen den Klimawandel sollten nationale Maßnahmen sein, die es Unternehmen erlauben, Staaten gegeneinander auszuspielen und bei Bedarf die chinesische oder die amerikanische Karte zu spielen
  • Wir haben Zeit und sollten erst Technologien zur CO2-Reduktion entwickeln und dann erst Maßnahmen dagegen treffen

Und, wer hätte es gedacht, all das kann man in dem Bericht wiederfinden. Na, so ein Zufall...

In dem Bericht meinen die Ökonomen und Soziologen, das Kyoto-Abkommen sei gescheitert, weil es zu keinen nennenswerten Rückgängen der CO2-Emissionen gekommen sei. Das ist sehr großzügig festgestellt, da mit den USA immerhin der wichtigste Verschmutzer gar nicht mitgemacht hatte. Das dürfte wohl eher eine Rolle gespielen als strukturelle Schwachstellen, die die Autzoren als Grund angeben. Auch das Scheitern der Klimakonferenz in Kopenhagen sehen sie als strukturelles Problem in dem gewählten Ansatz, CO2-Emissionen zu begrenzen statt als politisches Problem, nach dem USA, China und Indien einfach gar kein Interesse an einer globalen Politik zur Reduktion der Treibhausgasemissionen haben. Noch schlimmer ist, daß die Autoren unterstellen, daß diese Krise zugleich im Zusammenhang mit einem Scheitern der Klimaforschung stünde, was absurd ist. Das politische Scheitern ist genau das und unabhängig von der Entwicklung im wissenschaftlichen Raum und die Wissenschaft zum Klimawandel steht überhaupt nicht in Frage - die angeblichen Skandale sind Fabrikationen, unterstützt von diversen anderen Think Tanks, die genauso ihre Rolle für ihre Auftraggeber spielen wie das Breakthrough Institut.

In der Analyse findet man ein Spiel, das in der Politik ganz wichtig ist, aber in der Wissenschaft nichts zu suchen hat. Das Spiel lautet, seien Schwächen und Fehler festzustellen und sie dann dem politischen Gegener vorzuwerfen, um damit möglichen Angriffen zuvorzukommen. Die Leugnerbewegung wird über Think Tanks vernetzt, die ihrerseits über Lobbyinteressen finanziert werden? Na, da wird doch erst mal Klimaforschern vorgeworfen, sie seien alle dafür bezahlt, daß sie eine "Klimakatastrophe" feststellen. Ein absurder Vorwurf vor allem, wenn man bedenkt, daß ein großer Teil der Forschung zum Klimawandel von US-Wissenschaftlern betrieben wurde unter US-Präsidenten, die auf engem Kuschelkurs zu US-Energieunternehmen waren. Die Leugner argumentieren vor allem politisch, oft mit dem Streben, sich gegen Steuern auf Energie und gegen staatliche Regulierung im Umweltbereich einzusetzen? Na, da wird doch erst mal den Klimaforschern vorgeworfen, daß sie Ökoideologen seien und ihre Forschung ideologisch motiviert sei. Leugner fälschen Statistiken, argumentieren abseits einer vernünftigen Datengrundlage oder können sich kaum auf fachbegutachtete Literatur berufen? Na, dann wirft man doch der Klimaforschung Datenfälschung vor, zieht die wichtigsten Einrichtungen und Forscher in dem Bereich in den Schmutz und unterstellt, daß die Fachbegutachtung nicht funktioniere, sondern nur Kumpanei unter "Parteifreunden" sei. Einiges von diesem vorsorglichen Angreifens eigener Fehler bei anderen findet man auch im Hartwell-Papier, wenn im Abschnitt II, Teil C, von der mißverstandenen Natur der Wissenschaft von Erdsystemen die Rede ist. Hier und an anderen Stellen wird ein Bild entworfen, nachdem die Klimaforschung zu ihren Urteilen käme, weil sie von einer ideologischen Basis aus arbeite. Es werde eine falsche Sicherheit zu Urteilen entworfen, die man so gar nicht bieten könne, weil das System Klima zu wenig verstanden sei. Das alles ist ein riesiger Strohmann, der dadurch aufgebaut werden kann, weil man den Vorwurf kein einziges Mal konkretisiert. In Wahrheit weiß man ja sehr genau, daß die Wirkungskette von Treibhausgasen zu globaler Erwärmung etabliert ist und auch die Klimasensitivität von 3 Grad/Verdopplung CO2-Äquivalent (+1,5/-1) inzwischen belastbar ist. Es wird eine Krise des IPCC entworfen, die so gar nicht existiert, sondern nur von Think Tanks fabriziert wird. Und wenn das IPCC als politischer Verein beschrieben wird, beschreibt man in Wahrheit Think Tanks, wie zum Beispiel das The Breaktrough Institute.

Damit haben wir bereits drei Punkte der obigen Aufzählung gefunden. Im Kapitel III finden wir den Rest. Im Zirkelschluß wird festgestellt, daß die Reduktion von CO2 als vorrangiges Ziel falsch sei, weil dieser Ansatz keine Resultate gebracht hätte. Der Ansatz hat allerdings keine Resultate gebracht, weil er von den maßgeblichen Seiten gar nicht verfolgt wurde. Diese Stellen, insbesondere die USA, haben es nicht verfolgt, weil Lobbyeinrichtungen der Energieunternehmen erfolgreich die US-Politik darauf einschwören konnten, daß ernsthafte CO2-Reduktionsmaßnahmen der US-Wirtschaft schaden würden. Wie wir alle wissen, ist ja wegen der niedrigen Steuern auf Energie die USA heute der weltweit führende Exporteur und Deutschland wegen hoher Steuern auf Energie als Exportnation gescheitert, Netto-Importeur und im Ausland hoch verschuldet. (Ironie Ende.) Soviel zum Sachverstand der Ökonomen, die ihr System so wenig verstehen, daß ich vermute, daß ihre Unterstellung, die Klimaforschung verstünde das Erdklima nicht, auch nur eine Projektion ist.

Und dank des Zirkelschlusses kommen die Ökonomen dann zu dem "überraschenden" Ergebnis, daß es falsch sei, sich als primäres Ziel CO2-Reduktionen zu setzen, sondern man erst mal andere Kliamtreiber reduzieren solle, die das IPCC - angeblich - übersehen habe. Man könnte natürlich in den Bericht der WG 1 in Kapitel 2 nachschauen, um dort eine Aufzählung der Klimatreiber zu sehen, die die Ökonomen erwähnen: FCKW und andere fluorierte Kohlenstoffverbindungen, Ozon und Rußaerosol. Alle diese Substanzen leisten in der Tat auch einen Beitrag zum Klimawandel. Aber wenn die Ökonomen behaupten, es sei eine sinnvolle Strategie, auf die Reduktion dieser Substanzen zu setzen, um den Klimawandel zu bekämpfen, dann lassen sie wichtige Fakten außer Acht:

