Mittwoch, 30. Dezember 2009

Klimaforscher als Antidemokraten – oder nur der übliche Schmutz- und Schundjournalismus?

Man ist von Medien ja vieles an miesem, geldgeilen Schmutzjournalismus gewohnt. Schlecht recherchierte Machwerke, in denen mit Unterstellungen und Verallgemeinerungen Schlagzeilen für das schnelle Geld produziert werden. Ob man dabei Rufmord betreibt, ist den Schmieranten völlig egal. Besonders schlimm wird es, wenn sich mediengeile Wissenschaftler für so etwas hergeben. Hans von Storch ist mir schon wiederholt dabei aufgefallen, daß er gerne Kollegen an den Pranger stellt und sich selbst die Rüstung des weißen Ritters anzieht, der für Wahrheit und Integrität in der Wissenschaft kämpft, eine Pose, die immer weniger paßt, je häufiger er sich für billige Schlagzeilen hergibt. Mal dumm gefragt, läuft es mit seiner wissenschaftlichen Arbeit nicht, daß er jeden Monat in Spiegel Online wieder Kollegen vor das Schienbein tritt? Aber Verzeihung für diese platte Polemik, schauen wir doch mal nach, was der Mann zusammen mit dem Kulturwissenschaftler Nico Stehr, die laut Spiegel Online angeblich die „renommiertesten deutschen Wissenschaftler auf ihrem Gebiet“ sind, geschrieben hat.

Die Schlagzeile ist üblicherweise vom (unbekannten) Spiegeljournalisten entworfen. Da steht: "Wenn Forschern die Demokratie lästig wird". Also: allen, vielen oder den meisten Forschern ist die Demokratie lästig. Das macht ja gleich Angst – diese bösen faschistischen Klimaforscher! Das ist keine Übertreibung, sondern da steht: „Die Demokratie scheint in der Forschung unantastbar zu sein. (…) Auf dem Feld der Klimaforschung und Klimapolitik aber kann man das Gegenteil beobachten (…) es ist die lästige Demokratie, die als Schuldige ausgemacht wird.“ Hat man eine Umfrage unter allen Klimaforschern gemacht oder gibt es ein faschistisches Manifest der American Geophysical Union? Aber nein, passiert ist vielmehr folgendes. Ein gewisser David Shearman und ein gewisser Joseph Wayne Smith haben 2007 in ihrem Buch „The Climate Change Challenge and the Failure of Democracy“ die Unfähigkeit demokratischer Staaten diskutiert, auf die globale Bedrohung durch den Klimawandel angemessen zu reagieren. Nun, da gibt es gleich die erste Überraschung. David Shearman ist gar kein Klimaforscher. Er ist Arzt und Sprecher der australischen Organisation Doctors for the Environment Australia (Doktoren für die Umwelt, Australien). Und das angesprochene Buch ist 2007 erschienen. Warum also jetzt der Artikel? Vielleicht, weil ganz auf die Schnelle ein billiger Aufhänger gebraucht wurde, um mit Bezug zu Kopenhagen auf Klimaforscher einzudreschen? Um keinen Zweifel aufkommen zu lassen, was Shearman denkt, ist wirklich bedenklich, denn er meint, daß liberale Demokratien, wie die USA, nicht fähig wären, auf drastische Bedrohungen der Gesundheit und Umwelt zu Lasten von Unternehmen und Banken entschiedene Maßnahmen zu treffen, während Diktaturen wie China das könnten. Daher müßte über Alternativen zu der herkömmlichen Demokratie nachgedacht werden, um etwa für besondere gesellschaftliche Risiken Entscheidungen zentral zu treffen. Das ist meiner Meinung nach naiv und bedenklich – und es unterschätzt die Möglichkeiten, die Demokratien haben, auf besondere Gefahren zu reagieren. Diktaturen wie China sind definitiv kein Vorbild für die Welt, denn was als schnelle Maßnahmen daherkommt, ist oft auch menschenverachtend und korruptionsanfällig. Aber, Shearman ist kein Klimaforscher – Punkt!

