Mittwoch, 30. Juli 2008

Kollaps oder Krise?

Kürzlich habe ich mir die Zeit genommen, von Jared Diamond „Kollaps“ zu lesen. Diamonds Bücher sind sehr populär geworden, weil er plausible und leicht nachvollziehbare Botschaften dazu verbreitet, was Gesellschaften erfolgreich macht oder scheitern läßt. Im Falle von „Kollaps“ hatte ich erwartet, daß die bekannten Zusammenbrüche von Zivilisationen ein bißchen nach dem Katalog von Toynbee und anderen durchgegangen würden, etwa der Untergang Roms, des Sassanidenreiches, der Han-Dynastie usw. Diamond aber hatte sich speziell die Gesellschaften herausgegriffen, die an Umweltproblemen gescheitert sind. Das war zunächst eine Enttäuschung, andererseits konnte das Buch aber so eine griffige Botschaft herausarbeiten. Zunächst mal: es gibt Faktoren dafür, die erklären, warum eine Gesellschaft an Umweltproblemen scheitern wird (wobei hiermit vor allem die Zerstörung der Nahrungsgrundlagen gemeint ist). Unter anderem zählen zu diesen Faktoren

  1. wie stark wird das Siedlungsgebiet der Zivilisation genutzt

  2. wie schnell erneuern sich die Ressourcen des Gebietes

  3. wie sind die kulturellen Einstellungen in der Zivilisation zur Nutzung der Ressourcen

  4. wie sind die Beziehungen zu anderen Zivilisationen (anderen Staaten, Inseln, Siedlungsräumen usw.), um Ressourcenprobleme ausgleichen zu können

  5. Klimaeinflüsse
Diese Faktoren sind wohl einleuchtend. Am Beispiel der Südseeinseln läßt sich etwa zeigen, daß sie alle nach dem Eintreffen der ersten Siedler schnell übernutzt wurden. Vorhandene Tierarten wurden durch Überjagung ausgerottet, Bäume schneller gefällt , als sie nachwuchsen, Ackerland ging durch Erosion verloren. Auf manchen Südseeinseln, z.B. der Osterinsel, führte das schließlich zum völligen Zusammenbruch und der Verwüstung der Insel, andernorts hingegen konnten sich die Inselgesellschaften bis heute fortentwickeln.
Dieses Resultat hing stark vom zweiten Faktor ab – je besser eine Insel in der Lage war, ein Nachwachsen der Bäume und eine Erneuerung des Bodens zu unterstützen (etwa durch höheren Niederschlag und stärkere Düngung durch die Asche von Vulkanen), desto wahrscheinlicher war es, daß die Gesellschaft auf dieser Insel zu einer nachhaltigen Bewirtschaftung fand.
Die kulturellen Einstellungen der Zivilisation spielen eine Rolle, wenn es darum geht, wie kreativ vorhandene Ressourcen genutzt werden. Z.B. konnten die Inuit auf Grönland überleben, die Wikinger sind mit Beginn der kleinen Eiszeit auf Grönland ausgestorben – und zwar in wenigen Jahrzehnten, nachdem sie zuvor fast 500 Jahre dort gelebt hatten. Die Inuit waren in der Lage, Fisch, Wale und Robben je nach Nahrungsangebot zu nutzen und konnten so auch ungünstige Klimabedingungen überstehen. Die Wikinger hingegen waren vor allem auf die Mast von Haustieren angewiesen, sowie auf schiffbare Meere und Handel mit Europa. Ein geringfügig kälteres Klima führte dazu, daß die Haustiere verhungerten. Wären die Wikinger nicht so konservativ gewesen, hätten sie von den Inuit lernen und überleben können. Doch kulturell waren sie dazu nicht in der Lage.
Manche Gesellschaften übernutzen zwar ihre Umwelt, gleichen dies aber durch Handel mit anderen Gebieten aus. Kommen aber die Handelspartner in Schwierigkeiten oder verlieren sie das Interesse am Handel, ist die Gesellschaft, die ihre Ressourcen übernutzt, dem Untergang geweiht.
Klimaeinflüsse können bereits vorhandene Probleme kaschieren, da Niederschlag und Temperaturen zeitweilig bessere und schlechtere Werte für die Nutzung eines Gebietes einnehmen können. Die Wikinger siedelten in Grönland während milder klimatischer Verhältnisse, und konnten eine zeitweilige Absenkung der Temperaturen nicht mehr abfedern.
Letzlich war die Frage nach dem Überleben und Untergehen von Zivilisationen immer eine danach, ob die erforderlichen Nahrungsmittel sicher bereitgestellt werden konnten. Aus diesem Grund fällt es uns in den westlichen technisierten Gesellschaften schwer, die Lehren aus dieser Vergangenheit auf unsere Verhältnisse zu übertragen. Wir können uns nicht vorstellen, daß es uns an Nahrungsmitteln fehlen könnte – dies ist für uns ein Problem der Entwicklungsländer, während ein Land wie Deutschland das als reine Kostenfrage ansehen muß. Werden Weizen oder Milch knapper, zahlen wir halt entsprechend mehr. Wir machen uns allerdings nicht klar, daß es nicht nur darum geht, ob irgendwo auf der Welt Nahrungsmittel ausreichend vorhanden sind, sondern auch, ob diese zuverlässig zum Endverbraucher gelangen. Damit ist die gesamte Logistik gefragt: sind Treibstoffe vorhanden, können Verkehrswege gepflegt werden, laufen Computer, Telefone, Internet, arbeiten die Finanzsysteme, sind Währungen stabil, anerkannt, liquide? Die Steigerung des Ölpreises von 40 auf über 150 Dollar je Faß in kaum 3 Jahren, obwohl noch keine echte Verknappung des Öls eingetreten ist, sollte uns vor Augen führen, wie verwundbar unsere ölbasierte Wirtschaft ist.