  • Die Beiträge dieser Substanzen insgesamt sind klein im Vergleich zum Klimaantrieb von CO2.
  • Die Emissionen der FCKW und anderer fluorierter Kohlenwasserstoffe werden im Rahmen des Montreal-Protokolls sowieso reduziert. Klar sollte man das forcieren, aber das ersetzt keine der anderen Maßnahmen zum Klimaschutz.
  • Troposphärisches Ozon kann man nur begrenzt reduzieren, da global gesehen die Hälfte der Ozonkonzentration als natürlicher Hintergrundwert anzusehen ist. Reduziert wird es über die Reduktion der Emissionen der Vorläufer, und in vielen Fällen geschieht das über die Reduktion von Stickoxiden, da oft Kohlenwasserstoffe aus natürlichen Quellen im Überschuß vorhanden sind. Die Reduktion der Stickoxide erfolgte im übrigen bereits im Rahmen der Bekämpfung des sauren Regens, etwa durch die Einführung des Katalysators für Autos. Na, und jetzt dürfen alle raten, wer mal gegen die Maßnahmen gegen den sauren Regen opponierte oder heute verbreitet, das Waldsterben sei nie ein potentielles Problem gewesen, gegen das man etwas tun müsse - Beweis, der Wald sei ja nicht gestorben (weil man politisch gehandelt hatte - Großfeuerungsanlagenverordnung, TA Luft, Einführung des Katalysators, wird immer vergessen).
  • Ruß, wie auch die Vorläufer troposphärischen Ozons, sind in der Atmosphäre vergleichsweise kurzlebig. Ist erst mal der politische Wille da, diese Substanzen auf ihre natürlichen Hintergrundwerte zu reduzieren, geht das recht schnell. CO2 hingegen, einmal emittiert, kreist über 1000 Jahre zwischen Biosphäre, Atmosphäre und oberen Schichten des Meeres hin und her, und nimmt dabei nur langsam ab. Deshalb ist es Priorität Nummer 1, CO2-Emissionen zurückzufahren. Einmal emittiert, werden wir es dauerhaft nicht mehr los.
  • Nicht zuletzt entstehen Stickoxide als Ozonvorläufer und Ruß bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe. Das heißt, die Reduktion der CO2-Emissionen reduzieren automatisch auch die Emissionen von Stickoxiden und Ruß. Stattdessen wollen die Ökonomen umständlich Technologien finden, um Stickoxide und Ruß zu bekämpfen, während weiterhin Kohle, Öl und Gas verbrannt werden.
Nachdem man viele Pseudoargumente entwickelt hat, um Maßnahmen zur Reduktion von CO2-Emissionen zu verzögern, baut man genau diesem Vorwurf vor, indem man behauptet, daß man genau das nicht wolle. Man vertrete ja eine CO2-Steuer - aber bitte nur eine geringfügige - aus der dann Forschung für energiesparende Technologien finanziert werden solle. Und wenn dann in ferner, ferner Zukunft Technologien entwickelt sind, wie Energieunetrnehmen den gleichen Profit ohne fossile Brennstoffe erzielen können, dann, ja dann, könne dies auch zum Tragen kommen - nicht über billionenschwere staatliche Förderungen, sondern als Aktivitäten privater Unternehmen, weil es ja jetzt profitabel sei. Das sei im Interesse der vielen armen Menschen, die ja sonst über ihre Abgaben die ganze Subventionspolitik für nicht-fossile Energieträger schultern müßten. Da hatte ich dann schwerste Verständnisprobleme, weil ich als Nicht-Ökonom die anscheinend irrige Vorstellung hatte, Steuern und Abgaben würden hauptsächlich von den oberen Einkommensgruppen geleistet. Und weil die Ökonomen das halt anders sehen, stellen sie dann auch mit Pathos fest, daß ihre Politik sich an der Menschenwürde orientiere im Gegensatz zur alten Klimapolitik, die einseitig auf die Emissionsreduktion ausgerichtet sei. Anscheinend ist die Feststellung, daß der Klimawandel vor allem durch Treibhausgase bewirkt wird, daß der Klimawandel im Extremfall unsere Lebensgrundlagen zerstören wird und daher grundsätzlich eine absolute Grenze bei den Treibhausgasen besteht, die wir insgesamt emittieren können, der Menschenwürde nicht zuträglich. Man muß wohl Ökonom sein, am besten im Umfeld von Breakthrough-Institut, Heartland Institut, Cato Institut, Competitive Enterprise Institut, und so weiter, um das überzeugend zu finden.

Ich hingegen kann nur "Bingo" rufen - im Hartwell-Papier habe ich jeden Punkt gefunden, der im Interesse der Lobby der Kohle- und Ölindustrie und anderer energieintensiver Branchen war. Daher, gleich in die Altpapiertonne mit dem Papier.

Samstag, 15. Mai 2010

Wie der Journalismus versagt

Dumm, inkompetent, Journalist? Warum eigentlich überkommt einem beim Blick durch die Zeitungen das Gefühl, daß hier ein ganzer Berufsstand auf breiter Front versagt? Journalisten können vielleicht Agenturticker in knackigen Meldungen zusammenfassen, sie können Politiker zu verfänglichen Aussagen verleiten und Skandale basteln, die mehr oder weniger treffend sind, aber wenn es darum geht, ein korrektes Bild über ein komplexes Thema zu vermitteln, ziehen Journalisten in der Regel die Versagerkarte. Und wie das geht, das sehen wir wieder bei einem aktuellen Beispiel.

Nachdem ja Journalisten bereits in skandalöser Weise fabrizierte Falschinformationen (Verzeihung, das Wort heißt - Lügen!) der Leugnerlobby in einer Serie von -gates verbreitet hatten und es auch nicht für nötig befanden, die Korrekturen in gleichem Umfang nachzureichen, ja, wie im Beispiel des Spiegels das Loch, daß sie sich gegraben hatten, zu einer Untiefe des Grauens ausschachteten, befanden es immer mehr Wissenschaftler für an der Zeit, sich zu diesen Angriffen auf die Wissenschaft zu Wort zu melden. In Science unterschrieben auf Initiative von Peter Gleick 255 Mitglieder der US-Akademie der Wissenschaften einen Kommentar unter dem Titel: "Climate Change and Integrity of Science", in dem sie ausdrücklich die Feststellungen der Klimaforschung unterstützten und sich gegen die Verbreitung von Lügen und ein Klima antiwissenschaftlicher Verfolgung wehrten. Für mich wäre das eigentlich keine Meldung wert, weil bekannt sein sollte, daß sämtliche Vereinigungen von Wissenschaftlern sich zu den Grundaussagen der Klimaforschung bekennen und auch jede wissenschaftliche Kommission, die sich bisher mit dem Thema befaßt hatte, immer zu den gleichen Ergebnissen gekommen war - der Klimawandel erfolgt durch Treibhausgase, ist real, ist meßbar und auf Dauer bedrohlich, deshalb muß die Emission von Treibhausgasen in kurzer Zeit drastisch reduziert werden. Es ist ein Konsens, der sich seit Jahrzehnten entwickelt hat und die Ergebnisse der Forschung haben permanent nur die Unsicherheit dieses Konsenses verringert, aber keien Argumente dagegen geliefert.

Daß es für mich keine Meldung wert ist, bedeutet aber nicht, daß die Medien nicht verpflichtet wären, über diese Erklärung von Akademiemitgliedern zu berichten. Die Medien haben immerhin verbreitet, daß es Skandale gegeben hätte und deshalb die Klimaforschung unter Beschuß stünde und sogar in Teilen in Frage stünde. Falschmeldungen, teilweise brutal gelogen (wie im Fall des notorischen Lügenreporters Kulke oder durchgängig der Wissenschaftsredaktion des Spiegels), und daher in dringender Not zu einer Korrektur. Da wäre es eine Sache des Anstandes, wenn die Medien angemessen diese Botschaft von 255 Wissenschaftlern, die meistens bereits Publikationen zu Themen vorweisen, die einen Bezug zum Klimawandel haben und deshalb angeschrieben wurden, verbreiten würden. Tatsächlich aber wurden der Kommentar der Wissenschaftler vom Wall Street Journal, von der New York Times und von der Washington Post zurückgewiesen, als Peter Gleick jeweils dort zunächst ihren Kommentar zur Veröffentlichung anbot. In allen diesen Zeitungen waren Falschmeldungen zu angeblichen Skandalen der Klimaforschung verbreitet worden, die sich in Wahrheit nur als Skandale von Journalisten herausstellten. Journalisten wie zum Beispiel Leake und Rose, die gelogen hatten. Erst Science war bereit, den Kommentar zu drucken. Und danach fand sich kaum eine Zeitung bereit, darüber zu berichten, auch der Spiegel nicht, auch die Welt nicht, auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung nicht und schon gar nicht die oben genannten amerikanischen Zeitungen. Für Lügen war Platz, für die Information der Leser nicht.

Und dann wurde doch über den Science-Artikel berichtet. Der Kommentar wurde nämlich, nicht von den Wissenschaftlern, sondern in der Redaktion, mit einem Bild versehen. Ein Eisbär auf einer Eisscholle im Meer. Das kommt durchaus vor. Es gibt auch echte Bilder davon. In dem Fall aber hatte die Redaktion nur eine Photomontage gefunden. Unwichtig, nicht wahr? Das Bild hat sowieso mit dem Kommentar der Wissenschaftler nicht viel zu tun, es ist nur Dekoration, nicht wahr? Natürlich nicht für die Leugner. Da sie zur Sache keine Argumente haben, können sie ja nur an Details und Nebensächlichkeiten herummäkeln. Ihre Botschaft war: das Bild sei gefälscht. Und daher müsse die Botschaft der Wissenschaftler auch falsch sein. Das ist so lächerlich, daß intelligente Menschen einen solchen Unfug ignorieren würden. Peter Gleick wies darauf hin, daß dies die konfuse Logik der Leugner aufdeckt, und daß in der Tat Eisbären, die auf einzelnen Eisschollen im Meer treiben, vorkommen, daß aber die ganze Leugnerdebatte kein einziges Argument zum Klimawandel vorgebracht hat. Aber wir haben es hier mit Journalisten zu tun. Mit Menschen, die keine Zeit haben, um komplexe Sachverhalte zu verstehen. Mit Menschen, die ihr Geld damit machen, daß sie über Skandale und Konflikte schreiben. Über Klatsch. Die sich keineswegs in der Pflicht sehen, Menschen über ihre komplizierte Welt zu informieren, um sie kompetent zu machen. Die für ihren Unterhaltungswert bezahlt werden. Selbstverständlich ist das einzige, was Journalisten überhaupt in größerer Zahl dazu bewegt, über eine Botschaft von Akademiemitgliedern zu schreiben, ein angeblicher Skandal. Den Initiator der Aktion bringt dies sogar zu sarkastischen Feststellungen, daß wohl die falsche Bildwahl der Scienceredaktion das beste war, was ihrem Kommentar passieren konnte, denn dadurch erhielt er eine bessere Verbreitung. Besser konnten Journalisten eigentlich nicht demonstrieren, wie beliebig ihre Informationsauswahl ist, wie dumm und inkompetent sie arbeiten, wie überflüssig ihre Medien sind, die meiner Meinung nach allesamt ruhig pleite gehen können. Denken Sie daran - die Informationen, die Sie hier finden, hätten eigentlich in dem FAZ-Beitrag finden müssen, in dem stattdessen nur ein Plagiat der Leugnerbotschaft zu dem Scienceartikel steht - Titel: "Manipuliertes Manifest: Von der Kunst, die Klimadebatte aus das Glatteis zu führen". Joachim Müller-Jung, Wissenschaftsreporter mit getrübtem Blick, hat hier ganze Arbeit geleistet, um sich zu blamieren. Hat er etwas über die Sabotage an der Klimaforschung geschrieben? Nein. Zur politischen Verfolgung von Klimaforschern in den USA? Irgendetwas? Nein. Zu der Serie von Lügen der Leugnerlobby? Nein. Zu den entlastetenden Untersuchungen zur Klimaforschung? Nein. Aber daß eine Photomontage als Layoutbeigabe zu einem Kommentar diesen widerlegen könnte, das findet der Mann berichtenswert. Ist das zu glauben?