Ist denn wenigstens Joseph Wayne Smith ein Klimaforscher? Nein, er hat in Adelaide in Philosophie promoviert und arbeitet unter anderem als Professor an der Juristischen Hochschule der Universität Adelaide. Also, irgendwelche zwei Personen haben etwas vor zwei Jahren geschrieben und deshalb dürfen jetzt von Storch und Stehr „die“ Klimaforscher totalitärer Bestrebungen verdächtigen? Das ganze wird ja noch weitergetrieben, indem einfach Namen reingeworfen werden. Schellnhuber, Lovelock und Hansen tauchen auf. Keiner von den dreien hat je öffentlich gefordert, wir sollten unsere Demokratie aufgeben. Aber da haben wir nun irgendein Buch, das mal geschrieben wurde, und jetzt schauen Stehr und von Storch, wie sie Zitate fischen können, um Unterstellungen verbreiten zu können. Schellnhuber hat mal was von "große Transformation" geschrieben. Ja, das paßt schon. Obwohl was ganz anderes gemeint war, aber wir haben ja den Kontext nicht mehr zur Hand, richtig? Lovelock spricht vom Klimawandel als einer Herausforderung wie bei einem Krieg, und fordert entsprechende nationale Anstrengungen. Ich habe seine Bücher auch gelesen, aber daß er fordert, die Demokratie abzuschaffen, das ist mir völlig neu. Und Hansen hat nun wirklich nichts in der Richtung geschrieben. Aber schön, wenn man im Vorbeigehen bei drei Kollegen Rufmord verüben kann, denn was anderes ist die Schmiererei von Stehr und von Storch nicht. Eine Schülerzeitung hätte so etwas schon mal deswegen abgelehnt, aber bei Spiegel Online darf es ein Millionenpublikum lesen. Altväterlich zählen die beiden Männer dann eine Analyse in sieben Punkten auf, warum „die“ Klimaforscher der Versuchung „China“ erliegen, wobei sie, wie gesagt, keinen einzigen Klimaforscher angeben können, bei dem das der Fall wäre, und empfehlen dann, aus der Geschichte zu lernen und nicht der totalitären Versuchung zu erliegen. Wobei sich dieser Rat wohl nur an sie selber, einen emiritierten Professor der Medizin und einen Philosophieprofessor richten kann.

Von Storch ist niemand, dem man noch eine Unschuldsvermutung zubilligen könnte. Ich habe schon früher seine Aktivitäten kommentiert. Es fügt sich da ein Puzzle zusammen, dessen Resultat ist, daß hier jemand wiederholt Kollegen ans Schienbein tritt, um sich selbst in Szene zu setzen. Von Storch, wie er gerne gesehen wird: als der unparteiische, integre, skeptische Wissenschaftler, der väterlich seine Kollegen davor warnt, dem Alarmismus und den Versuchungen der Niederungen der Politik zu verfallen. Da kommt mir langsam das Kotzen vor soviel Überheblichkeit, Heuchelei und Niedertracht, die ich da sehe. Und dem gibt man in einem bekannten Nachrichtenmagazin unkorrigiert Raum, so lange nur kontroverse Schlagzeilen für Auflage und Einnahmen sorgen. Liebe Leser, meidet solchen Schund und meidet Wissenschaftler, die mit Schmutz werfen.

Dienstag, 29. Dezember 2009

Wieder ein Jahr mehr

Nur ein kurzer Hinweis. Auf Real Climate wurde heute die Zeitreihe um das Jahr 2009 verlängert für den Vergleich von Modellprojektionen und gemessenen Daten. Wie gut stimmen die Modellergebnisse der Modelle, die in den 4. IPCC-Bericht eingingen, mit den globalen Temperaturdaten überein, wie sie beim Goddard Institute for Space Studies GISS zusammengetragen werden? Das Schaubild zeigt es.

Bei Real Climate kann man sich außerdem den Vergleich für den Wärmegehalt der oberen Ozeanschichten anschauen und den Vergleich mit der Modellprojektion von Hansen und seinen Mitarbeitern, die 1988 publiziert wurde und nunmehr über ein Vierteljahrhundert eine Vorhersage darstellt.

Es ist erstaunlich, wie gut schon 1988 die Entwicklung des Klimas dargestellt wurde mit einem Modell, das den heutigen an Komplexität weit unterlegen ist. So langsam kann man auch mit Signifikanz feststellen, daß das alte GISS-Modell von 1988 eine zu hohe Sensitivität von 4,2 Grad Erwärmung je Verdopplung von CO2 zeigte gegenüber einem besseren Fit an die gemessenen Daten von vielleicht 3,5 für die letzten 25 Jahre. Die heutigen Modell zeigen im Mittel eine Sensitivität um 3 Grad. Angesichts der Fehler liegt das alles aber ziemlich nah beieinander. Viel wichtiger ist folgendes: die sogenannten Skeptiker, die von einer viel niedrigeren Klimasensitivität ausgehen, können sich durch die letzten Jahrzehnte nicht bestätigt fühlen. Jemand wie Lindzen beschreibt ein Klima, das nicht das der Erde ist. Und die Leugner, die meinen, es gäbe keinen Treibhauseffekt oder es würde derzeit global kühler, liegen nach wie vor jenseits aller Realität.