Wenn ich nun auf die Lehren aus dem Buch „Kollaps“ zurückkommen möchte, geht es eigentlich um zwei Faktoren:



  1. Ist eine Gesellschaft robust oder labil gegenüber Änderungen ihrer Grundlagen, wie der genutzten Nahrungsgrundlagen, Rohstoffe oder anderen Abhängigkeiten?

  2. Sind diese Abhängigkeiten bzw. Bedingungen des Systems selbst stabil oder variabel?
Ersteres bedeutet, daß wir uns verwundbar machen. Letzteres bedeutet, daß eher spät oder eher früh der Bereich verlassen werden kann, in dem eine Gesellschaft existieren kann. Im einzelnen stelle ich das im Schaubild dar für eine Wippe. Beim robusten System (1) muß man das Gewicht weit verschieben, damit die Wippe von „gut“ zu „schlecht“ umkippt, beim labilen System (2) reicht schon eine kleine Veränderung für das Kippen des Systems. (Es gibt andere Definitionen für stabile und labile Systeme, die für diesen Spezialfall nicht interessieren, aber gebräuchlicher sind.) Bei stabilen Bedingungen (3) verschiebt sich das Gewicht nur wenig - ein robustes System wird dann vielleicht nicht darauf reagieren, ein labiles System vielleicht schon. Bei variablen Bedingungen (4) wird aber vermutlich sogar ein robustes System irgendwann kippen, die Kombination mit einem labilen System verspricht wilde Veränderungen.





In Bezug auf das Klima müssen wir feststellen, daß es von Natur aus veränderlich ist. Auf hinreichend langen Zeitskalen kann sich die mittlere globale Temperatur um vielleicht 10 Grad ändern (der Unterschied zwischen Eiszeit und den Verhältnissen vor vielleicht 30 Millionen Jahren). Der Unterschied zwischen Eiszeit und Warmzeit liegt bei vielleicht 5 bis 6 Grad und kann innerhalb von Jahrhunderten bis Jahrtausenden realisiert werden. Prinzipiell konnte der Mensch eine solche Veränderung überstehen, wenn wir auch keine Daten darüber haben, wie viele Menschen in der Steinzeit bei Klimaveränderungen verhungert oder ertrunken sind. Das heißt aber nur, daß die menschlichen Gesellschaften in einer vergleichsweise dünn besiedelten Erde insgesamt robust gegenüber Veränderungen der Lebensgrundlagen waren. Eine Erde, die von fast 7 Milliarden Menschen besiedelt ist und im Laufe der nächsten 50 Jahre wohl über 2 Milliarden weitere Menschen ernähren muß, sollte hingegen eher labil auf Veränderungen der Lebensgrundlagen reagieren. Wenn schon jetzt die wachsenden Bedürfnisse Chinas und Indiens binnen weniger Jahre Rohstoffpreise vervielfachen können, obwohl eigentlich noch alle Rohstoffe im ausreichenden Maße vorhanden sind, kann man sich vielleicht vorstellen, wie schnell es bei einer echten Knappheit zu einer Krise kommen kann – zu Preiswachstum um das 10fache, 100fache...um Verteilungskämpfe und Aufstände. Wenn bereits unter optimalen Verhältnissen die Menschheit gerade ausreichend versorgt wird, bedeutet eine Klimaänderung, bei der einige wichtige Nahrungsproduzenten Ernteausfälle melden oder die Überflutung einiger fruchtbarer Küstenstreifen, daß plötzlich dauerhaft die Nahrungsmittelproduktion nicht mehr ausreicht und Menschen auch bei optimaler Verteilung der Nahrungsmittel verhungern. Dazu kommen aber nun Versorgungskonflikte, die zusätzlich zur Hortung und Spekulation und zur Vernichtung von Ressourcen durch Aufstände und Kriege führen, und die Krise weiter verstärken. Der Schritt von einer ausreichenden Versorgung und einer Katastrophe stellt sich so als sehr klein dar.
Wenn die Menschen nun über Treibhausgase das Klima verändern, setzen wir eines oben drauf. Wir haben eine Welt, die durch Überbevölkerung immer labiler wird, machen uns dadurch immer verwundbarer gegenüber Klimaänderungen und drehen dann auch noch zusätzlich an der Schraube, die zusätzliche Variabilität beim Klima erzeugt. Das macht Vergleiche etwa mit dem Untergang der Wikinger in Grönland so erschreckend. Die Gesellschaft überlebte Jahrhunderte, trug aber die ganze Zeit die Vorbedingungen zum Untergang in sich. Eine geringfügige Klimaänderung löschte dann die grönländischen Wikinger aus.