Der einzige Berufsstand, der noch arroganter und selbstgerechter als Richter und Ärzte ist, ist der der Journalisten. Sich korrigieren, wieso denn? Fehler eingestehen? Wie denn, welche Fehler? Qualitätskontrolle? Das haben doch Journalisten nicht nötig. Der Presserat spricht ab und zu Rügen aus, nach einer bürokratischen Prozedur, die sofort zusammenbrechen würde, wenn Menschen auf die Idee kämen, mal sämtliche Falschberichterstattungen der Medien konsequent zu melden. Und was geschieht nach so einer Rüge? Folgendes:

Beeindruckend, nicht wahr?

Jetzt war mal die Chance, zum Thema Klimawandel das Bild wieder geradezurücken. Und die gesamte Medienlandschaft versagt. Sie bringen nicht die Meldung, sie bringen das Gemecker über das zugehörige Lay-Out. Bravo, Joachim Müller-Jung, auf diesen Beitrag können Sie stolz sein. Denn es war eine absolut typische Leistung Ihrer Zunft. Dumm, inkompetent, am Thema gescheitert.

Donnerstag, 13. Mai 2010

Die Welt kommt langsam, aber gewaltig

Steigen die Mischungsverhältnisse der Treibhausgase in der Atmosphäre, absorbiert sie infrarotes Licht stärker. Dadurch wird die Abstrahlung der Wärme von der Erde ins All weniger effektiv und die Gleichgewichtstemperatur der Erde wächst an. Bei einer Verdopplung der CO2-Mischungsverhältnisse von 280 auf 560 ppm erhält man einen Wert von ca. 1,2 Grad Celsius bzw. 1,2 Kelvin.

Wird die Atmosphäre wärmer, führt dies jedoch auch zu Rückkopplungen. Die meisten Rückkopplungen sind positiv und verstärken Änderungen der globalen Temperatur. Zunächst nimmt eine wärmere Atmosphäre mehr Wasser auf. Dadurch wird der Treibhauseffekt verstärkt. Zugleich erwärmt sich die Troposphäre im oberen Bereich stärker als im unteren Bereich. Dadurch strahlt sie effizienter Wärme ab. Das ist eine negative Rückkopplung, die allerdings deutlich kleiner ist. Weiterhin nimmt die Bewölkung vermutlich zu. Je nach Modell kann das zu einer positiven oder negativen Rückkopplung führen, doch insgesamt überwiegt die Ansicht, daß wir von einem neutralen bis leicht positivem Effekt ausgehen müssen. Schließlich geht durch eine globale Erwärmung auch die Schneebedeckung in den gemäßigten Breiten und teilweise in den polaren Breiten zurück. Dadurch nimmt die Albedo der Erde im Mittel ab, also die direkte Reflektion der Sonneneinstrahlung vom Boden, was die Erde weiter erwärmt, aber besonders verstärkt über dem Land in den gemäßigten bis polaren Zonen, ganz besonders aber in der Arktis - speziell die arktische Verstärkung durch den Rückgang der Seeeisbedeckung läßt sich inzwischen bestätigen. Es gibt viele Zusammenfassungen dieser Effekte, die man etwa im IPCC-Bericht findet oder zum Beispiel auf dieser Seite, die ich gerade gesehen habe. Zusammengenommen nennt man diese Rückkopplungen schnelle Rückkopplungen, weil sie auf einer Zeitachse bis zu wenigen Jahren wirksam sind. Der Albedoeffekt ist vielleicht der langsamste, und kann durchaus eine Verzögerung von mehr als 10 Jahren haben. Für Klimaveränderungen ist das immer noch schnell.

Daß speziell der kombinierte Effekt von Wasserdampf und Wolken insgesamt zu einer positiven Rückkopplung bei der globalen Erwärmung führt, ist durch direkte Messungen gut gesichert. Dies wurde zum Beispiel von Georg Hoffmann kommentiert. Deshalb beeindruckt es auch nicht, wenn Lindzen oder Spencer von Zeit zu Zeit mit der Behauptung Unsicherheit streuen wollen, daß sie belegen könnten, daß die positiven Rückkopplungen viel schwächer seien - ihre Behauptungen stehen im Widerspruch mit praktisch der gesamten übrigen publizierten Forschung.

Zugleich wissen wir aber auch, daß die Klimasensitivität um einen Wert von 3 Grad Celsius je Verdopplung des CO2-Äquivalents ist. D.h. bei einer Verdopplung des CO2-Gehalts in der Atmosphäre oder einer in der Wirkung entsprechenden Erhöhung anderer Treibhausgasmischungsverhältnisse tragen die in der Summe positiven Rückkopplungen weitere 1,8 Grad Celsius Temperaturerhöhung bei. Dieser Wert von 3 Grad bezieht sich allerdings auf die neue Gleichgewichtstemperatur, die erst mit Verzögerung erreicht wird. Zum einen sind die Rückkopplungen Verzögerer, wie etwa der Albedoeffekt, der sich über ein Jahrzehnt lang auswirken kann, zum anderen dauert es, bis sich alle gekoppelten Teile der Erde auf die neue Temperatur eingestellt haben. Hier ist der Transport der Wärme in die Ozeane wesentlich. Nach und nach transportieren Meeresströmungen die Wärme von der Oberfläche immer tiefer und kühlen die ganze Zeit die Atmosphäre. Das kann Jahrzehnte dauern. 30 Jahre für die Kopplungen von Atmosphäre und die oberen ca. 2000 Meter der Ozeane sind eine plausible Hausnummer, aber es könnte auch mehr oder weniger sein. Die Gleichgewichtstemperatur für die bisherige Erhöhung der Treibhausgasmischungsverhältnisse ist also um die 1,5 Grad, aber davon ist bis zur Hälfte noch auf dem Weg, da erst noch die Ozeane die zusätzliche Wärme aufnehmen müssen und zudem ein Teil durch die kühlende Wirkung von Sulfataerosol maskiert wurde. Deshalb sehen wir erst eine globale Erwärmung von ca. 0,8 Grad, von denen ein kleiner Teil solaren Ursprungs ist, das meiste aber Folge der Treibhausgasemissionen.

Daß die Klimasensitivität für die schnellen Rückkopplungen bei etwa 3 Grad je Verdopplung des CO2-Äquivalents liegt, zeigt die Zusammenschau der Auswertung der Temperaturänderungen seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, die Reaktion der globalen Temperatur auf Vulkanausbrüche, die Auswertung von Temperaturänderungen laut den Proxies über die letzten 2000 Jahre, die Untersuchung der letzten Eiszeit, die Untersuchungen von Erwärmungen in der weiteren Vergangenheit, wie etwa die Erwärmung im mittleren Pliozän vor 3 Millionen Jahren und außerdem Modellrechnungen. Das findet man hier zusammengestellt (von wo das Bild links entnommen ist, wo für verschiedene Ansätze die ermittelten wahrscheinlichen -dünner Balken- und sehr wahrscheinlichen Bereiche -dicker Balken- der Klimasensitivität gezeigt werden), wie auch beim obigen Link zu den schnellen Rückkopplungen und beruht auf einer Arbeit von Knutti und Hegerl 2008. Die Klimasensitivität von 3 Grad/Verdopplung des CO2-Äquivalents wird seit gut 30 Jahren immer wieder gefunden, wobei der Unsicherheitsbereich so nach und nach verkleinert wurde.

