Sonntag, 31. Januar 2010

Betroffenheitstrolle

Überarbeitet am 4.2.2010 und weitere Korrektur am 27.2.2010:

Im englischen Internetjargon gibt es den Begriff des „concern troll“. Der Troll ist jemand, der Diskussionen stört, indem er andere provoziert. Ziel ist es, durch übertriebene, falsche, aggressive oder unsinnige Beiträge emotionale Reaktionen zu provozieren, die Diskussion vom Thema abzubringen oder Zweifel an eigentlich akzeptierten Vorstellungen zu erzeugen. Der „concern troll“, den ich mal als Betroffenheitstroll übersetze, ist eine besondere Variante. Er tut so, als akzeptierte er den Konsens in einer Gruppe, stellt diesen aber indirekt in Frage, indem er vorgibt, Probleme bei der eigenen Haltung zu finden und Grund zur Besorgnis zu haben, dass die eigene Haltung falsch ist. In Wahrheit teilt der Betroffenheitstroll durchaus nicht den Konsens, aber das versucht er zu verbergen.

Den Betroffenheitstroll findet man auch in der Klimadiskussion, wenn sich Menschen zu Wort melden, die sagen, daß sie selbst an die globale Erwärmung glauben und auch glauben, daß menschliche Treibhausgasemissionen daran schuld wären, aber bestimmte Dinge nicht verstehen. Und dann kommen so nach und nach die klassischen Einwände der Leugnerszene. Da man im Internet schwer die Motive von anderen feststellen kann, sondern sie aus der Art der Beiträge indirekt erschließen muß, kann es unter Umständen schwierig sein, einen echten Skeptiker, der nur einige Fragen loswerden will, vom „concern troll“ zu unterscheiden. Einen echten Skeptiker kann man mit Antworten befriedigen, einen „concern troll“ niemals. Für den gelegentlichen Leser mag es daher auch irritierend sein, wenn ein erfahrener Leser den „concern troll“ schon nach einem Beitrag erkennt und als solchen angreift, wenn er nach Meinung des unerfahrenen Lesers nur sehr berechtigte Zweifel vorgebracht hat, die man doch höflich beantworten könnte. Die höflichen Antworten stehlen natürlich letztlich Zeit, die produktiver verbracht werden könnte und auch das ist eines der Ziele des Betroffenheitstrolls.

Den „concern troll“ gibt es in Varianten auch in der öffentlichen Diskussion. Es kann ein Wissenschaftler sein, der vordergründig den wissenschaftlichen Erkenntnisprozess vorantreiben will, indem er vorhandene Ergebnisse hinterfragt. Wenn aber die ganze Arbeit nur aus Hinterfragen besteht und niemals gesicherte Ergebnisse produziert werden, sondern immer nur Baustellen bleiben, ist hier wohl ein „concern troll“ an der Arbeit, der gar nicht will, daß man zu Ergebnissen kommt. Ein Beispiel dafür ist McIntyre und sein Blog Climate Audit, in dem er als selbst ernannter „Auditor“ Fehler in der Klimaforschung aufdecken will. Selbstredend findet er Fehler praktisch nur beim IPCC und bei der Forschung, die die globale Erwärmung aufgrund von Treibhausgasen feststellt. Und selbstredend ist das, was er als Fehler feststellt, letztlich in der Regel widerlegbar oder es sind Details ohne Effekt auf die eigentlichen Ergebnisse. Seine Feststellungen zusammen mit McKitrick über Fehler bei Temperaturrekonstruktionen durch Mann et al. 1998 haben z.B. an den eigentlichen Resultaten, der sogenannten Hockeyschlägerform der globalen Temperaturkurve der letzten 1000 oder 2000 Jahre nichts geändertdies ist von der Forschung seitdem immer wieder bestätigt worden. Auch ein Fehler in Temperaturaufzeichnungen der USA, wie sie von NOAA und GISS verwendet wurden, waren für die globale Temperaturkurve völlig bedeutungslos und änderten auch nicht die relative Reihenfolge der Jahre in den USA bei der mittleren Jahrestemperatur. Für das Nichts an erreichten Ergebnissen haben McIntyre und sein Blog allerdings den Betroffenen erhebliches an Zeit durch nervende Informationsanfragen gekostet. Kein Wunder, daß einige angefragte Stellen, wie die Climate Research Unit, diese Informationsanfragen als Versuch der Sabotage wahrnahmen und sich überlegten, wie sie McIntyre und andere seines Schlages, die Informationsnachfragen offensichtlich nur verwendeten, um Munition für weitere Angriffe zu finden, abwehren könnten.

Als solche Überlegungen durch die gestohlenen Emails verbreitet wurden, war das für andere Betroffenheitstrolle Gelegenheit, die Politisierung der Wissenschaftler zu beklagen, als wäre die nicht etwa von den Angriffen auf die Wissenschaft erzeugt worden, sondern von den angegriffenen Wissenschaftlern. Unter denen, die sich da meldeten war, welche Überraschung, auch der „honest broker“ von Storch. In den USA gibt es andere, die den Begriff des „honest brokers“ für sich in Anspruch nehmen und damit trollen. Da ist es Roger Pielke junior, ein Soziologe und Umweltökonom, der in der Regel den Standpunkt vertritt, daß es zwar eine globale Erwärmung gibt, daß man aber nicht genau wisse, wie stark sie ausfallen könne. Da die Bekämpfung der globalen Erwärmung Geld kosten würde, sollte man Kosten für Schäden durch die globale Erwärmung und ihre Bekämpfung gegeneinander abwägen. Natürlich, wenn Pielke jr. sich mit dem Thema beschäftigt, kommen die Kosten der Erwärmung niedrig und die Kosten für die Bekämpfung hoch heraus und am billigsten wird es nach Meinung von Pielke jr., wenn man wartet, bis neue Technologien entwickelt wurden, die die Reduktion der Treibhausgasemissionen billiger machen würde. Bis dahin tut man besser gar nichts. Eine Haltung, die von 1979 (JASON-Report) bis 2007 (4. IPCC-Bericht) volkswirtschaftliche Schäden von vermutlich über 100 Milliarden Euro verursacht hat, denn um mindestens so viel könnte die Bekämpfung des Klimawandels billiger sein, hätte man schon um 1980 begonnen, die Emission von Treibhausgasen zu begrenzen. Pielke jr. ist nach Meinung von Umweltaktivisten wie Joe Romm eine Sonderform des Klimaleugners, ein sogenannter Verzögerer, der nicht den Klimawandel leugnet, aber Argumente dafür sammelt, jede Maßnahme dagegen zu verzögern – auch dies eine Taktik, um Gewinne z.B. bei Unternehmen der Energiebranche zu maximieren und Steuererhöhungen zu verhindern.