Die Frage für die Welt ist, wie schlimm es für sie werden kann? Führt der Klimawandel zu einer dauerhaften Krise, die gemanaged werden kann oder zu einem Kollaps, der überraschend und plötzlich dem Leben in der Form, wie wir es kennen, ein Ende setzt, womöglich mit einem Massenstreben in verschiedenen Weltregionen? Ich muß hier sagen, daß ich es nicht weiß. Beunruhigender für mich ist aber, daß ich den Verdacht habe, daß niemand derzeit in der Lage ist, sinnvoll vorauszusagen, wie labil die Welt im Jahre 2050 für Klimaänderungen sein wird. Im Rahmen der Klimaprojektionen etwa des IPCC wird grundsätzlich darauf verzichtet von „katastrophalen Klimaänderungen“ zu sprechen. „Katastrophal“ ist eine Wertung, die zunächst definiert werden muß (ab wie viel Toten und wie viel Wertverlust der Weltwirtschaft). Weiterhin ist die weitere Entwicklung der Weltwirtschaft noch zu sehr im Fluß, um auch nur die ungefähre Größe zu erwartender Verluste vorherzusagen – wir haben es ja selbst im Griff, wie sich die Treibhausgaskonzentrationen entwickeln werden und davon hängt dann ab, welches Szenario verwirklicht wird. Es sind die Leugner des anthropogenen Klimawandels, die den Begriff des „katastrophalen Klimawandels“ erst einführen, um dann im weiteren genau dieses zu bestreiten, was niemand behauptet hat. Gremien wie das IPCC sagen einen Klimawandel voraus, der für bestimmte Szenarien, deren Eintritt die Menschen beeinflussen können, zu einem mittleren Temperaturanstieg von 2 bis 4,5 Grad zusätzlich zur natürlichen Variabilität führen wird. Ob das eine Katastrophe ist, bestimmen die Menschen selbst darüber, wie verwundbar sie sich machen. Dieser Gesichtspunkt spielt leider weltweit und besonders in den verwundbarsten Staaten, wie China, kaum eine Rolle.

Donnerstag, 10. Juli 2008

Woher kommen die Leugner des menschenverursachten Klimawandels?

Ich hatte zuvor bereits darauf hingewiesen, daß einige bekannte Leugner des menschengemachten Klimawandels dem anthropischen Prinzip anhängen, nach dem die Welt optimal darauf eingestellt ist, bewohnbar für Menschen zu sein, weil es andernfalls früher oder später eben keine Menschen mehr gäbe, die in dieser Welt leben könnten. Die Welt hätte daher selbst korrigierende Eigenschaften, und Menschen wäre es nicht möglich, sie durch ihr Handeln unbewohnbar zu machen, etwa durch Treibhausgase. Oft steht hinter solchen Ansichten eine religiöse Orientierung, denn wenn man die Welt als Gottes Schöpfung ansieht, ist klar, daß der Mensch nicht die Möglichkeit hat, Gott in sein Handwerk zu pfuschen. Bei Roy Spencer, John Christy und Richard Lindzen ist dieser Zusammenhang nachweisbar. Zugleich kann man davon ausgehen, daß Leugner der Evolutionstheorien relativ häufig auch Leugner des menschengemachten Klimawandels sein werden.