Doch es gibt auch die langsamen Rückkopplungen. Die machen zwar unserer und auch der nächsten Generation noch kein Kopfzerbrechen. Aber für die Menschen unserer Enkelgeneration und danach sind diese langsamen Rückkopplungen das eigentliche Problem bei dem Klimawandel. Diese langsamen Rückkopplungen sind noch wenig verstanden. Dazu zählen etwa die Albedoveränderungen durch ein Abtauen der Eisschilde auf Grönland und in der Antarktis, die Freisetzung von CO2 und Methan durch ein Auftauen des Permafrostbodens in der Tundra Sibiriens, Kanadas und Alaskas, die Freisetzung von Kohlendioxid durch eine Verschiebung der Kliamzonen und einem Absterben tropischer Regenwälder oder die Freisetzung von Methan aus Methanclathraten am Meeresgrund insbesondere in den arktischen Gewässern. Diese Rückkopplungen finden auf einer Zeitachse von einigen Jahrzehnten, von wenigen Jahrhunderten oder länger statt. Einige der langsamen Rückkopplungen könnten außerdem deutlich davon abhängig sein, wie schnell sich das Klima erwärmt oder CO2 ansteigt. Ein langsamer Anstieg der CO2-Konzentration könnte durch Mischen in tiefere Schichten der Ozeane gebremst werden. Ein schneller Anstieg könnte hingegen durch einen pH-Abfall Schalenbildner in den Ozeanen abtöten oder schwächen und dadurch die Fähigkeit der Ozeane, CO2 aufzunehmen so schwächen, daß hieraus eine positive Rückkopplung für das CO2-Mischungsverhältnis wird. Ähnlich sieht das mit einer Verschiebung von Klimazonen und einem Absterben von Bäumen aus, die Klimaveränderungen nicht mehr durch Wachstum in neuen Regionen folgen können.

Hinweise darauf, daß die langsamen Rückkopplungen die Klimasensitivität erhöhen, bieten Untersuchungen zum Beispiel der Erwärmung im mittleren Pliozän von 3 Millionen Jahren. Lunt et al 2010 schätzen die erhöhte Sensitivität aufgrund der langsamen Rückkopplungen auf bis zu 50% höher als die schnelle Sensitivität. Wir reden also von einem Wert, der im Mittel bei 4 bis 4,5 Grad Celsius liegt. Und selbst das halten wir nur ein, wenn wir in absehbarer Zukunft den Anstieg der Treibhausgasemissionen anhalten und bis 2050 deutlich reduzieren. Ohne Maßnahmen kann das CO2-Äquivalent bis 2100 sich gegenüber dem vorindustriellen Wert verdreifachen. Pagani et al 2010 kommen zu ähnlichen Abschätzungen. Man muß sich klar machen, daß im mittleren Pliozän die globale Temperatur gut 2 bis 3 Grad höher lag als heute, aber das CO2-Mischungsverhältnis mit dem heutigen Wert vergleichbar war!

Diese Arbeiten werden auf Skeptical science kommentiert.

Die Rolle der Zeit ist auch fatal, wenn es um den Anstieg des Meeresspiegels geht. Die Eisbedeckung in Grönland oder der Antarktis erreicht innerhalb eines Jahrhunderts keineswegs ein Gleichgewicht. Das dauert viel länger. Das heißt, die Vorhersagen für einen Meeresspiegelanstieg bis 2100, die sich im Bereich um 1,2 bis 2 Meter konzentrieren, erzählen nur den Anfang des Meeresspiegelanstiegs. David Archer erzählt in seinem Buch "Das langsame Tauen" die Geschichte einer Erde, in der über Jahrhunderte und Jahrtausende der Meeresspiegel auf globale Temperaturänderungen und Änderungen des Kohlenstoffkreislaufs reagiert. Danach ist die Gleichgewichtsreaktion der Erde auf einen Anstieg der globalen Temperatur um 3 Grad (wie im mittleren Pliozän) ein Anstieg des Meeresspiegels um 40 Meter, und zwar unaufhaltsam, selbst wenn die CO2-Emissionen zurückgehen, weil die Lebensdauer zusätzlich eingebrachten Kohlendioxids so lange ist. Einzelheiten erläutert Georg Hoffmann.

Es gibt nämlich einen anderen Blickwinkel, indem man insbesondere darauf schaut, wie eigentlich der Kohlenstoffhaushalt der Erde auf die Erwärmung reagiert. Ein Erweiterung unseres Bewußtseins bedeutet dabei die Herausgabe eines neuen Bodenatlas für den nordpolaren Bereich (nördlich 50 Grad nördlicher Breite). Im Zusammenhang mit diesem Werk wurde festgestellt, daß die Hälfte des im Boden gebundenen Kohlenstoffs in den nördlichen Böden festliegen und unter anderem durch ein Auftauen des Permafrostbodens in der Tundra freigesetzt werden können. Freigesetzt werden nicht nur CO2, sondern auch die viel wirksameren Treibhausgase Methan und Distickstoffoxid N2O. Möglicherweise ist der Klimaeffekt dieser Emissionen aus nördlichen Böden größer als bislang vermutet und jedenfalls so in den Klimamodellen noch nicht berücksichtigt.

Wir müssen uns klar machen, daß die Betrachtung des Klimawandels nur bis 2100 nur einen Teil der Geschichte erzählt. Der Klimawandel hört dann nicht durch ein Wunder auf. Vielmehr könnten schon ab 2050 Klimafolgen eintreten, die nicht rückgängig gemacht werden können und über Jahrhunderte einen Klimawandel erzeugen, den Menschen nicht mehr kontrollieren können. Die Einstellung, man bräuchte erst auf den Klimawandel zu reagieren, wenn man seine Folgen sehen könnte, ist daher äußerst ignorant und geradezu kriminell.

Sonntag, 9. Mai 2010

Nachweis des Treibhauseffekts

Zu den absurdesten Unternehmungen der Pseudowissenschaft mit Bezug zum Klima gehört die angebliche Widerlegung oder Falsifikation des Treibhauseffektes. Es ist absurd, weil der Treibhauseffekt direkt abgeleitet werden kann aus elementaren Gleichungen, die den Energietransfer durch Strahlung von der Sonne zur Erde und von der Erde in den Weltall beschreiben und die Modifikation des Strahlungshaushalts, wenn ein Gas eingebracht wird, das im infraroten Bereich Strahlung absorbiert. Die quantitative Herleitung erfolgt durch Strahlungsflußrechnungen, die zwar aufwendig sind, aber nicht theoretisch anspruchsvoll. Wer meint, er könnte das widerlegen, den kann ich nicht ernst nehmen.

Gerlich und Tscheuschner gingen aber seit Jahren mit der Behauptung hausieren, sie hätten den Treibhauseffekt "falsifiziert". Dazu hatten sie einen enorm aufgeblähten Artikel erstellt, der voll von faktischen Fehlern war, aber auch viel Rhetorik enthielt, die die Sache eher verschleiern statt erhellen sollte. Als sich tatsächlich ein sachfremdes, zweitklassiges Journal fand, das die Publikation des Unfugs auch noch zuließ, war ich schockiert, und schrieb erst mal einen Blogbeitrag, in dem ich meinen Unmut darüber Raum gab, daß so etwas durch ein Peer Review kam. Ich erkläre mir inzwischen den Vorfall so, daß es einen Redakteur beim International Journal of Modern Physics B (IJMPB) gibt, der politisch im selben Boot sitzt, wie Gerlich und Tscheuschner und dafür sorgte, daß sich genehme Reviewer fanden, wobei es sich bei einem wohl um einen gewissen Kramm handeln muß, der selbst im Leugner-Camp aktiv ist.

Den meisten Wissenschaftlern, die sich mit dem Treibhauseffekt befassen, war es wohl zu dumm, sich mit dem Unsinn zu befassen oder die haben einfach nicht bemerkt, daß da in einem Journal zur Physik kondensierter Materie (also eben nicht Gas, schon gar nicht Atmosphären- oder Klimawissenschaften) irgendwelche Physiker etwas zum zentralen Punkt der Klimaforschung seit über 100 Jahren geschrieben hatten, was die Forschung eben des ganzen Jahrhunderts als Irrtum hinstellen wollte. Hätten Gerlich und Tscheuschner recht, wäre das nobelpreisverdächtig. Aber sie haben nicht recht, und da die Fachleute es nicht der Mühe wert hielten, den Unsinn auch nur zur Kenntnis zu nehmen, hatte Joshua B. Halpern die Arbeit auf sich genommen, eine Antwort zu erstellen. Verschiedene andere fleißige Leute leisteten mehr oder minder große Beiträge, und so konnte nun ein Kommentar publiziert werden, der auf die verschiedenen Fehler von Gerlich und Tscheuschner hinweist (J. Halpern, C. Colose, C. Ho-Stuart, J. Shore, A. Smith und J. Zimmermann, COMMENT ON "FALSIFICATION OF THE ATMOSPHERIC CO2 GREENHOUSE EFFECTS WITHIN THE FRAME OF PHYSICS", Journal of Modern Physics B, 24, 1309-1332, 2010, DOI No: 10.1142/S021797921005555X). Wer das Journal nicht gerade im Bestand seiner Bibliothek hat, kann die Versionen des Artikels vor der Publikation hier einsehen - die letzte Version G&T2.11.pdf entspricht praktisch dem publizierten Artikel. Oder Download bei Stoat.