Roger Pielke jr. sollte man nicht mit seinem Vater Roger Pielke senior verwechseln. Pielke sr. ist Meteorologe, der in einigen Bereichen der Klimaforschung tätig ist. Und auch er ist ein „honest broker“, der vorgibt, zwischen Leugnern, die er Skeptiker nennen würde und den Wissenschaftlern, die er als eine Gruppe von ihnen bezeichnen würde, und dabei den Begriff „Alarmisten“ höflich umschreiben würde, vermitteln zu wollen. Neutral ist diese Vermittlung nicht. Er fragt, ganz Betroffenheitstroll, dann nach, ob wir den Messungen der Temperatur am Boden trauen können, oder sie nicht durch den Wärmeinseleffekt verfälscht seien. Als graue Eminenz steht er hinter dem Projekt surfacestations.org, dessen offizieller Frontmann der Wetternachrichtensprecher Watts ist, der auch den Leugnerblog Wattsupwiththat betreibt. Hier betont man als Problem neben dem eigentlichen Wärmeinseleffekt der sich ausbreitenden Städte vor allem sogenannte "micro site issues", kleinskalige Störungen der Messungen, weil zum Beispiel eine Klimaanlage am Meßort die Messungen stören könnte. Nach Meinung der Leute bei surfacestations.org ist anscheinend zu erwarten, daß solche Störungen den Stationen ausschließlich einen Erwärmungstrend aufzwingen könnten. Man muß halt sehr feste daran glauben... Allen ernstes versucht man hier, durch Fotographien von Wetterstationen in den USA (2% der globalen Beobachtungsfläche) zu beweisen, daß diese Stationen von so schlechter Qualität seien, daß keine belastbaren Aussagen zum globalen Temperaturanstieg möglich seien. Diese Unterstellung ist offensichtlich lächerlich. Selbst wenn die Messungen in den USA kontaminiert wären, wäre das für die globale Temperaturentwicklung nahezu bedeutungslos. Hier dominiert der Temperaturanstieg über den Meeren, wo ein Wärmeinseleffekt sicher keine Rolle spielt. Das zeigt auch der Vergleich mit den Satellitenmessungen, die ebenfalls vom Wärmeinseleffekt nicht betroffen sind. Das zeigte auch eine Studie von NOAA, die die Temperaturentwicklung guter und schlechter Messstationen laut Watts verglich und keine signifikanten Unterschiede fand. Auch eine erneute Analyse von Menne et al. 2010 zeigte, daß die Klassifizierung von Watts, die von Pielke sr. im Hintergrund gedeckt wurde, nahezu bedeutungslos für die Temperaturentwicklung ist.

Also: Betroffenheitstrolle geben vor, zu einer Gruppe zu gehören, betrachten diese Gruppe oder die in ihr gehaltenen Überzeugungen vorgeblich kritisch und betroffen, und versuchen so, Zweifel in dieser Gruppe zu erzeugen oder ihre eigene Agenda zu betreiben, wie zum Beispiel, Ansehen als kritischer und unabhängiger Kommentator zu gewinnen. Das kann dann auch helfen, zum Beispiel eigene Bücher zu vermarkten (wenn man unbedingt Motive suchen will).

Ein Beispiel für Betroffenheitstrollen geben zwei der vorgenannten Personen und eine dritte, nämlich von Storch, Pielke jr. und Roger Tol. In einem Artikel, der bei Spiegel Online heißt „Rettet den Weltklimarat“, zumindest für Pielke jr. wohl kaum etwas, was der Mann retten will, eher behindern, geht es im Grunde darum, daß in den über 2000 Seiten der drei Berichte der IPCC-Arbeitsgruppen bei Detailfragen in zwei Absätzen Fehler oder Fehlinterpretationen in die Berichte gelangt sein könnten. Fehler in so einem Bericht seien unvermeidbar, versichert von Storch hastig, um danach so zu argumentieren, als seien sie vermeidbar. Oder warum muß nach von Storchs Meinung deswegen der IPCC-Vorsitzende zurücktreten? Die Betroffenheitstrolle sehen mehrere Probleme. Zunächst mal sei dem IPCC anzulasten, daß jemand dem Climate Research Unit Emails geklaut und dann veröffentlicht hat. Eine aberwitzige Argumentationskette. Wenn überhaupt, zeigt der indiskrete Blick in diese Emails erstens, daß tatsächlich vom CRU keine Daten verfälscht wurden, was ihnen von Leugnern immer gerne unterstellt wurde. Zweitens kann auf Basis der Emails keine einzige wissenschaftliche Feststellung zum Klimawandel revidiert werden. Sonst wäre das nämlich inzwischen geschehen. Drittens geht aus den Emails hervor, daß man von Betroffenheitstrollen der Sorte McIntyre genervt war, und deshalb bestimmte Emails gerne gelöscht sähe. Der Zirkus nach der Veröffentlichung der gestohlenen Emails gibt den CRU-Wissenschaftlern sogar recht. Trotzdem sind sie formaljuristisch dazu verpflichtet, auch auf offensichtliche Sabotagenachfragen eines McIntyre entsprechende Informationen herauszurücken. Allerdings ergab eine Untersuchung des Vorfalls im Vereinigten Königreich kein Fehlverhalten der CRU-Wissenschaftler (im Gegensatz zu verbreiteten Unterstellungen). Vor allem bei dem Punkt sieht von Storch einen Skandal, der nach meiner Meinung allerdings im krassen Mißverhältnis zu seinem Betroffenheitstheater und seinen geforderten Maßnahmen steht. Wie auch immer, egal was man da dem CRU vorwerfen möchte, was hat das IPCC damit zu tun? Eine Frage, die die Logikschalteinheiten nicht nur bei von Storch, sondern auch bei vielen Journalisten überfordert. Viertens haben in den gestohlenen Emails zwar auch mehrere Wissenschaftler darüber geredet, wie man bestimmte Artikel aus den IPCC-Berichten heraushalten könne. Was dabei von den Kritikern aber nicht thematisisert wird, ist, daß es sich dabei um Artikel handelt, bei denen einzelne Wissenschaftler versuchen, Politik zu machen, indem sie fehlerhafte oder verfälschende Darstellungen in Fachzeitschriften hineingebracht haben, etwas, was die Fachbegutachtung oft verhindern kann, aber eben nicht immer. Ganz konkret ging es dabei unter anderem um Studien, in denen die globale Erwärmung mit Wärmeinseleffekten aufgrund fragwürdiger Korrelationen erklärt werden sollte (McKitrick und Michaels 2004), ein klares Beispiel dafür, wie Leugner über Pseudowissenschaft Politik machen wollen, denn zwar findet man die stärkste Erwärmung da, wo, wie diese Wissenschaftler feststellen, die sozioökonomischen Zentren sind,, aber die sozioökonomischen Zentren liegen nun einmal auf der Nordhalbkugel über Land, wo nach der Theorie auch die globale Erwärmung am stärksten ausgeprägt sein soll. Eine typische Scheinkorrelation, die durch schlechte Arbeit der Fachbegutachter in eine Fachzeitschrift rutschte. So etwas sollte bei einem Übersichtsartikel aussortiert werden. Darüber wurde in den Emails geredet. Und das ist für von Storch skandalös, der als „honest broker“ sicherstellen möchte, daß auch schlechte Artikel im IPCC-Bericht diskutiert werden, oder was ist es, was er da will?