Es gibt aber auch eine andere Verknüpfung. Institute, die Arbeiten gegen den Klimawandel und den Treibhauseffekt finanzieren (George Marshall Institut, Heartland Institut oder Science & Environmental Policy Project, kurz SEPP) und diverse Leugner (am bekanntesten Fred S. Singer). So finanzierte das Heartland Institut zum einen unter anderem den Leugnerkongress zum Klimawandel in New York , zum anderen ist es auch Herausgeber der Zeitschrift Environment & Climate News, in der neben der Leugnung des Klimawandels auch Beiträge veröffentlicht werden, in denen zum Beispiel ein Arzt behauptet, Passivrauchen sei gesundheitlich unbedenklich.


Im Fall von Fred S. Singer reicht ein Blick auf vergangene Publikation aus dem von ihm gegründeten SEPP. Zusammen mit Dennis Avery und Patrick Michaels findet man zahlreiche Publikationen, in denen sogar bezweifelt wird, daß überhaupt eine nennenswerte Erwärmung stattfindet. Zugleich gibt es hier auch Arbeiten, in denen der Zusammenhang zwischen Tabakrauch und Lungenkrebs bezweifelt wird.

Dahinter steckt eine einheitliche Strategie, die auf die Umweltbehörde der USA zielt, der Environmental Protection Agency EPA. Wenn man in verschiedenen Bereichen, in denen EPA klare Haltungen hat, den Eindruck erwecken kann, daß EPA nur Meinungen vertritt und nicht etwa den aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand, wie etwa beim Klimawandel, dann wird man auch glaubhaft machen können, daß Regulationen des EPA gegen den Tabakrauch oder andere Umweltschutz- und Gesundheitsrichtlinien, die Gewinne betroffener Unternehmen mindern, sich nur auf Meinungen gründen und nicht auf gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse.

Das erinnert frappierend an die Strategie der Konservativen in den USA, die Evolutionstheorie anzugreifen, um so generell Zweifel an einer wissenschaftlichen Erklärung der Welt zu schüren und kirchlichen Kreisen mehr Raum für die Erklärung der Welt zu geben – um so indirekt eine fundamentalistisch-christliche, politisch konservative Ideologie zu fördern. Wenn wir wieder an Christy und Spencer denken, schließt sich hier der Kreis.

Hier treffen sich opportunistisch verschiedene politische und wirtschaftliche Gruppierungen, die aus verschiedenen Gründen gegen die gleichen Institutionen antreten. Etwa Tabakindustrie und Energieunternehmen gegen die EPA, konservative in den USA gegen die Wissenschaft. Gerade diese Koalitionen aber machen den dahinter steckenden Lobbyismus so gefährlich. Zum einen können so kooperativ Institutionen unterstützt werden, die daraus dann ableiten können, nicht dominierend von einer einzigen Lobbygruppe abzuhängen. Die Einbettung in ein politisches Umfeld ermöglicht sogar das Einwerben von Spenden von politisch entsprechend gesinnten Privatpersonen, die dadurch noch mehr verdecken, wie stark die Zielsetzungen der Institutionen von Auftraggebern vorgegeben sind. Zugleich ermöglicht dieses kooperative Verfolgen von bestimmten Zielen, wie einer politischen Agenda, der Unterminierung von Regierungsstellen und der Lobbyarbeit für bestimmte Wirtschaftszweige, sehr unterschiedliche Wissenschaftler zusammenzubringen und so den Anschein einer allgemeinen Kontroverse zu wecken. Manchmal geht es schlicht um das quid pro quo – eine Hand wäscht die andere.

Montag, 7. Juli 2008

Was ist ökologische Gerechtigkeit?

Gerechtigkeit bezeichnet den Zustand, in dem keiner benachteiligt ist. Jeder hat die gleiche Rechte und Pflichten. Gerechtigkeit bei Einkommen und Vermögen bedeutet, daß hier jeder einen angemessenen Anteil hat. Es gibt dabei zwei Sichtweisen:


Leistungsgerechtigkeit verlangt, daß jeder nach seinen Leistungen einen angemessenen Anteil erhält.
Verteilungsgerechtigkeit verlangt, daß jeder nach seinen Bedürfnissen einen angemessenen Anteil erhält.

Zwischen diesen beiden Zielen sind Konflikte möglich, denn unterschiedliche Leistungen führen zu sehr unterschiedlichen Verteilungen, die von den persönlichen Bedürfnissen stark abweichen können. Es ist eine Frage der politischen Einstellung, wie man diese Zielkonflikte auflöst und durch mehr oder weniger große Umverteilung einen Kompromiss zwischen Leistungs- und Verteilungsgerechtigkeit findet.