Eli Rabett hat hier den, naja, autoritativen Kommentar zur Publikation. Gleichwohl haben sich Chris Ho-Stuart und William Connolley über Stoat schon vorher dazu gemeldet. Der Weg zur Publikation war allerdings steinig, weil die Erwiderung zunächst beim gleichen Redakteur ankam, der schon Gerlich&Tscheuschner so nett unter die Arme griff und daher auch bei den Reviewern landete, die deren seltsamen Ansichten vom Treibhauseffekt teilten. Erst Protest beim Redakteur, Hinweis auf die Voreingenommenheit eines Reviewers und die Inhaltsleere des zweiten Reviews führte dazu, daß ein unvoreingenommener Redakteur die Arbeit übernahm, zwei andere Reviewer fand, die dann auch gegen den Kommentar zur Gerlichs und Tscheuschners Artikel inhaltlich keine Einwände mehr hatten. Irritierend ist dennoch, daß das Journal eine Erwiderung von Gerlich und Tscheuschner passieren ließ, in denen die beiden lustig ihre Fehler wiederholten, ohne die Kritik an ihrem Beitrag aufzunehmen. Dafür brauchten die Herren auch noch 27 (siebenundzwanzig !) Seiten. Schon die Zusammenfassung der Erwiderung läßt einen schaudern. Sie meinen, sie hätten den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik nicht bloß auf eine Richtung des Strahlungstransfers zwischen Erde und Umwelt angewandt. Doch, haben sie. Einfach das Gegenteil zu behaupten ändert die Realität nicht. Sie behaupten, in dem Kommentar wäre der Treibhauseffekt nicht definiert worden. Er wurde und es wurde dabei entsprechende Literatur zitiert. Sie behaupten gar, es gäbe einen nicht-meßbaren, also nicht existierenden Einfluß des CO2 auf das Klima der Erde. Das ist nun so richtig - irreal. Zum Thema Messungen des Treibhauseffektes von CO2 findet man zum Beispiel hier eine schöne Darstellung von Georg Hoffmann. Ich verweise auch auf John Mitchell, auf Philipona et al. oder auf Raval&Ramanathan für Beispiele zur Messung des Treibhauseffektes. Ob im Labor, vom Boden oder von Satelliten aus - man kann den Treibhauseffekt messen, man kann den Anteil von CO2 zuordnen und das zu leugnen ist absurd, insbesondere für Leute, die meinen, sie könnten zu dem Thema etwas publizieren.

Aktualisierung: Chris Colose, ein weiterer Autor, hat ebenfalls einen Beitrag zum Thema. In allen Fällen lohnt sich der Blick in die Kommentare für weiteren Hintergrund. Die Diskussion der Erwiderung von Gerlich und Tscheuschner auf den Kommentar ist wenig schmeichelhaft, und das haben sich die Autoren redlich verdient.

Dienstag, 4. Mai 2010

Nachtrag zu "Wenn schon Mist schreiben, dann richtig"

In dem Beitrag habe ich es versäumt, zu schreiben, wer eigentlich der Autor, Axel Bojanowski ist. Er ist Wissenschaftsjournalist beim Spiegel, schreibt aber auch für andere Zeitungen und Zeitschriften. Stefan Rahmstorf hatte sich schon über eine frühere Falschdarstellung von ihm beschwert, in der er Ergebnisse des republikanischen Wegmann-Reports zu angeblichen Fehlern der Temperaturrekonstruktion von Michael Mann und seinen Kollegen fälschlich als Ergebnisse einer Studie der National Academy of Sciences ausgegeben hatte, die weitgehend die Ergebnisse von Mann et al. 1998 bestätigte. Auch beim Thema Meeresspiegel sah Rahmstorf die Notwendigkeit zur Korrektur. Kein Wunder, daß Bojanowski es sich nicht verkneifen konnte, gegen Rahmstorf nachzutreten und ihn als jemanden darzustellen, der versucht, Journalisten zu schikanieren. Der Mann mag es offensichtlich nicht, wenn man ihm seine Fehler vorhält.

Bojanowski läßt es sich auch nicht nehmen, Studien hervorzuheben, die die Mär von der globalen Warmzeit um 1400, die heutige Temperaturen erreicht haben soll, zu verbreiten. So schrieb er 2003 und 2004 je entsprechende Beiträge für die Welt am Sonntag:

Das Klima war viel komplexer, Erderwärmung auch schon um 1400. Die Forscher müssen umdenken, Welt am Sonntag 15.8.2004.

Als Grönland noch grün war. Welt am Sonntag, 15. 6. 2003.

In dem einen Beitrag wird unkritisch die Behauptung von McIntyre und McKitrick übernommen, daß die Temperaturrekonstruktion von Mann et al. 1998 widerlegt sei und es im Mittelalter global so warm war wie heute, in dem anderen Beitrag wird ein schon bald danach widerlegter Artikel von Soon et al. zitiert, in dem diese Behauptung verbreitet war. Der Skandal um die Publikation dieses Artikels, der eine Leugner-Seilschaft bei Climate Research offenlegte, führte zum Rücktritt der Redaktion.

Daher meine Einschätzung: wir erleben im Spiegel keine Ausrutscher oder eine vorübergehende Mode, um mit der Kontroverse Auflage zu machen. Der Spiegel ist ein Tummelplatz für Journalisten, denen die Wahrheit egal ist, die zum Leugnernetzwerk gehören und aktiv Desinformation der Öffentlichkeit betreiben. Ich befürchte, daß das Blatt über keinen einzigen seriösen und integren Wissenschaftsjournalisten verfügt.

Noch ein Hinweis: eine kleine Übersicht von Fehlervorwürfen an die Klimaforschung, die in Medien verbreitet wurden und was daraus wurde, gibt es bei der Frankfurter Rundschau.

Montag, 3. Mai 2010

Wenn schon Mist schreiben, dann richtig

Es gibt eine schöne englische Redensart "When in a hole, stop digging." - "Wenn man in einem Loch ist, soll man aufhören zu graben." Die Journalisten des Spiegels sollten das beherzigen, denn sie machen das Gegenteil. Nachdem Marco Evers, Olaf Stampf und Gerald Traufetter zum Klimawandel mit dem Artikel "Die Wolkenschieber" vorgeführt hatten, wie man lügt, diffamiert und Unterstellungen verbreitet, gibt es jetzt bei Spiegel Online einen Nachschlag mit noch mehr Lügen, Diffamierungen und Unterstellungen, aber nun auch noch verbunden mit Hinterfotzigkeit, denn man findet munter eingestreut viele Textstellen, mit denen sich die Spiegeljournalisten den Anschein der neutralen Berichterstattung geben wollen. Erst die Würdigung des Textes im Zusammenhang, die Analyse verräterischer Formulierungen und die eingestreuten Verlinkungen machen deutlich, daß hier in Wahrheit die Desinformation der Öffentlichkeit weitergeht. Diesmal wird Axel Bojanowski vorgeschickt, der unter dem Titel "Forscherskandal: Heißer Krieg ums Klima" Kriegsberichterstattung vom Kampf zweier Bürgerkriegsparteien vorspielt. Nur daß es diese zwei Parteien nur in dem Paralleluniversum des Spiegels gibt, denn in Wahrheit gibt es nur eine Partei, die Lobbyisten, die der Öffentlichkeit was über den Klimawandel vorlügen wollen. Alle übrigen Akteure reagieren nur in irgendeiner Form auf diese Partei. Mit diesem Krieg zwischen zwei Parteien hat der zum Thema völlig inkompetente Journalist aber eine griffige Erzählung, die jedem, der die Hintergründe nicht kennt, sofort einleuchtet und die betroffenen Wissenschaftler genau in die Position bringt, in der dann die ganzen Schläge unter die Gürtellinie treffen. Deshalb muß ein wichtiger Punkt vorausgeschickt werden.