Der nächste Vorwurf der drei Leute, die vorgeblich das IPCC durch Säuberung retten wollen, betrifft angebliche Interessenkonflikte. IPCC-Vorsitzender Pachauri habe persönlich davon profitiert, daß im IPCC-Bericht der zweiten Arbeitsgruppe zu sozialen, ökologischen und ökonomischen Folgen des Klimawandels gestanden habe, daß die Himalaya-Gletscher bis zum Jahr 2035 zum größten Teil abgeschmolzen sein könnten, falls der Klimawandel dramatisch voranschreite, denn eine Gesellschaft, in der Pachauri involviert sei, TERI (Energy and Resources Institute), habe auf Basis des falschen Absatzes im IPCC-Bericht einen Forschungsauftrag erhalten. Daran ist nur wahr, daß Pachauri Vorsitzender des Institutes ist und dieses Institut einen großen Forschungsauftrag zu den Folgen eines Abschmelzens der Himalaya-Gletscher erhalten hat. Roger Pielke jr. reine Vermutung ist aber, daß TERI nicht mit dem Forschungsauftrag bedacht worden wäre, wenn es den besagten Absatz im IPCC-Bericht nicht gegeben hätte. Tatsächlich ist es so, daß wir definitiv wissen, daß die Gletscher im Himalaya, wie weltweit, in der Mehrzahl (bis auf einige Ausnahmen), deutlich zurückgehen und daß dies langfristig Folgen für den lokalen Wasserhaushalt hat. Auch wenn die Himalayagletscher bis 2035 nur zu einem Teil zurückgehen, bis 2100 sind Folgen für die Wasserversorgung in Teilen Asiens denkbar und eine Erforschung dieser Folgen ist ein relevantes Thema für Indien. Pielke jr.'s Unterstellung basiert aber auf einer Annahme, die noch viel schwankenderen Grund bietet: Pachauri wird nämlich keine Gelegenheit gehabt haben, den Wissenschaftlern, die am Kapitel 10 des Berichts der zweiten Arbeitsgruppe des IPCC geschrieben hatten, die Weisung zu geben, sie sollten die Risiken bei den Himalaya-Gletschern übertreiben. Pielke jr. macht sich auch keine Mühe, diese üble Nachrede plausibel zu machen. Das überläßt er der Phantasie des überraschten Publikums, dem die Hintergründe nicht so ganz klar sind. Es ist in dem Zusammenhang wohl auch sinnlos, wenn Pachauri darauf hinweist, daß er persönlich keinerlei Einnahmen aus TERI erhält und daher auch im Sinne der IPCC-Regeln kein Interessenkonflikt vorliegt.

Überhaupt Skandal über Skandal, die alle die Glaubwürdigkeit der tausenden Klimaforscher, des IPCC und seiner tausenden Seiten an Berichten erschüttern – wenn man den „honest brokers“ glauben wollte. Angeblich gäbe es keine Mechanismen, mit Fehlern im IPCC-Bericht umzugehen, als fänden die Korrekturrunden, die Fachbegutachtungen im IPCC-Bericht nicht statt. Allenfalls könnte man für die Zukunft fordern, daß die Wissenschaftler, die den Teil 1 des IPCC-Berichts bearbeiten, den Autoren beim Teil 2 stärker auf die Finger schauen, was den Fehler bei den Himalaya-Gletschern nachweislich verhindert hätte. Genau diese Reform ist aber auch schon ohne das Dreigestirn der „honest brokers“ auf dem Radar des IPCC.

Unterdessen läuft etwas ab, was typisch ist für die Medien: das Gesetz der Serie. Wenn schon mal ein Fehler in den IPCC-Berichten auftaucht, dann wird die Leser noch mehr eine Serie von Fehlern interessieren. Deshalb berichten schlechte Journalisten (der Regelfall) immer gerne von den Himalaya-Gletschern als der zweiten Panne der Klimaforschung (hier nur IPCC zu schreiben ist wohl zu langweilig, besser: Pauschalisieren) nach den gestohlenen Emails der Climate Research Unit, obwohl beides nichts miteinander zu tun hat. Seltsam, wenn beklaut zu werden als ein Skandal des Beklauten bezeichnet wird, und seltsam, wenn Journalisten CRU, IPCC und Klimaforschung nicht auseinanderhalten können – so wenig Trennschärfe ist bei Lieschen Müller und Johann Bierbauch zu entshculdigen, aber nicht bei den Medien. Und so wird nun auf Teufel komm raus versucht, die Serie fortzusetzen. Nach Email-gate und Himalayagate (im Sinne von Watergate, was etwa dem Vergleich von 3. Reich und einer Steuererhöhung entspricht) kam dann noch Hurricangate und Amazonasgate. Was steckt dahinter? Das will ich in einem weiteren Beitrag auseinandernehmen.

Montag, 25. Januar 2010

Methan, der eingebildete Joker unter den Treibhausgasen

Methan ist anscheinend ein Joker unter den Treibhausgasen, denn zumindest wird er so gehandelt. Methan ist als Treibhausgas über 80mal effizienter als Kohlendioxid, und steht unter den von Menschen emittierten Treibhausgasen an zweiter Stelle der Klimawirksamkeit. Andererseits wird Methan aber auch innerhalb einiger Jahre in der Atmosphäre chemisch abgebaut. Es reagiert mit dem OH-Radikal und bildet beim Abbau vor allem Formaldehyd HCHO, welches wiederum schließlich zu einem großen Teil über CO zu CO2 oxidiert wird. Da Methan um Größenordnungen niedrigere Mischungsverhältnisse in der Atmosphäre aufweist als CO2, spielt es als CO2-Lieferant keine Rolle. Bezogen auf ein Jahrhundert hat es aber etwa die 20 bis 25fache Treibhauswirkung je Molekül im Vergleich zu CO2, wenn man den chemischen Verlust mit berücksichtigt. Derzeit ist die Treibhauswirkung von Methan insgesamt etwa 30% der Wirkung von CO2.