Die ökologische Gerechtigkeit überträgt diese Diskussion auf die Nutzung der beschränkten Ressourcen der Erde. Beschränkt sind Ressourcen, weil sie endlich sind (Raum, Bodenschätze) oder langsamer erneuert als verbraucht werden (Wasser, Pflanzen, Tiere). Beschränkte Ressourcen fallen in verschiedene Kategorien:


  • ökonomisch: die Sicherung der Ressource ist von wirtschaftlicher Bedeutung
    (Beispiel: Bodenschätze, Grundstücke, Erträge aus Wald, Ackerbau, Viehzucht können gehandelt werden)
  • moralisch: die Sicherung der Ressource ist überlebensnotwendig
    (Trinkwasser, Grundnahrungsmittel, Energie, ein Platz zum Leben müssen bereitgestellt werden, Luft, Wasser und Boden dürfen nicht vergiftet werden)
  • ästhetisch: die Sicherung der Ressource dient unserem Wunsch nach einer angenehmen, schönen Umwelt
    (Denkmalschutz, Landschaftsschutz, Artenvielfalt und intakte Ökosysteme)

(Einteilung von Anton Leist, Ökologische Gerechtigkeit als bessere Nachhaltigkeit, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, 24, 3-10 (2007).)

Diese verschiedenen Kategorien stellen verschiedene Anforderungen an die ökologische Gerechtigkeit. Geht es um die ökonomische Kategorie, sind die Forderungen die gleichen, die wir auch sonst an Leistungs- und Verteilungsgerechtigkeit stellen. Bei der moralischen Kategorie hingegen kann es nur um eine Verteilungsgerechtigkeit gehen. Jeder muß die Ressourcen haben, die für sein Überleben nötig sind. Bei der ästhetischen Kategorie kann man hingegen infrage stellen, ob hier die Bereitstellung für jeden eine Gerechtigkeitsforderung ist. Hier ist eher die Frage, ob beim einzelnen oder bei allen ein ausreichender Wunsch besteht, eine bestimmte Ressource mit Vorrang zu schützen.

In der Praxis ist die Umsetzung der ökologischen Gerechtigkeit schwierig. Zum einen deshalb, weil man nicht nur horizontal gerechte Verteilungen erreichen will (also innerhalb einer Generation), sondern auch vertikal (zwischen den Generationen). Verbrauchen wir z.B. die Ressource Wasser in einer Weise, daß sie nur unserer Generation zur Verfügung steht, mißachten wir moralische Pflichten gegenüber der nächsten Generation. Das heißt also, daß wir begrenzte Ressourcen nicht nur in Hinblick auf die eigenen Bedürfnisse, sondern die aller zukünftigen Generationen hin abschätzen müssen. Die nachhaltige Nutzung von Ressourcen wird damit zur Forderung, Ressourcen dauerhaft zu erhalten. Ökologische Gerechtigkeit wird zu einer Generationengerechtigkeit. Dies ist von besonderer Bedeutung bei dem Klimaschutz. Sehen wir uns dabei nur ein Beispiel an, die Emissionen von CO2.

Eine gerechte Verteilung der Rechte, CO2 in die Atmosphäre einzutragen, ist schon auf Basis von Staaten schwer zu erreichen. Der einfachste Ansatz ist, für alle gleiche prozentuale Minderungen zu vereinbaren. Die Folge ist hier eine Festschreibung der Vergangenheit. Die USA dürfen pro Kopf der Bevölkerung immer die höchsten CO2-Emissionen haben, Indien darf immer nur einen Bruchteil davon in Anspruch nehmen. Dies entspricht nicht im geringsten einer Verteilungsgerechtigkeit. Daher wurden z.B. Entwicklungs- und Schwellenländer beim Kyoto-Vertrag zunächst ausgenommen, um die Chance zu erhalten, wirtschaftlich zu den Industriestaaten aufzuschließen. Das hier diskutierte Fernziel war, daß der pro-Kopf-Verbrauch weltweit gleich werden sollte. Aber auch dieses Ziel ist nicht wirklich gerecht. Es behauptet ein Recht auf gleiche Verschmutzung, das nicht logisch und nicht leistungsgerecht ist. Selbstverständlich haben Staaten, die sich verspätet entwickeln, auch von vornherein die Möglichkeit, aus Fehlern weiter entwickelter Staaten zu lernen und das gleiche Wachstum mit weniger Emissionen zu erreichen. Dies darf man dann auch fordern.