Weiteres sollte man sich bei RealClimate anschauen, als Aktualisierung dieses Beitrags. Und zum Thema Prognose und reale Entwicklung empfehle ich gleich noch einen Besuch bei Tamino.

Montag, 28. Dezember 2009

Der Skandal, der keiner war

Vor mehr als einem Monat nun gab es einige Aufregung darum, daß ein Hacker Emails von der University of East Anglia gestohlen hatte (in den Blogs als Climategate gehandelt). Und der Grund dafür, daß ich das noch mal aufwärme, ist, daß es nun eine Sammlung von Links dazu gibt und langsam ein Hintergrund dazu klarer wird - doch das am Schluß. Das seltsame an der Geschichte war, daß nicht etwa der Diebstahl der Post als Skandal gewertet wurde, sondern das, was man da in der Privatpost nachlesen konnte. Gar nicht seltsam, sondern symptomatisch für das fehlende Logikverständnis der Leugnergemeinde ist, welche Schlüsse aus der Email gezogen wurden. Unser Verständnis der globalen Erwärmung ist das Ergebnis publizierter wissenschaftlicher Forschung. Wenn da irgendetwas falsch oder fabriziert wäre, würde das in den Fehlern publizierter Artikel ersichtlich sein. Es ist aber noch niemand auf die Idee gekommen, anhand der gehackten Emails irgendein Forschungsergebnis anzufechten. Genau dieses macht deutlich, daß es auch hier um das gleiche geht, um das es schon bei früheren sogenannten Skandalen gegangen war: Leugner können keine fachlichen Argumente gegen den Stand der wissenschaftlichen Forschung vorbringen, nach dem die von Menschen verursachten Emissionen von Treibhausgasen zwangsläufig das globale Klima erheblich ändern müssen und wir bereits Anzeichen dafür sehen. Deshalb werden Verschwörungstheorien verbreitet von datenfälschenden Wissenschaftlern und Wetterdiensten und es werden Menschen angegriffen und als unglaubwürdig dargestellt, statt sich mit den Fakten zu beschäftigen.

Es wäre sinnlos, zu fragen, was denn an den Emails tatsächlich auf Fehlverhalten einzelner Personen deuten würde, aus folgenden Gründen:
1. Den Leugnern ist völlig egal, was wahr ist und was falsch oder wie signifikant etwas für die Grundfeststellungen zum Klimawandel ist. Worüber also soll man hier argumentieren?
2. Gestohlene Briefe oder Emails dürfen grundsätzlich keine Argumentationsbasis sein. Wir haben die Forschungsartikel und die Daten und brauchen gar nicht über irgendetwas anderes zu diskutieren.
3. Emails stehen zwischen gesprochenem Wort und Briefen. Sie sind oft salopp formuliert und daher können sie nur in einem Kontext bewertet werden. Eine gehackte willkürliche Sammlung irgendwelcher Emails kann diesen Kontext nicht immer liefern. Vor allem aber wird ein Verschwörungstheoretiker den Kontext in seinem Kopf herstellen und darüber läßt sich sowieso nicht argumentieren.

Um Beispiele dafür zu geben, wie unergiebig die Emails sind, einige bekannte Beispiele:

In einer Email tauchte das Wort Trick in Bezug auf die globale Temperaturzeitreihe auf, die aufgrund von Baumringdichtedaten erzeugt wurde. Der Hintergrund ist, daß die Korrelation zwischen Temperatur und Baumringdichte, wie hinreichend publiziert und bekannt, aufgrund des menschlichen Einflusses in den letzten Jahrzehnten zusammenbricht. Warum genau, ist noch ein Forschungsthema. Das ist an sich kein Problem, da ja für diesen Zeitraum genügend gemessene Temperaturen vorliegen. Man kann daher die rekonstruierte Temperaturzeitreihe und die gemessene Zeitreihe überlagern, um eine realistische Zeitreihe herzustellen. Das kann man Trick nennen, wenn man will. Und das Problem damit ist...? Kann kein Mensch sagen, aber anscheinend ist das Wort Trick irgendwie böse... Weitere Details dazu hier.