Methan hat sowohl natürliche Quellen als auch solche aus Viehzucht, dem Reisanbau und der Förderung von Gas, Kohle und Öl. Auch geänderte Landnutzung und das Auftauen von Permafrostböden stellen Methanquellen dar. Methan ist letztendlich auch ein brauchbarer Popanz, in den sich die eine oder andere politische Agenda packen läßt.

Da wäre erst mal die Kohle- und Öllobby. Da Methan je Molekül so vielfach klimawirksamer ist als CO2, liegt es nahe, notwendige Emissionseinschränkungen aufzuschieben, indem man darauf hinweist, daß man doch einfacher mit Methan Erfolge beim Klimaschutz erzielen könnte als mit teuren Konzessionen bei Kohle und Öl. Diese billige Ausrede zieht aber aus mehreren Gründen nicht. Die Förderung von Kohle und Öl sind selbst von Methanemissionen begleitet. Noch wichtiger ist aber, daß CO2 als klimaschädliches Gas aufgrund seiner sehr langen effektiven atmosphärischen Lebensdauer über Jahrhunderte das Klima schädigt, während Methan innerhalb von Jahren chemisch abgebaut wird. Eben so sehr fällt ins Gewicht, daß CO2 zudem in den Ozeanen über den Abfall des pH-Wertes zur Schädigung der gesamten Meeresökologie beiträgt. Die Rechnung, daß man mit der Einsparung von einem Molekül Methan einen Effekt erzielt hätte, der der Reduktion der CO2-Emissionen um 25 Moleküle entspräche, geht daher nicht auf – beide Moleküle sind eben nicht äquivalent in der Wirkung.

Genau dieses müssen sich auch Veganer und so genannte Tierfreunde entgegenhalten lassen, die den Klimaschutz als Vehikel missbrauchen wollen, um Fleischverzicht in der Nahrung zu predigen. Es ist zwar sinnvoll, Methanemissionen zu reduzieren, aber es löst nur ein Teilproblem.

Die Gleichung, weniger Kuhmilch und Rindfleisch, und wir lösen das Methanproblem, ist in der Tat zu einfach. Jede Form von Landwirtschaft kann einen Beitrag zum Klimaproblem leisten. Da sind nicht nur die Reisfelder, da ist auch die Düngung von Äckern, die zu Emissionen von Lachgas N2O führen, das seinerseits ein potentes Treibhausgas ist. Und natürlich bedeutet die Bewirtschaftung der Felder und der Transport der Nahrungsmittel, daß auch hier CO2 emittiert wird. Man kann Methan einsparen, indem man seinen Konsum an Rind-, Schweine- und Hammel-/Lammfleisch reduziert, und gleichzeitig tut man möglicherweise mit einen solchen Ernährung auch etwas für seine Gesundheit, aber der Beitrag zum Klimaschutz insgesamt ist im Bereich von einigen Prozent, wenn auch individuell der Beitrag relativ höher sein kann, wie ich schon einmal andiskutiert hatte. Der regelmäßige Flugreisende wird vielleicht noch mehr für den Klimaschutz leisten, wenn er eine jährliche Fernflugreise in 3 von 4 Jahren ausfallen läßt.

Letztendlich haben wir gar nicht den Luxus, zu entscheiden, ob wir dem Klimaschutz über die Einsparung von CO2 oder von Methan dienen wollen. Die klimawirksamen Emissionen müssen langfristig insgesamt auf Null zurückgehen. Wir werden Methan und CO2-Emissionen vermindern müssen.

Methan ist auch der Stoff für Ängste. Wir wissen nicht genau, wie Methan als Rückkopplungsgröße den Klimawandel antreiben kann, aber möglicherweise gibt es einen Punkt, ab dem das Auftauen von Permafrostböden durch Methanemissionen zu einem wichtigen Verstärker einer globalen Erwärmung wird. Ereignisse in der Vergangenheit, in denen die Erde stärkere positive Rückkopplungen bei einem Klimawandel zeigten als wir aufgrund der heutigen Modelle nachvollziehen können, geben Anhalt für den Verdacht, daß Methan globale Erwärmungen massiv angetrieben haben könnte. Nicht nur auftauende Permafrostböden können Methan abgeben, auch sich erwärmende Meere stellen ein Risiko dar, wenn bei geeigneten Temperaturen und Druck sich am Meeresboden Clathrate von gefrorenem Methan in Wasser bilden konnten. Rund um Spitzbergen konnte man aufgrund von Messungen feststellen, daß bereits merkliche Mengen Methan nach oben blubbern. Doch sollte man keine voreiligen Schlüsse ziehen. Methan wird im Meerwasser gut gelöst und kann dort auch durch enthaltenes Sauerstoff und gelöste Peroxidionen vergleichsweise schnell oxidiert werden. Wie in der Luft verhält sich auch im Wasser Methan als zwar nicht sehr reaktives, aber doch gut abbaubares Gas. Aus diesem Grund sehen Fachleute die Lage bei den Clathraten am Meeresboden noch recht gelassen. Hier, wie auch bei der Entwaldung in den Tropen ist ungeklärt, wie groß das Risiko nun eigentlich ist, daß Methan eine globale Erwärmung dramatisch verstärken könnte.

Methan zeigt eigentlich besonders gut, wie schnell Vereinfachungen sich beim Normalbürger ins Bewusstsein drängen, wenn Wissenschaftlern noch deutlich bewußt ist, daß die Details von entscheidender Bedeutung sind, die man zudem noch bei weitem nicht unter der Kontrolle hat. Das zeigt sich nicht zuletzt daran, daß unsere Kenntnisse über das globale Methanbudget noch zu grob sind, um erklären zu können, warum nun eigentlich die Methanmischungsverhältnisse in der Atmosphäre nach 1991 jahrelang stagnierten, um dann in den letzten zwei, drei Jahre möglicherweise ihren alten Anstieg wieder aufzunehmen. Möglicherweise hatte der Zusammenbruch des Ostblocks dazu geführt, daß industrielle Methanquellen oder Leckagen an Gasleitungen wegfielen. Vielleicht wurde Erdgas auch weltweit effizienter genutzt, da man Techniken verbessert hatte, es zu gewinnen. Vielleicht haben wir aber auch das globale Budget des OH-Radikals als wichtigste Senke von Methan noch nicht gut genug begriffen, obwohl ich diese Variante für extrem unwahrscheinlich halte und auch im IPCC-Bericht von einer konstanten Senke durch OH ausgegangen wird. Es gibt eine Reihe von Spekulationen, aber hier gilt noch das Wort, daß die Wissenschaft noch offen ist

Sonntag, 24. Januar 2010

Lassen wir mal Köpfe rollen?