Insbesondere ist es nicht sinnvoll, CO2-Emissionen pro Kopf zu betrachten. Eher sollte man sie pro Wirtschaftsleistung betrachten. Letztlich kommt die höhere Wirtschaftsleistung eines Staates über Exporte oder die Fähigkeit, woanders investieren oder Hilfe leisten zu können, allen zugute. Allen Staaten die gleichen CO2-Emissionen je Wirtschaftsleistung zuzuschreiben, ist aber auch nur auf dem Papier ein brauchbarer Ansatz. Was machen Staaten mit einem großen Anteil an informeller Wirtschaftsleistung, an Leistungen, die privat, innerhalb von Familien oder in der Schattenwirtschaft erbracht werden und daher nicht in der Statistik auftauchen? Wie berücksichtigt man Wechselkursänderungen und Kaufkraftunterschiede zwischen Staaten, die die Statistik verfälschen können?

Ökologische Gerechtigkeit herzustellen, ist ein schwieriges Unterfangen, das noch schwieriger wird, wenn man Vergangenheit und Zukunft berücksichtigen will und Verschmutzungen auch noch verzinsen möchte.CO2, einmal emittiert, bleibt lange in der Atmosphäre. Ein Viertel davon für Jahrhunderte. Während dieser ganzen Zeit entwickelt es die Wirkung, wegen der es als schädlich gilt: den Treibhauseffekt. CO2, das vor 10 Jahren emittiert wurde, war bereits viel schädlicher, als das heute emittierte, denn die ganze Zeit akkumulierte sich sein Strahlungsantrieb. Das emittierte CO2 trägt sozusagen negative Zinsen. Von diesen Zinsen konnten Staaten wie die USA, Großbritannien und Deutschland schon viel ansammeln, während China und Indien vergleichsweise wenig auf dem Konto haben. Was fordert jetzt hier die ökologische Gerechtigkeit? Soll man die Staaten mit einem Verschmutzungskonto belasten, auf dem bereits die Sünden der Vergangenheit aufgezinst wurden? Auch hier steht dem entgegen, daß die Altverschmutzer ja seinerzeit noch nicht wußten , was sie anrichteten und noch nicht die heutigen Alternativen zur Verschmutzung zur Verfügung hatten. Zudem wurde aus der damaligen Verschmutzung letztlich eine Weltinfrastruktur an Technologien und Erkenntnissen, Verkehrswegen und Telekommunikation geschaffen, von der alle zu einem gewissen Grad profitieren.

Ökologische Gerechtigkeit würde wohl am Ende so aussehen, daß es ein Basisverschmtzungsrecht pro Kopf gibt, um das Lebensminimum zu sichern, das auch nicht handelbar sein darf. Darauf dann ein Verschmutzungsrecht je Wertschöpfungseinheit, das die nachhaltig mögliche Emission von CO2 abdeckt, und weltweit handelbar ist, und schließlich vorübergehende CO2-Verschmutzungsrechte, die den Übergang vom jetzigen zum nachhaltigen Stand abdecken, und die zur Hälfte aus historisch bestehenden Verschmutzungsrechten bestehen (für die Industriestaaten) und zur Hälfte aus Verschmutzungsreserven, von der Bevölkerungszahl abhängig, die die sich entwickelnden Staaten ausschöpfen dürfen, um zu den Industriestaaten aufzuschließen. Auf dem Papier kann man das so beschreiben, aber wie man das objektiv berechnen soll, ist dann wohl ein Alptraum für Diplomaten, die über so etwas internationale Verträge aushandeln sollen.