In anderen Emails geht es darum, Leute die aus politischen Gründen wissenschaftliche Ergebnisse verfälschen wollen, aus dem IPCC-Bericht rauszuhalten. Das ist zum einen nur unterstützenswert (auch wenn einige Wissenschaftler anscheinend es für verwerflich halten, wenn man schlechte Wissenschaft unterdrücken will – was war deren Job noch mal?), zum anderen grundsätzlich zum Mißerfolg verdammt. An den Diskussionen zu den IPCC-Berichten sind so viele Menschen beteiligt, daß es aussichtslos ist, irgendetwas, was mit der Klimaforschung zu tun hat, aus den Berichten rauszuhalten, wenn man nicht nachweisen kann, daß es wirklich absolut falsch ist. Zum Beispiel findet man selbstverständlich im 2. Kapitel des Berichtes der Arbeitsgruppe 1 auch einen Verweis auf die Theorie, daß kosmische galaktische Strahlung einen signifikanten Einfluß auf das Klima hätte. (Zitat: „Least certain, and under ongoing debate as discussed in the TAR, are indirect effects induced by galactic cosmic rays (e.g., Marsh and Svensmark, 2000a,b; Kristjánsson et al., 2002; Sun and Bradley, 2002).“) Was in den Emails stand ist, was man sich nach all der Frustration mit schlechter Wissenschaft wünscht, aber das ist noch nicht das, was dann wirklich geschieht. Ein umfassender Kommentar ist hier.

Im Grunde ist jeder weitere Abschnitt dazu verschwendet. Trotz der völligen Bedeutungslosigkeit der Emails für die wissenschaftliche Diskussion gab es eine Vielzahl von Blogbeiträgen und gar Medienbeiträgen dazu. Kommentare dazu findet man von Betroffenen, von nicht Betroffenen, hier, hier zur Reputation von Phil Jones, dessen Emails gestohlen wurden oder hier Hansens Kommentar. Hier findet man eine Mutmaßung, hinter der ganzen Diskussion über Emails steckte eigentlich nur, daß Leugner des Klimawandels Google beeinflussen wollen, so daß man bei Stichwortsuchen zum Klimawandel fast nur Leugnerseiten findet. Ein anderer meint, daß den Leugnern mit mehr Verstand klar ist, daß die Emailgeschichte zurückfeuern könnte, weil die Leugner des Klimawandels damit zu offensichtlich sich selbst als Verschwörungstheoretiker darstellen und in einem Topf mit Leuten landen könnten, die die Mondlandung leugnen oder den Zusammensturz des World Trade Centers als Sprengung durch das CIA darstellen (was definitiv realistisch beschreibt, in welchen Zusammenhang Leugner des menschengemachten Klimawandels gehören). Ein Beispiel dafür, wie die Emails für Verschwörungstheorien mißbraucht werden, wird hier diskutiert.

Eine umfassende Seite zum Thema ist hier.

Eine Seite die aktuelle Meldungen dazu sammelt, ist hier.

Hier wird erläutert, daß der Begriff Climategate im Web viel stärker diskutiert wird als in den Medien und dazu die Vermutung geäußert, daß das nur für die Schreiber, nicht für die Leser gilt, es also zeigt, daß im Web vor allem Schreiber die Leser unbedingt ihre Version glauben lassen wollen.

Weiterführende Links gibt es noch hier.

Und einen sehr sarkastischen Beitrag auf deutsch hier.

Was aber steckt nun eigentlich dahinter? Auffällig war der Zeitpunkt der Veröffentlichung der gehackten Emails kurz vor der Klimakonferenz. Es war wohl ein kalkuliertes Störmanöver. Und wenn schon von Verschwörungstheorien die Rede ist, warum nicht die Idee, daß die gleiche chinesische Seite, die die Klimagespräche in Kopenhagen nach Zeugenaussage sabotiert hatten, auch dafür gesorgt hatten, daß im Vorfeld ein Aufruhr erzeugt wurde? Das behauptet jedenfalls eine britische Zeitung. Ob es stimmt? Das werden wir nicht herausfinden, und eigentlich ist es auch nicht übermäßig wichtig.