Angenommen, es brächte irgendeinen wirtschaftlichen Vorteil, wenn man annimmt, daß 2+2=3 ist, würde es sofort eine Lobby dafür geben, diese Ansicht zu verbreiten und es würden sich auch Menschen finden lassen, die mit beliebiger Komplexität Argumentationen vorführen, warum 2+2=3 ist oder zumindest, warum wir uns nicht so sicher sein sollen, daß unter allen Umständen 2+2=4 ist. Vielleicht gibt es ja noch einen Fortschritt in der Mathematik, irgendeine spezielle Topologie, unter der vielleicht auch etwas anderes als 2+2=4 sinnvoll wäre. Und so weiter... Es ist hoffentlich einsichtig, daß 2+2=3 objektiv falsch ist. Hier gibt es keinen Anlaß zur Diskussion. Es ist dann auch nicht sinnvoll, dies als Auseinandersetzung zweier Gruppen zu behandeln, die sich beide irgendwie im Recht fühlen können. Hier gibt es nur eine richtige Ansicht und eine Partei, die eine Lüge verbreiten will. Eine Berichterstattung dazu, die vorgibt, eine Auseinandersetzung zweier Gruppen zu schildern, ohne sich auf eine Seite zu stellen, ist nicht neutral - sie ist desinformierend und heuchlerisch. Bei einer Aussage, die entweder wahr oder falsch ist, ist auch unentschieden falsch. Da die Leugner des wissenschaftlichen Standes zum Klimawandel falsche Behauptungen verbreiten, wie etwa die, daß unsicher sei, ob es sich derzeit global erwärmt, ob der Mensch der wesentliche Antrieb des aktuellen Klimawandels sei, ob der Klimawandel potentiell gefährlich sei, ob die Temperaturrekonstruktionen von Mann et al. 1998 reproduzierbar sind, ist eine neutrale Berichterstattung nur eine, die diese Ansichten als falsch darstellt. Genau das tut der Spiegel nicht, er berichtet nicht neutral, sondern verfälschend. Und da ich hier eine ganze Serie von Artikel finde, in der verschiedenste Journalisten immer wieder diese Erzählung vorbringen, daß es unter Klimaforschern zwei Parteien gäbe, "Skeptiker" und "Alarmisten" und viele zwischen diesen Parteien, und man daher beim Thema Klimawandel noch Grund zu Zweifeln hätte, über was, wird vage gehalten, ist dies anscheinend Redaktionslinie beim Spiegel. Das heißt, dieser Lügenjournalismus ist nicht das Vergehen einzelner Journalisten beim Spiegel, sondern die Redaktion hat irgendwann die Linie ausgegeben, daß man hier mit der Skandalwelle reiten möchte, weil man sich dadurch Auflage verspricht. Noch bösartiger wäre die Unterstellung, daß man hier auf Anzeigenkunden schielt. Dafür führt man die Parodie investigativen Journalismus vor, die sich darin erschöpft, Unterstellungen der Leugnerszene mit eigener Garnierung abzuschreiben.

Der Ansatz des Spiegels

Der Ansatz des ganzen Geschreibsels ist einfach. Man behauptet, die gestohlenen Emails der Climate Research Unit CRU analysiert zu haben, um so zu erhellen, ob sich die Erde wirklich erwärmt und ob die beteiligten Klimaforscher da Lobbyisten in die Falle getappt seien. So steht es in der Einleitung. Das ist zugleich absurd und verlogen. Es ist absurd, weil man über die Emails niemals so etwas feststellen könnte. Ob die Aussagen der Forscher korrekt sind, erhellt nur die wissenschaftliche Fachdiskussion über die Fachliteratur. Hier ist die Antwort eindeutig: die grundsätzlichen Aussagen der Klimaforschung sind reproduzierbar und werden durch die reale Entwicklung zunehmend bestätigt. Wenn man der globalen Temperaturzeitreihe bei CRU nicht glaubt, hat man mehrere andere Zeitreihen zur Verfügung, an Land, zur See oder durch Satelliten und viele andere Indikatoren für eine globale Erwärmung. Wenn man Mann et al. 1998 nicht den Hockeystick glaubt, gibt es über ein Dutzend anderer Temperaturrekonstruktionen der letzten 12 Jahre, die zeigen, daß die grundsätzlichen Ergebnisse korrekt waren. Deshalb ist es sinnlos, auch nur anzufangen, in den Emails irgendwas finden zu wollen. Selbst wenn da ein Geständnis von Mann stünde, er hätte 1998 die Daten gefälscht, wäre das schon längst durch all die anderen Artikel dazu überholt. Es wäre für ihn ein Problem, aber nicht für die Wissenschaft. Verlogen ist diese Analyse, weil diese Analyse bereits durchgeführt wurde. Unter anderem hat bereits der Guardian eine solche Analyse durchgeführt. Alle Untersuchungen kommen zu ähnlichen Ergebnissen: aus den Emails lassen sich keine Verfälschungen von Daten und Ergebnissen ableiten, allenfalls, daß die Wissenschaftler von antiwissenschaftlichen Angriffen genervt waren, in den Emails stellenweise ihren Frust über die Sabotage ihrer Arbeit abreagierten und versuchten, Angriffe über Absprachen abzuwehren. Und man muß schon ein mieses Charakterschwein sein, Menschen an den Pranger zu stellen, die Versuche zur Sabotage und zur Falschdarstellung im fachlichen Bereich durch konzertierte Aktionen abwehren wollen.

Ein Soziologe urteilt über die Klimaforschung

Der Spiegeljournalist wertet nun auch nicht den fachlichen Inhalt - kann er ja gar nicht - er macht daraus ein soziologisches Problem. Zwei Gruppen kämpfen miteinander, das menschelt schön und läßt sich schnell auf eine Ebene bringen, die Durchschnittsbürger mitverfolgen können. Daher bewertet die Emails nicht etwa ein Klimaforscher, sondern ein Soziologe, ein gewisser Peter Weingart von der Uni Bielefeld. Nun ist Weingart ein Mensch mit Vorbelastung. Schon seit längerem behauptet er, daß Wissenschaftler aus bestimmten Gründen zum Alarmismus neigen würden. Diese Behauptung wird fatalerweise davon begleitet, daß Prof. Weingart unter dem Dunning-Kruger-Effekt leidet und über ein Thema redet, das er offensichtlich nicht versteht, von dem er aber meint, etwas zu verstehen. Zum Beispiel ist ihm nicht klar, daß die Klimasensitivität, die vorgibt, wie stark der Klimawandel wird, über die letzten 30 Jahre im Mittel der Publikationen recht konstant blieb, während Szenarien, auf die diese Klimasensitivität angewendet wird, sich geändert haben - das kann der Soziologe offensichtlich gar nicht auseinanderhalten. Das IPCC ist nicht, wie Weingart behauptet, im Laufe der Jahre moderater geworden, sondern im Gegenteil in den Aussagen im Laufe der Zeit konkreter und in der zentralen Feststellung tendenziell dramatischer. So ein Mann ist genau der Zeuge, den der Spiegel brauchen kann. Und so kommentiert er in die Emails das hinein, was schon vorher seine vorgefaßte Meinung war - Klimaforscher neigen aus Gutmenschentum zum Alarmismus und ihnen fehlte die Fähigkeit zur Selbstkritik, das zu erkennen. Daher titelt der Spiegel auch mit "Forscherskandal", obwohl sie eigentlich über den Medienskandal schreiben müßten, nämlich ihrer eigenen verkorksten, gelogenen Gegenwirklichkeit und ihrer fehlenden Selbstkritik, endlich mal ihre Lügen zu korrigieren. Wieso schafft es der Spiegel eigentlich nicht, die ganzen Lügen und die ganze konzertierte Desinformation der Öffentlichkeit über ThinkTanks, Seilschaften bei den Republikanern in den USA, bei den Energiefirmen und ihren willigen Helfern aufzudecken? Das wäre investigativer Journalismus. Aber vielleicht zuviel Arbeit, zu schädlich für das Anzeigengeschäft oder zu offensichtlich und daher nicht auflagenträchtig. Also gräbt sich der Spiegel weiter in sein Lügenloch, zusammen mit Weingart.