Man kann diese Problematik auch von einer anderen Seite aus sehen. Kosten, die jetzt entstehen, um CO2 zu vermeiden, fehlen bei der Bewältigung anderer Probleme, zum Beispiel der Bekämpfung von Aids oder der Förderung von Schulbildung. Das vermiedene CO2 verhindert zukünftige Schäden, z.B. Landverlust durch Überflutungen von Küstenregionen. Zugleich aber steigen die Kosten z.B. aufgrund von Einkommensausfällen von Menschen, die an Aids leiden oder von Arbeitslosen, die durch fehlende Schulbildung am Arbeitsmarkt ohne Chancen sind. Investiert man 100.000 Euro, um CO2-Emissionen zu vermeiden, von denen man sich in 50 Jahren Kosten in Höhe von 500.000 Euro erwartet, und verzinst das Geld mit 4%, dann lohnt sich die Investition nicht, denn mit 4% verzinst werden aus 100.000 Euro in 50 Jahren 710.668 Euro, von denen man die zukünftigen Schäden bezahlen könnte und noch 210.668 Euro übrig hätte, um andere Probleme zu lösen. Andererseits kann sich die Schadwirkung von CO2, das heute emittiert wird, länger ansammeln als von CO2, das in 30 Jahren gegebenenfalls vermieden wird. Das wirkt eine msolchen Zinseffekt entgegen.
Man kann solche Rechnungen leicht für Teilprobleme ansetzen, aber für die Praxis sind sie wertlos, weil die Unsicherheiten größer sind als das, was man berechnen will. Z.B. wie hoch sind eigentlich Vermeidungskosten für CO2? Angenommen, man will Windenergie subventionieren, um sie kostengünstiger als Strom aus Kohle zu machen, dann sieht die Rechnung dramatisch anders aus, sollten die Kohlepreise unerwartet deutlich steigen. Am Ende könnte sich ein solches Projekt sogar selbst finanzieren und vermiedene Schäden aus emittiertem CO2 könnten einem als Zusatzgewinn in den Schoß fallen. Die derzeit hohen Ölpreise realisieren genau so ein Szenario, bei dem bereits alleine ökonomisch sich rechtfertigt, was man sonst aus ökologischen Gründen erreichen möchte. Staaten, die bereits in die CO2-Vermeidung investiert hatten, haben plötzlich einen Kostenvorteil gegenüber Staaten, die noch weit stärker von Öl abhängig sind. Vor zwei Jahre hätte man vermutlich Ölpreise über 100 Dollar pro Barrel noch für die Zeit vor 2010 als ein unrealistisches Szenario angesehen und daher CO2-Vermeidungsmaßnahmen als weitaus kostspieliger berechnet.

Ökologische Gerechtigkeit ist sicherlich wichtig. Aber wie sie aussieht, kann man kontrovers diskutieren. Und ihre Berechnung ist wohl nur für sehr vereinfachte Modelle möglich. Trotzdem müssen wir ökologische Gerechtigkeit anstreben und uns zumindest klar machen, daß dahinter Zielkonflikte stecken, wegen denen einfache Ansätze, wie gleiche CO2-Emissionen pro Kopf, unsinnig sind.

Mittwoch, 2. Juli 2008

Wie stabil ist der Anstieg der Treibhausgaskonzentrationen?

Unter den Treibhausgasen sind zwei von besonderer Bedeutung: Kohlendioxid (CO2) und Methan (CH4). CO2 wird in der Natur durch Atmung und Verrottung einerseits und Photosynthese andererseits in einem gut ausgeglichenen Kreislauf zwischen Atmosphäre und Biosphäre (Pflanzen und Tiere) umgeschlagen. Der Anstieg des CO2 rührt daher, daß Menschen mittlerweile 8 Gigatonnen Kohlenstoff als CO2 aus fossilen Lagerstätten in die Luft einbringen. Dieser Eintrag wird nur zu weniger als der Hälfte dadurch abgedeckt, daß CO2 durch den steigenden Partialdruck in der Atmosphäre in die Ozeane gepreßt wird und über eine gesteigerte Produktivität der Pflanzen in ihnen gebunden wird. Das Mischungsverhältnis von CO2 in der Atmosphäre steigt derzeit von etwa 385 ppm jährlich um mehr als 2 ppm mit steigender Tendenz.