Freitag, 25. Dezember 2009

Warum hat China die Klimakonferenz in Kopenhagen sabotiert?

Der britische Journalist Mark Lynas war zugleich Mitglied der britischen Delegation bei der Klimakonferenz in Kopenhagen. Nach seiner Darstellung wurde die Klimakonferenz von China sabotiert. In zwei Wochen, in denen keine Fortschritte erzielt wurden, hätten vor allem Einsprüche von chinesischer Seite Vereinbarungen verhindert. Dabei hätte es die chinesische Seite verstanden, über die Bande zu spielen, indem Verbündete vorgeschickt wurden, wie etwa der Sudan.

Die Folge war, daß die Schlußrunde entscheidend wurde, in der die Führer der jeweiligen Nationen unter Zeitdruck versuchten, ein Konferenzergebnis zu erzielen. In Kopenhagen war zwar auch Wen Jinbao, aber auch in der Schlußrunde wurde von chinesischer Seite nur ein nachrangiger Diplomat geschickt, der gar nicht in der Lage war, selbst bindende Beschlüsse herbeizuführen und daher wiederholt in den Gang mußte, um Rücksprache mit der Führung zu halten. Mit Frustration mußten die Führer der Industriestaaten hinnehmen, daß ihnen noch nicht mal gestattet wurde, in das Konferenzergebnis ihre Selbstverpflichtungen zu 80% Emissionskürzungen hineinzuschreiben.

Der Eindruck war, daß China ausnutzte, daß nur die freien Staaten sich unter Druck sahen, zu einem Konferenzergebnis zu kommen und dieser Druck ausgenutzt wurde, um sämtliche Konzessionen der entwickelten Staaten einzufordern. Da die destruktive Haltung Chinas eigentlich bei den Verhandlungen unter Ausschluß der Öffentlichkeit zum Tragen kam, ergab sich zum Vorteil Chinas das Bild, daß das Scheitern vor allem westlichen Staaten und insbesondere den USA angelastet wurde, auf die sich in der Folge der Konferenz Umweltgruppen und Kommentatoren einschossen.

Doch was hatte China getrieben, die Konferenz zu sabotieren? China hat im Grunde ein Janusgesicht. Einerseits wäre China einer der Hauptleidtragenden des Klimawandels. Der Verlust des Wasserspeichers im Himalaya und die Ausbreitung von Wüsten in Zentralchina würde das Land von Nahrungsmittelimporten extrem abhängig machen und könnte Wassermangel und Hungersnöte erzeugen. China ist daher auch einer der Staaten, die sich, gemessen an ihren Möglichkeiten und der Ausgangsposition, in den letzten Jahren besonders entwickelt haben. Es bestehen ehrgeizige Projekte zur Effizienzsteigerung und zur Ausnutzung regenerativer Energieformen – zum Beispiel die Marktführerschaft bei der Herstellung von Solarzellen und die höchsten Zuwächse bei der Aufstellung von Windkraftanlagen. Dies alles erfolgt ohne Druck einer öffentlichen Meinung in China – die gibt es nicht - , sondern als rationales Kalkül einer Staatsführung, die ein Programm zur Erlangung globaler Dominanz hat, bei dem auch die Sicherung der Lebensgrundlagen Chinas eine Rolle spielt.