Ich habe hier bereits über den ersten echten Fehler geschrieben, den Glaziologen, selbst Mitautoren bei den IPCCC-Berichten gefunden hatten. Ich sollte besser sagen, schon länger kannten, nur sind sie bei den Autoren des Kapitels nicht durchgedrungen, die da ein falsches Zitat in die Welt gebracht hatten. In den Medien gab es viele Reaktionen, von vernünftig bis äußerst dämlich, und man weiß gar nicht, was man aus dem vielstimmigen Chor überhaupt sinnvoll zitieren kann.

Zum einen könnte man darauf hinweisen, daß es noch mehr Details zur Vorgeschichte gibt über das hinaus, was ich hier bereits erzählt hatte (siehe auch Kommentar 13 in dem verlinkten Blogbeitrag). Dem Anschein nach geisterte erst mal eine Falschinformation herum – die Gletscher im Himalaya würden zum großen Teil bis 2035 abschmelzen und ihre Fläche würde von 500.000 auf 100.000 Quadratkilometern zurückgehen. Letztere Information würde auf einen obskuren russischen Beitrag von 1996 hinweisen, nur daß hier von 2350 statt 2035 die Rede war. Also ein klassischer Zahlendreher, der sich verselbständigt hätte. 500.000 Quadratkilometer ist aber eine Fläche, die mehr als zehnmal so groß ist wie die Gletscherfläche im Himalaya. Die russische Quelle sprach von Gletschern weltweit und ist ohnehin jetzt hoffnungslos veraltet.

So oder so ist das egal. Das IPCC hat den Fehler anerkannt, wenn auch recht spät, wenn man bedenkt, daß der Glaziologe Kaser schon 2006 auf den Fehler hingewiesen hatte, und zieht diesen Absatz zurück. Hier spielt aber eine Rolle, daß das IPCC eine UNO-Veranstaltung ist. Und da gilt es auch, daß alle Länder zu beteiligen sind und der Bericht nicht vermeintlicher westlicher Vorherrschaft zum Opfer spielt. Der Teil zu Asien im Bericht der Arbeitsgruppe 2 war also indischen Kollegen überlassen, die es vorzogen, Kritik der Glaziologen zu überhören. Trotzdem kam aber der fehlerhafte Teil nicht in die Zusammenfassung für die Entscheidungsträger, was schon ein Hinweis darauf ist, daß er nicht als relevant galt.

Damit sind wir bei den Schlußfolgerungen. Ich habe schon darauf hingewiesen, daß zum Stichwort dämlich zum Beispiel gehört, aus einem falschen Absatz in einem von drei Berichten und innerhalb diesen in einem von über 20 Kapiteln zu schlußfolgern, daß der IPCC-Bericht falsch sei. Das ist einfach idiotisch. Und es ist zudem peinlich für die selbsternannten IPCC-Skeptiker und Auditoren, daß nach 3 Jahren permanenter Kritik am IPCC-Bericht nicht sie den einzigen halbwegs relevanten Fehler gefunden haben, sondern IPCC-Autoren selbst, und daß es für die Mitarbeiter beim IPCC selbstverständlich ist, den Fehler Fehler zu nennen und daraus Konsequenzen zu ziehen – etwas, daß man bei den Leugnern in der Regel nicht erwarten darf.

In der FAZ liest man was davon, es müßten Köpfe rollen. Auch von Storch läßt angeblich verlauten, daß Pachauri zurücktreten müßte. Und das ist wohl die Meinung bei vielen Leuten, die ohnehin kein gutes Haar am IPCC lassen. Was dabei vergessen wird ist, daß Pachauri kein Wissenschaftler ist, sondern der Vorsitzende des IPCC, ein Sprecher und Repräsentant der Organisation, seinerzeit von den USA auf diesen Stuhl gehieft, weil der Vorgänger zu energisch für den Klimaschutz eintrat und vielleicht auch zu kompetent war. Die Tatsache des menschengemachten Klimawandels ist aber so eindeutig, daß auch Pachauri nicht anders konnte, als eben diese Sache zu vertreten. Man könnte auch einen Besenstiel auf diesen Posten setzen, und der könnte auch nichts anderes vertreten als die Schlußfolgerungen der Wissenschaftler. Wegen eines falschen Absatzes, ein Fehler, der wie schon gesagt einfach zwangsläufig in einem 2000-Seiten Bericht zu erwarten war, soll also jemand, der diesen Fehler gar nicht gemacht hatte, zurücktreten? Pardon, aber wie wäre es, wenn von Storch von seinem Posten zurücktritt, nachdem er mal eine fehlerhafte Arbeit publiziert hatte, in der er behauptet hatte, die Temperaturrekonstruktion von Mann et al. von 1998 (der Hockeyschläger) sei nicht reproduzierbar, obwohl dies sehr wohl der Fall war? Er macht das nicht, weil es lächerlich wäre – fehlerhafte Arbeiten kommen vor, kein Wissenschaftler tritt deswegen von irgendwas zurück, sondern der Fehler wird korrigiert, wenn er festgestellt wird.

Schellnhuber fordert Reformen. Mag sein, daß hier etwas geht. Aber ich denke eher, daß man besser damit fährt, wenn man einfach anerkennt, daß so ein Bericht immer Fehler im Detail enthalten kann und daher immer auch die Bereitschaft bestehen muß, solche Berichte auch später noch zu korrigieren.

Zu den Skurilitäten zählt noch, wenn z.B. der Spiegel meint, der Gletscherfehler sei bereits die zweite Panne der Klimaforschung nach den geraubten CRU-Emails. Lieber überforderter Spiegelschreiberling: die Klimaforschung kratzt es nicht, wenn sie in einem IPCC-Bericht in einem Detail mal falsch wiedergegeben wird. Und daß von der Climate Research Unit Emails gestohlen wurden, ist weder für die Klimaforschung, noch für CRU, noch für das IPCC peinlich oder eine Panne, sondern es ist ein Diebstahl, der auf den Dieb zurückfällt wie auch auf die „Hehler“, das heißt auf die Leute, die diese gestohlenen Emails dann auf angebliche Skandale durchleuchtet haben und dabei nichts von Belang fanden, außer, daß die Leugner den Wissenschaftlern immerhin so auf die Nerven gegangen sind, daß diese sich überlegten, wie sie dafür sorgen könnten, daß fehlerhafte Artikel es gar nicht erst in die Diskussion für den Bericht der Arbeitsgruppe 1 des IPCC-Berichts schaffen.

