Donnerstag, 12. Februar 2009

Zombies in der Klimadiskussion

Die Diskussion über die globale Erwärmung ist leider keine gewöhnliche wissenschaftliche Debatte. Die ist, wie ich gelegentlich anmerke, im Grundsatz vorüber, da sie Wurzeln im 19. Jahrhundert hat, und mit einigen guten Experimenten und theoretischen Herleitungen seit den 50er Jahren bis ca. den 80er Jahren die Grundsatzfragen gelöst hatte. Seither ist die Karawane weiter gewandert und beschäftigt sich nun mit Wolken und Aerosol, mit Regionalvorhersagen, Meeresströmungen und der Dynamik von Eisschilden und vor allem der Klimafolgenforschung. In diesem Prozess erschlagene Thesen tauchen aber in den Blogs und Zeitungen und in der politischen Debatte als Zombies wieder auf. Wie jeder weiß, kann man Zombies nicht töten, außer man zerschmettert ihre Schädel. Nur die Klimathesenzombies haben keine reale Gestalt und sind daher wirklich unsterblich.

Was ich Zombies nenne, das sind fehlerhafte Behauptungen zum Klimageschehen, die trotz Widerlegung immer wieder neu vorgebracht werden. Diese fallen in mehrere Kategorien:

  • Unwissenschaftlich
  • Falsch
  • Irreführend
  • Unüberprüfbar
  • Außenseitertheorien

Unwissenschaftlich sind z.B. Verschwörungstheorien darüber, daß die Wissenschaftler die menschengemachte globale Erwärmung nur behaupten würden, weil sie Forschungsgelder einstreichen wollten. Das ist zum einen kein Argument zur Wissenschaft und zum anderen auch logisch falsch, denn Wissenschaftler, selbst wenn sie komplett von Drittmitteln abhängen, generieren Forschungsgelder nicht durch Panikmache der Öffentlichkeit, die selbst nicht über Drittmittelprojekte entscheidet, sondern indem sie anderen Wissenschaftlern einen Projektentwurf vorlegen, der Aussicht darauf hat, zu neuen, nützlichen Erkenntnissen zu kommen.

Falsch ist falsch, aber hier gibt es Varianten. Rechnerisch falsch sind Aussagen, die eine globale Abkühlung behaupten. Eine lineare Regression hat ein eindeutiges Ergebnis und es gibt anerkannte Tests dafür, wie viel Daten man braucht, damit der gefundene Trend auch signifikant ist. Eine Rechnung, die aktuell einen statistisch signifikanten Trend zur globalen Abkühlung ergeben würde, hätte eine wesentliche Eigenschaft: sie wäre rechnerisch falsch.
Falsch sind aber auch Aussagen, die auf falschen Prämissen gründen. Etwa Behauptungen, man könne den Treibhauseffekt widerlegen. Das ist ungefähr so unmöglich, wie die Existenz eines Perpetuum Mobiles zu beweisen, trotzdem finden sich massenhaft Liebhaber, die das eine oder das andere versuchen. Falsche Prämissen gibt es dabei etliche:

  • Der Treibhauseffekt würde darauf beruhen, daß IR-aktive Gase Strahlung reflektieren. Nein, das würde kein Experte behaupten.
  • Der Treibhauseffekt würde den 2. Hauptsatz der Thermodynamik verletzen, weil er verlangt, daß eine kältere Atmosphäre einen wärmeren Boden erwärmt. Nein, das ist nicht Teil der Theorie. Die Sonne erwärmt den Boden, von dem aus wird die Wärme über Verdunstung, Konvektion und Strahlung in die Atmosphäre transportiert. Diese sorgt dann für das Strahlungsgleichgewicht mit der Sonne. Und weil die Gasgesetze dafür sorgen, daß die Temperatur in der unteren Atmosphäre mit steigender Höhe abnimmt, wird das Strahlungsgleichgewicht nur indirekt mit dem Boden, aber direkt mit der kälteren Atmosphäre hergestellt. Und das zieht die Temperatur am Boden auf ein höheres Niveau.
  • Der Treibhauseffekt wäre bereits in der Sättigung, weil die CO2-Emissionslinien gesättigt seien. Das Problem ist hier, daß Messungen bei Bodendruck hier wenig erhellen, denn derzeit geht es darum, ob die CO2-Emissionslinien in der oberen Troposphäre gesättigt sind. Das sind sie nicht, da hier die verbliebene CO2-Säule bis zum oberen Rand der Atmosphäre deutlich dünner ist, die Druckverbreiterung der CO2-Linien geringer und bei hoch aufgelöster Betrachtung ohnehin die Flanken der Absorptionslinien weit von einer Sättigung entfernt sind.
  • Der Treibhauseffekt ist auch nicht nur eine Theorie, sondern man kann ihn sehen, hier zum Beispiel.