Und damit erkennt man das zweite Gesicht. Als Staat mit einem Streben nach Weltmachtstatus liegt dem Land viel daran, zum einen westliche Staaten auf internationaler Bühne vorzuführen, um sie zu schwächen und eigene Stärke zu demonstrieren. Wenn westliche Staaten sich unter Druck setzen, daß etwa eine Konferenz zu einem Ergebnis zu kommen habe, um die öffentliche Meinung zu befriedigen und eigene Wiederwahlchancen zu verbessern, wird dies natürlich von einer Diktatur ausgenutzt, für die ethische Prinzipien keine Rolle spielen. China hat ein großes Interesse daran, daß es keine internationalen Vorgaben gibt und vor allem keinen internationalen Überwachungsmechanismus, der China vorgeben würde, wie es sich weiter zu entwickeln hat. China will nach eigenem Ermessen seine Wirtschaft fördern (notfalls auf Kosten aller anderen), um globale Dominanz zu erringen und nur in diesem Rahmen dann auch den Umweltschutz fördern, um seine Lebensgrundlagen zu sichern. Letztlich ist China eine Kleptokratie, in der eine begrenzte Oberschicht Zugriff auf alle Ressourcen und die Macht hat, der es egal ist, wie es der Unterschicht geht und ob diese an Umweltproblemen leidet, wenn nicht am Ende der Machterhalt gewisse Zugeständnisse erforderlich macht. Dieses völlige Fehlen ethischer Maßstäbe macht aktuell vielleicht die Verurteilung von Liu Xiaobo zu 11 Jahren Haft deutlich, dessen „Verbrechen“ darin bestand, in mehreren Schriften Demokratie und Meinungsfreiheit zu fordern. Die öffentliche Meinung dazu in der freien Welt ist den Herrschenden in China völlig egal, da sie keine Sanktionen zu fürchten haben. Es tritt ja auch keiner den westlichen Firmen auf die Füße und hinterfragt deren Entscheidung, mit China zu handeln und in China zu produzieren, obwohl alles dies eine wirtschaftliche Supermacht heranzüchtet, deren Führung keinen Druck der eigenen öffentlichen Meinung zu fürchten hat, sich nicht an ethische Grundsätze gebunden fühlt und traditionell nur in Machtkategorien denkt, nach denen der entscheidet, der Macht besitzt und sie einsetzt.

Die chinesische Obstruktion bedeutet also nicht, daß China nichts gegen den Klimawandel tun will. Aber China will nicht durch internationale Verpflichtungen gebunden sein. Und die öffentliche Meinung im Westen tut China dabei anscheinend noch den Gefallen, den schwarzen Peter dafür den eigenen Regierungen zuzuschieben, wenn Dänemarks Ministerpräsident Rasmussen schlechte Konferenzführung, Merkel Versagen als Klimakanzlerin oder Obama substanzlose Sprücheklopferei vorgeworfen werden. Vorzuwerfen wäre den freien Ländern etwas ganz anderes: daß sie sich von China gegeneinander ausspielen lassen und daß sie sich nicht untereinander einig werden, bevor sie mit den Diktaturen reden, die ohne Erfolgszwang in internationale Konferenzen gehen, wie China oder Rußland.

Sonntag, 20. Dezember 2009

Klimagipfel in Kopenhagen – sind wir überrascht?

Wenn ich die Frage schon so stelle, natürlich nicht. Der Klimagipfel war dazu verurteilt, genau die Ergebnisse zu bringen, die er erbracht hat. Voraussetzung für den Erfolg eines solchen Gipfels ist, dass alle Beteiligten eine Interesse an Ergebnissen haben. Es sind aber mehrere Akteure in den Gipfel hineingegangen, die ein Ergebnis explizit nicht wünschen konnten.

Die USA konnten ein Ergebnis nicht wünschen, weil die Binnenverhältnisse das gar nicht zulassen. Die Amerikaner sehen die Dringlichkeit einer Bekämpfung des Klimawandels nicht. Zwar hält trotz einer massiven Desinformationskampagne in den amerikanischen Medien die Mehrheit der Amerikaner den Klimawandel für ein Problem und Maßnahmen dagegen für erforderlich. Aber sie gewichten andere Probleme wie Gesundheitsreform und Finanzkrise deutlich höher. Und die Minderheit, die nicht an einen menschengemachten Klimawandel glaubt, ist immerhin stark genug, bei Wahlen eine entscheidende Rolle zu spielen. Daher kann eine amerikanische Regierung nicht die Maßnahmen beschließen, die eigentlich erforderlich wären: eine massive Verteuerung der Energiepreise in den USA. Denn billige Energie in den USA ist der entscheidende Grund, warum Amerikaner doppelt so viel Energie und doppelt so viele CO2-Emissionen brauchen, um den gleichen Lebensstandard zu erreichen wie in reichen europäischen Ländern. Mit unserer perversen Braunkohleverbrennung brauchen wir uns in Deutschland zwar nichts einzubilden, aber in Europa und den USA stehen sich zwei komplett verschiedene Lebenskonzepte gegenüber, die bis auf weiteres nicht vereinbar sind. Jeder Präsident, jedes Parlament, dass den Amerikanern verordnete, dass die Benzinpreise verdoppelt werden müssen, könnte gleich zurücktreten, denn darauf würde es hinauslaufen. Wer an die Marktwirtschaft glaubt, der muss auch einsehen, dass billige Energie und Energieeinsparung sich widersprechende Ziele sind. Wie Nachrichten aus einem Paralleluniversum kommen einem dabei die Reaktionen in den USA vor, in denen Obama Führungsstärke unterstellt wird oder behauptet wird, es wäre ein Durchbruch erzielt worden.