Dienstag, 19. Januar 2010

Ein Fehler im IPCC-Report – Himalaya Gletscher

Der IPCC-Report ist eine umfassende Zusammenfassung der wissenschaftlichen Literatur zu den Ursachen, dem Ablauf, den möglichen Entwicklungen und den Folgen des Klimawandels und möglicher Vermeidungs- und Anpassungsstrategien. Ein so umfassender Bericht wird zwangsläufig auch Fehler enthalten. Die Frage ist, wie viele solcher Fehler gibt es und wie gravierend können sie sein? Ich würde vermuten, daß es sich mit der Zahl der Fehler im IPCC-Report so verhält wie mit der Zahl fehlerhafter Publikationen, die es durch einen Peer Review schaffen. Fehler passieren dann, wenn man an einer Stelle nicht mit der üblichen Sorgfalt gearbeitet hat. Bei einigen tausend Arbeiten, auf die der IPCC-Bericht beruht, und einer Fehlerquote von mindestens einem Prozent würde ich davon ausgehen, daß man mehr als ein Dutzend Fehler im IPCC-Bericht finden sollte, die über die Qualität eines Druckfehlers oder einer falsch bezeichneten Graphik hinausgehen. Gerade bei Details auf Spezialgebieten am Rande der Hauptstoßrichtung des Reports würde ich erwarten, daß man ein paar echte sachliche Fehler findet. Jetzt ist man fündig geworden…

Wie unter anderem der New Scientist berichtet (kostenfreie Registrierung erforderlich), haben Glaziologen Anstoß darauf genommen, daß unter den Feststellungen des IPCC-Berichts auch die Behauptung war, daß es sehr wahrscheinlich (>90 %) sei, daß bis 2035 Gletscher des Himalaya bei einer anhaltenden globalen Erwärmung abgeschmolzen sein können. Dieser Satz wurde z.B. vom indischen Glaziologen Vijay Raina als unglaubwürdig angegriffen wie auch die Behauptung, daß die Gletscher im Himalaya schneller abschmelzen würden als irgendwo anders auf der Welt. Der IPCC-Vorstand Rajendra Pachauri verteidigte aber die Feststellungen des IPCC-Berichts als Ergebnis fachbegutachteter Forschung. Das war voreilig.

Geht man in den IPCC-Bericht, findet man normalerweise wirklich Feststellungen, die durch fachbegutachtete Artikel abgesichert sind. Auch zu der Lage der Gletscher findet man eine große Zahl von Literaturangaben und vorsichtige Feststellungen. Als ich von dem Satz las, daß die Gletscher im Himalaya bis 2035 verschwinden könnten, hatte ich allerdings zunächst große Schwierigkeiten, ihn zu finden. Üblicherweise schaue ich zuerst in die Ergebnisse der Arbeitsgruppe 1 (WG 1) zum naturwissenschaftlichen Stand des Klimawandels. Im Kapitel 4 findet man auch den Stand zu Beobachtungen: Änderungen bei Schnee, Eis und gefrorenem Boden. Abschnitt 4.5 enthält Feststellungen zu Gletschern und 4.5.3 auch einen Satz zu Gletschern in Asien, die demnach mit unterschiedlichen Raten abschmelzen, wobei einige in Karakorum auch Zuwachs zeigen, belegt mit 5 verschiedenen Artikeln. Das war wohl nicht der Punkt, also suche ich weiter bei dem Bericht der Arbeitsgruppe 2 (WG 2) Auswirkungen, Anpassung und Verletzlichkeit und finde unter Kapitel 10 die Feststellungen zu Asien. Unter 10.2.4.2 finde ich einige Feststellungen zum Abschmelzen der Gletscher in Zentralasien und der Auswirkungen auf den lokalen Wasserhaushalt, die jedoch durch eine Reihe von Literaturzitaten gesichert sind und offensichtlich auch keine beanstandete Stelle enthalten.

Im Abschnitt 10.6.2 über Himalaya Gletscher hoffe ich endlich, die kritische Textstelle zu finden. Und da steht es, direkt vor einer Tabelle über Abschmelzraten ausgewählter Gletscher „Glaciers in the Himalaya are receding faster than in any other part of the world (see Table 10.9) and, if the present rate continues, the likelihood of them disappearing by the year 2035 and perhaps sooner is very high if the Earth keeps warming at the current rate.” „Gletscher im Himalaya gehen schneller zurück als irgendwo auf der Erde (siehe Tabelle) und, wenn die gegenwärtige Geschwindigkeit der globalen Erwärmung anhält, ist die Wahrscheinlichkeit bei der gegenwärtigen Abschmelzrate sehr groß, daß sie bis 2035 oder früher verschwinden.“ Das ist eine sehr weitgehende Behauptung und die einzige Referenz dafür ist ein Bericht des World Wildlife Fund WWF von 2005.

Unter der Tabelle kommen weitere Feststellungen zu Gletschern im Himalaya, die dann allerdings durch zwei weitere Literaturstellen abgedeckt sind. Aber zurück zum Zitat aus dem WWF-Bericht. Das ist nun gerade keine fachbegutachtete Literatur. Durfte man sich denn darauf berufen? Die Antwort lautet, ja, schon, aber… Der WWF-Bericht selbst ist gut recherchiert und faßt seinerseits fast 200 Literaturstellen zusammen, meistens aus der fachbegutachteten Literatur. Ein Überblick über Gletscher, Gletscherrückzug und die resultierenden Auswirkungen in Nepal, Indien und China ist eine gute Quelle für die Aussagen im IPCC-Bericht. So weit, so gut.