Genauso wie bei dem globalen Anstieg der Temperatur spielen auch beim globalen Anstieg des CO2-Mischungsverhältnisses Rückkopplungseffekte eine Rolle. Es gibt negative (mehr CO2 regt bei manchen Pflanzen die Produktivität an – sie wachsen schneller und binden dadurch CO2; mehr CO2 bedeutet einen höheren Partialdruck von CO2, dadurch steigt die Aufnahme von CO2 durch die Ozeane) und positive Rückkopplungen (mehr CO2 läßt die Temperaturen global steigen, das senkt die Löslichkeit von CO2 in den Ozeanen; die höhere Temperatur taut Permafrostböden auf, in denen ist genug Kohlenstoff gebunden und freisetzbar, um das CO2-Mischungsverhältnis in der Atmosphäre bis auf das Doppelte anwachsen zu lassen). Generell bedeuten kühlere Temperaturen, daß Effekte stärker werden, bei denen CO2 gebunden wird, höhere Temperaturen, daß CO2 schneller ansteigen kann. Wechsel der Zustände bei den Ozeantemperaturen, zum Beispiel El Nino Southern Oscillation (ENSO) oder die Pacific Decadal Oscillation (PDO) können sich bei dem CO2-Anstieg durchaus bemerkbar machen. Der La Nina, die kühle Phase in der ENSO, kann zum Beispiel in der Pazifikregion lokal den CO2-Anstieg bremsen.
Menschen, die meinen, daß die globale Erwärmung durch menschengemachte Treibhausgase kein Problem sei, hoffen unter anderem darauf, daß negative Rückkopplungen den CO2-Anstieg irgendwann unerwartet aufhalten würden. Sie verweisen darauf, daß die Meere es aufnehmen könnten oder Pflanzen durch CO2-Düngung stärker wachsen würden. Als Beispiel dient ihnen dabei auch die Entwicklung bei Methan. Methan hat eine ganze Reihe natürlicher und vom Menschen beeinflußter Quellen. Bakterien und Verrottungsprozesse im Boden und in Sümpfen, Reisanbau, rülpsende Rinder und Schafe, aber auch Termitenbauten, einige Pflanzen und Kohlenminen, Erdgas- und Ölförderung tragen zum Methananstieg bei. Chemische Prozesse wiederum sorgen dafür, daß Methan in CO2 umgewandelt wird. Der bestimmende Schritt ist dabei die Reaktion des Methans mit einem hochreaktiven Bruchstück des Wassers, des OH-Radikals, das in winzigen Spuren in der Luft vorkommt und vor allem durch UV-Strahlung indirekt erzeugt wird. Durch den Wegfall einiger Quellen für Methan entstand in den 90er Jahren ein Gleichgewicht zwischen den Quellen und Senken von Methan – das Mischungsverhältnis von Methan in der Luft stieg nicht mehr an. Eine Rolle könnte dabei der Untergang der Sowjetunion gespielt haben und die wachsende Nutzung des Methans, das bei der Ölförderung nebenbei anfällt. Könnte auch CO2 in einen solchen stationären Zustand laufen, bei dem Quellen und Senken gleich werden?


Genau diese Entwicklung sahen einige Leugner des CO2-Problems voraus, als an einer Meßstation, dem Mauna Loa Observatorium, das auf das Jahr bezogene CO2-Mischungsverhältnis drei Monate hintereinander einen Abfall markierte.




Es war schon die Rede davon, daß CO2 nun genauso stagnieren würde wie Methan. Es wurde sogar behauptet, daß damit nun bewiesen sei, daß der Beitrag des Menschen zum CO2-Anstieg nicht wichtig sei. Weil ja die globale Temperatur nicht mehr anstiege, werde anscheinend das CO2, das vorher aufgrund natürlicher Klimavariabilität von den Ozeanen ausgegast wurde, nun wieder von den Meeren aufgenommen. Problem gelöst. Auch die gegenwärtig kühlen Phasen von ENSO und PDO wurden herangezogen, um die Behauptung zu stützen, vor allem natürliche Prozesse wären für den CO2-Anstieg verantwortlich. Alle diese Behauptungen scheitern aber an dem Realitätstest.

Dies hätte direkt klar sein können, hätte man statt der Meßreihe vom Mauna Loa die mittlere Entwicklung aus allen Meßstellen des globalen Meßnetzes berücksichtigt. Dann wäre aufgefallen, daß es sich bei dem Abfall am Mauna Loa nur um ein lokales Ereignis handelte, vermutlich beeinflußt von der La Nina-Phase des ENSO. Dies war übrigens auch schon in der Vergangenheit dort beobachtet worden. Die globalen Messungen zeigten den Abfall gar nicht, sondern sogar eine weitere Beschleunigung des CO2-Anstiegs. Oder man hätte noch etwas abwarten können nach dem Motto, daß einzelne Monate bei einer klimatologischen Zeitreihe völlig nichtssagend sind. Dann hätte man sehen können, wie der letzte Monat auf einen Schlag fast den ganzen Abfall korrigierte. Die Rohdaten zeigen, im Gegensatz zu den auf Jahresbasis geglätteten Daten, ohnehin keinen Abfall.






Es ist begreiflich, daß viele Menschen zuerst auf die Daten von Mauna Loa schauen. Es ist die älteste Zeitreihe, es ist die bekannteste Zeitreihe, und man hat immer wieder diese Zeitreihe gezeigt, wenn man begreiflich machen wollte, daß das CO2-Mischungsverhältnis bedrohlich und stetig ansteigt. Aber es gibt weltweit Meßstationen (in Deutschland zum Beispiel auf der Zugspitze und am Hohenpeißenberg, dort vom Deutschen Wetterdienst betrieben) und ihre Zusammenschau gibt uns erst die belastbaren Daten über den weltweiten, unaufhaltsamen Anstieg des CO2-Mischungsverhältnisses durch das Verbrennen von Kohle, Öl und Gas, durch Abholzung der Tropenwälder und durch die Zementherstellung.