Doch auch mit China, dem anderen größten Emittenten, war ein brauchbares Ergebnis nicht zu machen. China konnte grundsätzlich nicht zustimmen, dass international Emissionen in China überwacht werden. Es wäre nur eine von vielen Zumutungen, die diese Diktatur nicht akzeptieren kann. Überwachung der Menschenrechtssituation, Überwachung der Aufrüstungspolitik, Überwachung von Lohndumping und menschlichen Arbeitsbedingungen, Überwachung der Umweltpolitik? Alles Felder, in denen China, und andere Diktaturen, Wert darauf legen, die Karte der Souveränität auszuspielen, weil Interessen der eigenen Oberschicht geschützt werden müssen – Machtinteressen oder finanzielle Interessen.

Es gibt Kritik, die ziemlich an der Realität vorbeigeht. Merkel hätte als „Klimakanzlerin“ versagt. Wie bitte? Was hätte sie denn an den Realitäten in den USA, in China, in Indien, in den arabischen Staaten oder in Rußland ändern können? Der andere Vorwurf: Die EU hätte den Entwicklungsgeldern mehr Geld zusagen sollen und gleich eine Reduktion der Emissionen statt um 20% auf 30% zusagen sollen. Was hätte das gebracht, wenn schon jetzt ein Resultat ist, daß die USA nur ein Drittel der Finanzierungszusage der EU oder Japans macht? Man bringt die Amerikaner nicht ins Spiel, wenn man ihnen zu verstehen gibt, daß man ihre Pflichten gleich mit übernimmt. Im Gegenteil, dann werden sie sich erst recht zurücklehnen und andere machen lassen. Es ist besser, wenn nach wie die EU in der Position sind, daß sie ihren Teil an der Milderung des Klimawandels aufstocken können. Insofern stimmt es schon, daß wir unsere Hoffnungen auf die Vorbereitungskonferenz im Juni in Bonn und den nächsten Gipfel in Mexiko setzen müssen. Die EU allein sind nicht in der Lage, am Klimawandel etwas zu ändern. Vielmehr müßen zugleich auch Rußland, die USA, Kanada, Australien, Japan Korea, China, Indien, Brasilien, Mexiko, Indonesien und der Iran ihre Emissionen massiv begrenzen. Und selbst das wird auf Dauer noch nicht reichen, da nach und nach viele weitere Länder in die Rolle großer Emittenten wachsen können.

Wie weit der Weg noch ist, den wir gehen müssen, zeigt deutlich der Climate Action Tracker (auf den ich durch einen Beitrag bei der Klimalounge aufmerksam wurde). Das Gebiet zwischen durchgezogener und gestrichelter schwarzer Kurve ist das Gebiet, in das die Emissionen von CO2 hineinfallen müssen, damit die globale Temperatur unter 2 Grad Celsius bleibt (die gestrichelte Linie gehört zum 1,5 Grad-Ziel, aber man sollte im Hinterkopf behalten, daß auch bei den niedrigeren Emissionen eine gewisse Chance besteht, daß die Temperatur doch um mehr als 2 Grad ansteigt, da diese Aussagen immer einen Unsicherheitsbereich haben). Das Gebiet zwischen grauer und roter Kurve zeigt an, wie weit wir uns durch die Ergebnisse des Kopenhagener Gipfels nach subjektiver Einschätzung mit den Emissionen auf ein wünschenswertes Szenario zu bewegt haben – nicht viel. Nach Einschätzung der Betreiber dieser Seite streben wir auch nach dem Gipfel eine globale Erwärmung von 3,5+0,8-0,7 Grad Celsius bis 2100 an – und entsprechend mehr danach. Es gibt übrigens weitere ähnliche Seiten, die zu etwas anderen, aber im Prinzip gleichen Ergebnissen kommen.

PS.: Eine sehr kurze Zusammenfassung der Ergebnisse der Klimakonferenz von Kopenhagen findet man unter anderem hier. Viele sagen dazu ja, besser ein schlechter Kompromiß als gar kein Ergebnis. Ich sage mal dazu: virtuell nicht unterscheidbar von keinem Ergebnis. Aber es war schön, mal darüber gesprochen zu haben...