Die Aussagen im IPCC-Bericht dazu, wann es im Himalaya keine Gletscher mehr gibt, wird man im WWF-Bericht aber so nicht finden. Jedenfalls nicht im Textkörper. Nur in der Einleitung und Zusammenfassung findet man einen Abschnitt „Überblick über das Problem“ auf Seite 2, wo eine Motivation gegeben wird, sich mit dem Problem des Gletscherrückgangs im Zusammenhang mit der globalen Erwärmung zu beschäftigen. Da beruft man sich auf einen Artikel im New Scientist vom 5. Juni 1999, in dem der Glaziologe Syed Hasnain zitiert wird, der behauptet, die meisten Gletscher der Himalaya Region werden aufgrund der globalen Erwärmung innerhalb der nächsten 40 Jahre (also bis 2039) verschwinden. Der WWF-Bericht hatte sich diese Aussage keineswegs zu Eigen gemacht, sondern sie als apokalyptische Vision angeführt. Es wäre auch ein Fehler gewesen, diese Aussage als gesicherte Feststellung zu nehmen, denn sie war nur eine Meinung Hasnains in einem Telefoninterview und keineswegs ein publiziertes wissenschaftliches Ergebnis. Diese Aussage hat Hasnain inzwischen zurückgezogen. Im IPCC-Bericht ist also aus grauer Literatur, immerhin aber einer respektablen Quelle, aus einem Aufmacher für den eigentlichen Bericht eine Aussage genommen worden, die selbst nur Hörensagen aus einer Zeitung darstellte und dann war diese Aussage auch noch falsch zitiert worden, denn Hasnain redete nur von einigen und nicht von allen Gletschern im Himalaya und noch nicht mal der Zeitrahmen bis 2035 stammte aus dieser Quelle. Eine Grundlage dafür, dieser Aussage eine bestimmte Wahrscheinlichkeit zuzuordnen, gab es auch nicht.

Was für Folgen hat das nun? Eigentlich keine. Diese Aussage im IPCC-Bericht der WG 2 war nicht die Basis für weitergehende Schlussfolgerungen und tauchte auch nicht in der Zusammenfassung für die politischen Entscheidungsträger auf. Fast alle anderen Aussagen zu Gletschern im allgemeinen und Gletschern in Asien im besonderen sind fundiert und können auf Fachliteratur zurückgeführt werden. Und doch hat es viele Folgen. Leugner des Klimawandels können aufgrund einer Aussage aus vielen hundert Seiten IPCC-Berichten sagen, daß das alles Mist sei – haben sie doch gleich gewußt. Pachauri als Vorstand des IPCC, der sich massiv gegen Angriffe auf diese Aussage eingesetzt hatte, hat eine peinliche Niederlage erlitten, die zudem vermeidbar gewesen wäre, wenn er für sich akzeptiert hätte, daß selbstverständlich auch der beste Bericht einzelne Fehler enthalten wird. Entscheidend ist immer, ob diese Fehler Grundaussagen betreffen. Im IPCC-Bericht 5, dessen Erstellung derzeit beginnt, wird man den Fehler korrigieren müssen, was Murari Lal, der leitende Autor für das Kapitel über Gletscher, auch in Aussicht stellt. Für Politiker ergibt sich eine Ausrede, den IPCC-Bericht insgesamt anzugreifen, obwohl keine der Grundaussagen zur globalen Erwärmung betroffen sind. Wie gesagt, ich mußte erst ziemlich suchen, um in dem riesigen Bericht diesen einen falschen Absatz zu finden. Die Lehre für die Autoren der Arbeitsgruppe 2 sollte aber sein, zurückhaltend mit grauer Literatur umzugehen und sorgfältiger weitgehende Aussagen zu überprüfen, ob sie belastbar sind. Leider muß man aber auch sagen, daß es unvermeidlich ist, daß im fünften IPCC-Bericht neue, eben andere Fehler auftreten werden, daß man im vierten IPCC-Bericht bestimmt noch weitere Aussagen finden, hinter denen sich Schlampigkeit oder Fehler verbergen und daß auch beim bestmöglichen Bericht es immer genug Vorwände geben wird, um anhand einer Aussage den ganzen Bericht aller drei Arbeitsgruppen abzulehnen.

Hier diskutiert James Hrynyshyn diesen Fall als wirklich peinlich für das IPCC.

In Leugnerblogs wird man selbstverständlich eine intensive Diskussion des Falls finden, wenn auch kaum mit der richtigen Gewichtung und brauchbaren Details. Symptomatisch die vergleichsweise seriöse Klimazwiebel mit der folgenden Wertung von Rainer Grundmann: „Such are the dangers of alarmism. There can be no doubt that as a result the IPCC and climate science will loose credibility. Is it a consolation that in this case we see some ready admission of mistake and not an endless circling of wagons?” „Das sind die Gefahren des Alarmismus. Es kann keinen Zweifel geben, daß als ein Ergebnis das IPCC und die Klimawissenschaft Glaubwürdigkeit verlieren werden. Ist es ein Trost, daß wir in diesem Fall ein teilweise bereitwilliges Zugeben des Fehlers sehen und nicht den endlosen Aufbau einer Wagenburg?“
Womit der Absatz gleich mal wieder festgelegt hätte, daß der IPCC-Bericht den Gefahren des Alarmismus unterliegt und daß ein fehlerhafter Satz in einem Abschnitt über ein Spezialthema in einem Bericht die Glaubwürdigkeit des ganzen IPCC und sogar der ganzen Klimaforschung beeinträchtigt. („honest broker“ von Storch meldet sich dann auch in der Diskussion und will aufgrund Lals Aussage in der Presse ihn auch noch aus dem IPCC kicken – na so was…) Auf Grundmanns Planeten ist das Zugeben eines Fehlers anscheinend bei Wissenschaftlern etwas ungewöhnliches und der Bau von Wagenburgen üblich. Auf meinem Planeten allerdings ist es üblich, daß man, wenn man Fehler feststellt, sie eben korrigiert und daß die Glaubwürdigkeit auch nicht daran hängt, ob Fehler passieren, sondern, ob man bereit ist, daraus zu lernen, und daß die einzigen, die ihre Fehler gar nicht aufgeben wollen und Wagenburgen bauen, keine Wissenschaftler sind, sondern jene, die seit den 80er Jahren konsequent leugnen, daß es eine globale Erwärmung aufgrund des Treibhauseffektes gibt, daß sie menschengemacht durch unsere Emission von Treibhausgasen ist, daß sie potentiell schädliche Auswirkungen haben kann und daß wir etwas dagegen unternehmen können.

Unter die Gürtellinie geht es dann, wenn Roger Pielke Jr. behauptet, daß Pachauri, der gar nicht Autor in der entsprechenden Arbeitsgruppe war, und Hasnai, der wenig dazu kann, wenn eine Zeitungsaussage von 1999 über einen falsch zitierten Bericht wieder im IPCC-Bericht auftaucht, aufgrund ihrer Mitarbeit im The Energy & Ressources Institut TERI ein monetäres Interesse an einer Falschaussage im IPCC-Bericht gehabt hätten, weil TERI einen Auftrag zu eben diesem Thema akquiriert hätte. Ein Zusammenhang, der an den Haaren herbeigezogen ist, den man aber Verschwörungstheoretikern auch nie wird ausreden können. Weder kann man annehmen, daß sich die Autoren in der entsprechenden Arbeitsgruppe hätten von Pachauri anweisen lassen, was da im IPCC-Bericht stehen soll, noch hätte man annehmen können, daß diese eine Aussage ausschlaggebend für die Auftragsvergabe an TERI war. In dem Sinne wird man sicher noch andere weitgehende Schlußfolgerungen finden, die nur zeigen, was man so alles an den Haaren herbeizerren kann.