Wie man mit Formulierungen Meinung macht

Ich schrieb in der Einleitung, der Spiegelartikel sei hinterfotzig. Das sieht man daran, daß unter anderem mit der Formulierung die Aussagen von Absätzen gedreht werden. Im Teil 2 des Artikels wird etwa die Frontstellung beschrieben: "Die Fronten in der Klimadebatte sind seit langem verhärtet: Auf der einen Seite steht eine überschaubare Anzahl tonangebender Klimaforscher, auf der anderen eine mächtige Lobby aus Industrieverbänden, deren Ziel es ist, die Gefahren der Erderwärmung zu bagatellisieren. Sie wird insbesondere vom rechten politischen Spektrum der USA, von Verschwörungstheoretikern, aber auch von kritischen Wissenschaftlern unterstützt. Doch damit waren die Rollen von Gut und Böse keineswegs eindeutig verteilt. Die Mehrheit der Klimaforscher stand zwischen beiden Parteien."
Man beachte erst mal, daß so getan wird, als könne es überhaupt eine Debatte zwischen Industrieverbänden und Wissenschaftlern geben. Das geht gar nicht - wissenschaftliche Debatten finden unter Wissenschaftlern statt. Man beachte weiterhin, daß von einer "überschaubaren Anzahl" Wissenschaftler geschrieben wird - es wird direkt das Bild vermittelt, hier ginge es um eine kleine Gruppe, im Gegensatz zu einer Mehrheit. Das ist falsch. Die Vorstellungen der Klimaforschung sind ein Konsens, der deshalb von einer überwältigenden Mehrheit der Wissenschaftler geteilt wird, weil an diesen Fragen seit Jahrzehnten gearbeitet wird. Dann steht da noch das Wort "tonangebend". Die Unterstellung dabei ist: eine radikale Minderheit will der Mehrheit ihre Ansicht aufdrücken. Dann kommt ein Satz, mit dem der Spiegel Neutralität suggerieren will - er bringt Schlüsselwörter: rechtes politisches Spektrum, Verschwörungstheoretiker, der Leser denkt, ja, das klingt nach böser Industrielobby. Aber dann der Tiefschlag - und kritische Wissenschaftler. Also sind die anderen Wissenschaftler - die tonangebenden, die Minderheit, die die IPCC-Aussagen vertreten - nicht kritisch. So demontiert man diejenigen, die 2+2=4 vertreten, und tut dabei, als sei man neutral. Der i-Punkt darauf ist dann der Schluß: "Die Mehrheit der Klimaforscher stand zwischen den Parteien." Welchen Parteien? Was für eine Mehrheit? Die Mehrheit unterschreibt die Feststellungen des IPCC. Aber genau diese Feststellungen stehen unter Beschuß der Energielobby und der Leugnergruppen, zu denen dann auch willige Helfer aus der Wissenschaft zählen, wie Fred Singer oder Lindzen oder Pat Michaels, die vom Spiegel so irreal als "skeptisch" bezeichnet werden. Ein anderes Beispiel, und mehr kann ich nicht bringen, weil das sonst in eine seitenlange Abhandlung ausarten würde, ist das hier: "Die Erdölkonzerne reagierten alarmiert. Zusammen mit Firmen anderer Branchen, die die Verteuerung fossiler Energieträger fürchteten, schmiedeten sie Bündnisse. Dafür konnten sie auch einige scharfsinnige Klimaforscher wie etwa Patrick Michaels von der University of Virginia gewinnen." Man beachte, daß zuerst wieder die Ölkonzerne thematisiert werden. Scheinbar ist der Spiegel neutral und hebt das Lobbyproblem hervor. Doch dann das verräterische Wort: "einige scharfsinnige Klimaforscher". Wieso "scharfsinnig"? Das ist ein Adjektiv, das hier aus dem Nichts kommt. Sind etwa alle, die nicht die Lobbypositionen vertreten, nicht scharfsinnig? Zumal Michaels sich hervorgetan hat durch die Publikation abgrundtief schlechter Artikel, durch Diffamierungen von Kollegen, durch Käuflichkeit und durch Lügen.

Und wieder Lügen und Unterstellungen

Auch in diesem Spiegelbeitrag wird auf die Wahrheit eingeprügelt, bis sie blutend am Boden liegt und nur noch röchelt. Da steht etwa "Zwar gilt die Prognose einer bevorstehenden Erwärmung als gut belegt. Doch über die Folgen bestehen weiterhin erhebliche Unsicherheiten." Verlinkt ist hier nicht etwa irgendein seriöser Text über Unsicherheiten in der Klimafolgenforschung, sondern der eigene Lügenartikel "Die Wolkenschieber". Ein Lügenzirkelschluß des Spiegels also. Die Prognose gilt nicht als, sie ist belegt, was einen wesentlichen Teil des IPCC-Berichtes der WG 1 ausmacht. Und die Unsicherheiten der Klimafolgen sind dort auch erläutert, entsprechen aber keineswegs den Darstellungen von Industrielobby, Leugnern - und dem Spiegel.
Im Tenor des alten Artikels geht es auch hier im Teil 5 weiter. "Um eindeutige Kurven zu erhalten, mußten die Forscher freilich ein wenig nachhelfen." schreibt der Spiegel und unterstellt Datenfälschung. Vielleicht versteht der Journalist selbst nicht, was dieser Satz eigentlich bedeutet, doch er präzisiert: "Baumringdaten zeigen seit Mitte des 20. Jahrhunderts keine Erwärmung mehr - und stehen damit im Widerspruch zu den Temperaturmessungen. Diese offensichtlich falschen Baumdaten wurden mit dem umgangssprachlichen "Trick" aus Temperaturkurven getilgt." Das ist falsch. Die Baumringdichten bestimmter Bäume zeigen nach ca. 1960 keine Korrelation mit der Temperatur. Das bedeutet aber nur, daß nun andere Faktoren die Baumringdichte dominieren. Das steht keineswegs im Widerspruch zu Temperaturmessungen. Die Baumringdichten waren auch nicht falsch. Sie waren nur nicht mit dem gleichen Modell interpretierbar wie Daten vor 1960. Warum das so ist, wird in der Fachliteratur diskutiert und ist noch nicht geklärt. Es wurden auch keine Daten "getilgt". Sie sind in den Publikationen da und die Divergenz zwischen Baumringdichte und gemessener Temperatur nach 1960 wird diskutiert.

Es wird unterstellt, Forscherzirkel hätten kontrolliert, wer in Fachzeitschriften publizieren durfte und so ihre Meinung durchgesetzt. Das ist nachweislich falsch - es ist sogar furchtbarer Blödsinn von einigen Wissenschaftlern wie Patrick Michaels publiziert worden, der eigentlich gar nicht hätte veröffentlicht werden dürfen. Selbstverständlich werden Wissenschaftler im sorgfältigen Peer Review offensichtlich falsche Artikel korrigieren oder gar zurückweisen, wenn sie ihre Arbeit sorgfältig machen. Genau das ist Zweck des Peer Review. Für den Spiegel ist es aber Meinungsmache, sobald Wissenschaftler in Emails darüber diskutieren, daß es miese Artikel gibt, die konzertiert in Fachzeitschriften gedrückt werden sollen. Und wieder scheinbare Neutralität, die in Wahrheit Partei ist. Der Rücktritt mehrerer Wissenschaftler aus der Redaktion von Climate Research, nachdem durch Mauschelei ein offensichtlich falscher Artikel von Patrick Michaels veröffentlicht wurde, wird zu einem Mahnmal des Einflusses von Michael Mann und anderen stilisiert, obwohl selbst Hans von Storch, sicherlich nicht im Verdacht, zu Manns Truppen zu gehören, an der Spitze der Protestierer gegen die Mauschelei bei Climate Research stand.

Das unverantwortliche Verhalten des Spiegels

Der Spiegel macht den Wissenschaftlern zum Vorwurf, daß sie Feststellungen sehr vehement verteidigen, die der Aussage "2+2=4" im Wahrheitswert nahe kommen. Viele Feststellungen zum Klimawandel, die von Leugnern immer noch angegriffen werden, sind bereits auf hohem Niveau abgesichert. Wenn Journalisten dann ein Forum für Leugner bieten, weil sie in krasser Inkompetenz deren falsche Behauptungen verbreiten, werden sie zu recht kritisiert und ist die Frage nach einer Qualitätskontrolle der Medien berechtigt. Doch der Spiegel kehrt das um: "Allerdings versuchten Wissenschaftler mitunter, Druck auszuüben, wenn sie mit der medialen Berichterstattung nicht einverstanden waren." Verlinkt ist ein Artikel, in dem Prof. Stefan Rahmstorf angegriffen wird. Rahmstorf hat natürlich keinen Druck auf Medien ausgeübt. Wie denn? Wenn der Spiegel Blödsinn schreibt, erreicht er damit sofort Millionen Menschen. Wenn Rahmstorf dagegen einen Leserbrief schickt, kommt der erst mal zu einer Person - und in einen Papierkorb - Asymmetrie der Medienmacht. Rahmstorf hat kritisiert, daß Falschmeldungen verbreitet wurden. Das scheint für Journalisten nicht akzeptabel zu sein. (...) Journalisten halten nichts von Selbstkritik und Qualitätskontrolle, denn dafür haben sie keine Zeit und es ist ihnen zu teuer.

Es läßt sich noch viel über die Geschichtsklitterung des Spiegels schreiben, wenn er die Geschichte der Wissenschaft des Klimawandels mit Hansens Auftritt vorm Senat 1988 und einem Aufruf deutscher Physiker 1986 beginnen läßt und etwa Charney-Report, JASON-Report und Nierenberg-Report oder die Enquete-Kommission im Bundestag Ende der 80er Jahre unterschlägt. Da geht es nur darum, eine Verschwörungstheorie über Alarmismus der Klimaforscher zu entwickeln, die in die Spiegelrealität paßt. Da wird auch unterstellt, Klimaforscher, die nicht eindeutig Stellung bezögen, würden in eine der angeblichen Parteien unter den Wissenschaftlern gedrängt. Als Beleg wird dann Judith Curry herangezogen, die aber gar keine Klimaforscherin ist und auch nicht neutral. Aber es gibt so viel an dem Spiegelartikel zu kritisieren, daß es jeden Rahmen sprengen würde. Der Spiegel nimmt eindeutig Front gegen Wahrheit und Wissenschaft. Und macht klar, daß er es so meint. (Nachträglich leicht gekürzt.)

Sonntag, 2. Mai 2010

US-Republikaner bekämpfen die Realität - mit dem Gesetz

Der Hauptstaatsanwalt - attorney general eines US-Bundesstaates vertritt den Staat vor Gericht (üblicherweise über Vertreter) und steht der Strafverfolgung des Staates vor, vergleichbar mit einem Justizminister in Deutschland. Er wird entweder gewählt oder das Amt gehört zur politischen Beute der siegreichen Partei bei Governeurswahlen in einem US-Bundesstaat. Virgina ist ein republikanischer Staat und daher ist hier der attorney general auch ein Republikaner. Und wie insgesamt große Teile der US-Republikaner zunehmend im politischen Extremismus versinken, ist auch der Hauptstaatsanwalt von Virginia offensichtlich ein rechter Extremist der barbarischen und exterm ignoranten Sorte. Republikanischer Extremismus äußert sich darin, Brutalmarktwirtschaft und Staatsfeindlichkeit zu predigen, Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung zu diskriminieren, für einen Bibelstaat einzutreten, in dem Bibelgebote wörtlich interpretiert und in die Gesetzgebung integriert werden, außenpolitisch isolationistisch und zugleich aggressiv aufzutreten und Wissenschaft überall da zu bekämpfen, wo sie Wirtschaftsinteressen widerspricht oder zu offensichtlich andere Aussagen vertritt als in der Bibel geschrieben steht. Der Hauptstaatsanwalt von Virginia heißt Ken Cuccinelli, und hat sich gleich in den ersten Monaten einen Namen damit gemacht, daß er sein Siegel als zu anstößig empfand. Das Staatssiegel von Virginia zeigt die Göttin Virtue im Sieg über die Tyranei. Dabei entblößt das Hemd der schematisierten Figur eine Brust. Grund genug für Cuccinelli, ein neues Siegel zu entwerfen, auf dem ein Brustpanzer den Oberkörper bedeckt. Wir könnten über diese typisch amerikanische Prüderie lachen, die so gar nicht in die moderne Zeit paßt, aber auch vielen Amerikanern kommt dieser Umgang mit einem jahrhundertealten Siegel mit einem klassischen Motiv eher barbarisch vor. Da man so schon sieht, wes Geistes Kind dieser Mann ist, kann man sich vorstellen, daß er sich auch die üblichen eingebildeten Feinde der Republikaner vornimmt - Wissenschaftler, deren Aussagen Wirtschaftsinteressen stören könnten. Zum Beispiel das Interesse daran, ohne Rücksicht auf die Umwelt Öl und Kohle zu fördern und zu verbrennen - ein Multimilliardengeschäft, für das gerade mal wieder ein ganzes Ökosystem vor der Küste Lousianas geopfert wird, wo gerade eine Bohrinselhavarie zu einem gewaltigen Ölleck führte und offenbarte, wie rücksichtslos hier Ölfirmen fördern dürfen.

Ken Cuccinelli kann als Hauptstaatsanwalt Untersuchungen initiieren, wenn er den Verdacht sieht, daß Staatsgelder verschwendet werden. Das kann er als Waffe gegen mißliebige Wissenschaftler einsetzen, zum Beispiel gegen Klimaforscher wie Prof. Michael Mann von der Pennsylvania State University. 1999 bis 2005 hatte Michael Mann auch für die University of Virgina (UVa) gearbeitet und hier für verschiedene Forschungsprojekte insgesamt eine halbe Million Dollar an Drittmitteln eingeworben, genug um damit zum Beispiel zwei Doktoranden und einen Post-Doc zu beschäftigen oder für eine Arbeitskraft, eine Büroausstattung, Reisekosten und Mittel für Großrechnerkontingente. Um aus der Untersuchung wirklich eine Waffe zu machen, um Wissenschaftler mundtot zu machen, braucht man nur so vorzugehen, wie Cuccinelli. Er verlangt nämlich nicht nur sämtliche Unterlagen zu den Drittmittelanträgen, was ja im Sinne einer solchen Untersuchung verständlich wäre, sondern stellt eine praktisch unerfüllbare Liste auf, die so umfassend ist, daß damit die wissenschaftliche Arbeit in dem Bereich über Monate zum Stillstand gebracht werden könnte - was offensichtlich Ziel der Aktion ist. Wie die Forschungsmittel ausgegeben wurden, das eigentlich interessante für einen Haushälter, kommt in den Anweisungen zu der Aufforderung an die Universtät gar nicht vor. Stattdessen will der Hauptstaatsanwalt sämtliche Unterlagen, sämtlichen Verkehr - schriftlich, elektronisch oder sonstwie, mit über 40 Personen haben, dazu eine Auflistung aller inzwischen vernichteten Dokumente, mit Begründung, warum sie vernichtet wurden und einer Auflistung aller Personen, die solche Schriftstücke irgendwie gehabt oder gesehen haben könnten, die Wissen über Inhalte des Dokuments oder die Umstände der Vernichtung, Verlagerung usw. haben könnten, in Kopie oder im Original, jedenfalls bei Vorlage der Kopie sollte das Original auf Aufforderung nachgeliefert werden können. Verlangt werden Dokumente, Daten, Speichermedien oder andere Dinge, jawohl, Dinge ("things"), die irgendwie in den Bereich der Drittmittelanforderungen oder der Korrespondenz mit den über 40 genannten Personen fallen, und irgendwie von diesen "berührt" wurden, also anscheinend auch Platinen, Klopapier und was auch immer. Sogar von Lochkarten ist die Rede, was für den Zeitraum 1999 bis 2005 absurd wirkt, und die Realitätsferne der Anfrage verdeutlicht. Das Gefühl der Irrealität wird noch verstärkt durch Anforderungen der Art "Wörter im Singular sind zugleich im Plural zu interpretieren und umgekehrt" oder "der Umfang der Untersuchung beinhaltet alle Daten, Dokumente oder Dinge in Ihrem Besitz..."

Die Anfrage hat ein klares Ziel: durch ihren Umfang ihre Erfüllung unmöglich zu machen und Wissenschaftler mit so viel Arbeit zu überschwemmen, daß sie keine Forschung mehr betreiben können. Zusätzlich wird so viel Material eingesammelt, daß man, wie bei den geraubten Emails von der Climate Research Unit, darin auch Absätze aus dem Zusammenhang reißen kann, aus denen sich Vorwürfe gegen Klimaforscher konstruieren lassen, um gegen sie Stimmung zu machen. Die Botschaft an die anderer Klimaforscher ist: "Wenn ihr weiter eure Forschung betreibt und dabei Ergebnisse erzielt, die der Kohle- und Öllobby nicht genehm sind, dann werden wir euch sabotieren und schikanieren und Rechtsmittel gegen euch einsetzen." Und natürlich freut diese Entwicklung bezahlte Lügner wie Fred Singer, der gegen Geld gerne bestätigt, daß Passivrauchen unschädlich ist, das Ozonloch kein Problem und der Klimawandel nur eine Einbildung.

Das tragische dabei ist, daß die Wissenschaft hier zu einem eindeutigen Konsens gekommen ist. Der Klimawandel ist real und bedrohlich. Wissenschaftler mundtot zu machen und ihre Ergebnisse zu leugnen ändert die Realität nicht, nimmt uns aber die Mittel, auf sie zu reagieren. Und das ist weltweit gefährlich. Was die US-Republikaner da veranstalten, schadet allen, auch uns Deutschen. Über hinterwälderische Amerikaner können wir nicht lachen, weil wir von dem politischen Handeln der USA abhängig sind. Wenn der wahnsinnige Cuccinelli Wissenschaftler schikaniert, wie hier Prof. Michael Mann, dann macht er auch deutsche Innenpolitik. Die Realitätsferne und Faktenresistenz weiter Teile der amerikanischen Öffentlichkeit, Medien und Politik erklärt auch, warum die USA für den faktisch gleichen Lebensstandard wie in Deutschland doppelt so viel Energie brauchen und immer noch glauben, höhere Steuern auf Energie würden der Wirtschaft schaden, während die deutsche Autoindustrie erfolgreich der maroden amerikanischen Industrie vorführt, daß höhere Energiesteuern in Wahrheit die Wettbewerbsfähigkeit steigern.

Informationen dazu hier, und hier, ein weiterer deutscher Kommentar hier.