Nachtrag: Inzwischen berichtet auch Spiegel Online und - man muß das dazu schreiben, korrekt. Die Leserdiskussion dazu ist, wie üblich, grottig.

Sonntag, 17. Januar 2010

Stehr und von Storch profilieren sich – Nachlese

In einem Beitrag hatte ich mich sehr darüber aufgeregt, daß von Storch zusammen mit einem Kulturwissenschaftler Klimaforscher völlig unfundiert als Antidemokraten beschimpfte, um sich mal wieder als seriöser Wissenschaftler zu profilieren im Gegensatz zu angeblich überpolitisierten Kollegen. Von Storch sieht sich also als der honest broker, der ehrliche Unterhändler, der zwischen Alarmisten und Verharmlosern ausgleichen will. Die Pose ist unglaubwürdig, aber im Blog die Klimazwiebel, der unter anderem von von Storch betrieben wird, wird es zum Motto erhoben. Das ist also ernst gemeint.

Die Wissenschaftlerbeschimpfung wurde auch bei Mathlog und der Klimakrise bemerkt. Mit der Analyse von Auswüchsen beim Blog die Klimazwiebel setzen Georg Hoffmann bei Primaklima und Nils Simon bei die Klimakrise noch eines oben drauf.

Nimmt man sich nur den von Hoffmann kommentierten Artikel der Klimazwiebel vor, dann ergreift einen kaltes Entsetzen. Hier wird nun von seriösen Klimaforschern als Stalinisten geredet. Ab Abiturniveau gehe ich davon aus, daß man weiß, daß man mit Stalinisten die extremistischen Anhänger eines gewissen Stalin meint, der Millionen Menschen durch Konzentrationslager (das GULAG-System), durch provozierte Hungersnöte (z.B. 20er Jahre in der Ukraine) und durch Kriege (Überfall auf das Baltikum, Polen und Finnland, Stalinisierung des Ostblocks nach Weltkriegsende) ermorden und umkommen ließ. Bei dem Ethnologen Werner Krauss darf man das nicht voraussetzen. Zwar nutzt er die Verbiegungen, die in der Leugnerdiskussion über die gehackten Emails der Climate Research Unit erfolgten dazu, seriösen Wissenschaftlern fälschlich zu unterstellen, sie würden lügen wollen um eigener Umweltziele willen (obwohl er in Verlegenheit wäre, sollte er eine einzige Lüge benennen, die durch die Emails zutage getreten wäre), aber in der weiteren Diskussion tut er so, als sei die Benennung dieser Wissenschaftler als den Stalinisten ähnlich etwas, was man tun könne, ohne den GULAG im Hinterkopf zu haben – na so was! Stalinismus ist für ihn die Perversion einer vielleicht guten Idee des Marxismus und bestimmte Klimaforscher würden halt die Daten verbiegen, um Politiker zu überzeugen, was eben schlecht sei, wenn auch die Absichten der Wissenschaftler eigentlich gut seien, wegen Umweltschutz und so. Sagen wir es mal so: Werner Krauss hat es wohl gut gemeint, als er da unbeleckt aller Kenntnis über die relevanten Daten und mit ungerechtfertigten Unterstellungen Wissenschaftler mit extremistischen Massenmördern verglichen hatte, aber er hatte es getan, bleibt dabei und von Storch, der in der Diskussion mitmischte, sah auch keinen Grund, sich davon zu distanzieren oder die Unterstellungen mal gerade zu rücken. Ein „honest brocker“, ein ehrlicher Unterhändler halt.

Im Winter ist es oft kalt

Jedes Jahr im Winter bekommen Leugner des Klimawandels Auftrieb. Denn des öfteren passiert im Winter etwas, was der Winter so an sich hat. Es wird kalt. Es gibt milde und strenge Winter und oft ist es im Winter gleichzeitig in irgendeiner Region eher mild (in der Arktis z.B.) und einer anderen Region eher streng (in den zusammenhängenden USA (ohne Alaska und Hawaii) und Teilen Europas). Zumindest für ein paar Wochen. Leugner picken sich heraus, was ihnen paßt und stricken daraus die Erzählung, die sie gerne hören möchten. Von der angeblichen globalen Abkühlung, die bisher aber niemand gesehen hat. Das passiert anscheinend regelmäßig jeden Winter und dieser ist keine Ausnahme.

Dagegen redet man vergeblich an (z.B. Hansen), denn es geht den Leugnern nicht um Fakten. Deshalb nenne ich sie ja Leugner, nicht etwa, weil mir ihre Ansichten nicht gefallen. Vielmehr wäre ich sehr froh, wenn es der Klimawandel kein Problem darstellen würde.

Woran sieht man aber, daß es keine globale Abkühlung gibt?

Dagegen stehen drei übliche Methoden, um auf die Märchenstunde mit der globalen Abkühlung zu kommen:

90% der globalen Erwärmung gehen in die Erwärmung der Ozeane, in den Rest teilen sich unter anderem die Erwärmung der Luft, der Anstieg der globalen Luftfeuchte und das Abschmelzen von Gletschereis und polarem Eis. Eine Änderung der Meeresströmungen, durch die, wie beim El Nino, verstärkt wärmere Meeresströmungen an die Oberfläche führen, können daher leicht die globale Temperatur schwanken lassen, obwohl die globale Erwärmung durch den Anstieg der Treibhausgase recht konstant voranschreitet.

Das im einzelnen über Messungen und eine Analyse der globalen Daten für jede einzelne Schwankung der globalen Temperaturen nachzuvollziehen, ist aber schwierig. Der Wissenschaftler Kevin Trenberth von NCAR hatte daher in einer Email von einer Travestie gesprochen, daß man solche globalen Temperaturschwankungen wie etwa die Abkühlung 2008 nicht genügend über die vorhanden Daten und das Wärmebudget der Erde erklären könne. Diese Email gehört zu den gehackten Emails der Climate Research Unit und diese Aussage von Trenberth wurde von Leugnern so interpretiert, als wäre hier von Schwierigkeiten die Rede, eine globale Abkühlung wegzuerklären. Bei skepticalscience kann man sich den Zusammenhang erklären lassen.

Auch wenn wir in Deutschland dieses Jahr schon recht viel Schnee gesehen haben, die globale Erwärmung schreitet ungebremst voran.