Irreführend sind Aussagen, die für sich vielleicht richtig sind, aber in einen falschen Zusammenhang gebracht werden. Oft ist das verbunden mit einem Strohmannangriff. Zum Beispiel könnte man hier die Projektionen der Klimamodelle für 2100 mit Vorhersagen verwechseln und, noch schlimmer, linear in die Gegenwart interpolieren. Wenn man dann den aktuellen Klimatrend mit der linearen Projektion vergleicht, wird man sicher starke Abweichungen finden. Schaut man aber in die Literatur, sollte einem auffallen, daß die globale Temperatur in den Projektionen erst sanft und dann steiler ansteigt. Kein Wunder, der Antrieb dafür ist das, was man Klimaantrieb nennt, die Differenz des aktuellen Klimas zum Gleichgewichtsklima, und das hängt vom Strahlungsantrieb ab, der von der Menge an Treibhausgasen in der Atmosphäre bestimmt wird. Diese Menge steigt, aufgrund wachsender Emissionsraten derzeit beschleunigt. Also wird auch der Temperaturanstieg diesem Klimaantrieb folgen und eine Beschleunigung zeigen.
Irreführend sind auch Aussagen, die ungleiches vergleichen. Das Klima z.B. erhält man erst aus der Mittelung von Wetter. Die Variation der globalen Temperatur über Monate oder zwischen einzelnen Jahren ist globales Wetter. Der Vergleich von Modellergebnissen, die zu globalen Trends geglättet wurden mit dem globalen Wetter, ist ein Vergleich von ungleichen Dingen. Erst, wenn man das globale Wetter vergleichbar geglättet hat, kann man den Vergleich durchführen.
Irreführend sind auch Aussagen, die sich darauf beziehen, was in der fernen Vergangenheit zu Klimaänderungen geführt hat. Da das Klima von vielen Einflussfaktoren abhängt, werden alle diese Einflussfaktoren auf den jeweilig angemessenen Zeitskalen das Klima geändert haben. Heutzutage sind aber menschliche Treibhausgasemissionen zu berücksichtigen. Die konnte es vor dem 20. Jahrhundert nicht als dominierenden Faktor geben. Neben menschlichen Faktoren wird es auch weiter natürliche Faktoren geben, die auch bei den Klimaprojektionen berücksichtigt werden. Aussage von Leugnern: „Die Sonne macht das Klima.“ Übliche Reaktion der Klimaforschung: „Wissen wir. Steckt auch in den Modellen drin. Und?“

Unüberprüfbar sind Aussagen, die sich dem Experiment oder der abschließenden Bewertung entziehen, weil z.B. die Aussagen zu vage sind oder unerfüllbare Anforderungen stellen. Man kann z.B. nie beweisen, daß ein Modell völlig korrekt ist. Das wird auch nie von einem Modell verlangt. Es soll die bekannten Kenntnisse enthalten und hinreichend valide Ergebnisse geben. Was hinreichend ist, hängt von den Anforderungen ab, die im Laufe der Zeit wachsen, aber auch ihren Fokus ändern. Unüberprüfbar sind auch Aussagen, die nicht quantifizierbar sind. Z.B. mittelalterliche Aufzeichnungen darüber, wie das Wetter war, lassen sich nur schwer in Temperaturen übersetzen, und noch weniger läßt sich daraus ableiten, wie die Temperatur global war, z.B. über den Meeresoberflächen oder auf der Südhalbkugel.

Außenseitertheorien sind eigentlich keine Theorien. Eine Theorie ist in der Wissenschaft ein Gedankengebäude zur Erklärung von Phänomenen, Abläufen und Zusammenhängen, die aufgrund von Herleitung, Experiment oder Erklärungswert Bestätigung gefunden hat und als gültig akzeptiert wird. Eine Theorie gilt so lange, bis sie verbessert, erweitert oder ersetzt wird. Auf dem Weg zur Theorie gibt es Vermutungen, Thesen und Hypothesen. Hier geht es um Außenseitervermutungen oder –thesen, die ihre Überprüfung und Bestätigung oder Widerlegung noch vor sich haben. Außenseiterthesen heißen sie deshalb, weil sie entweder inkonsistent mit dem übrigen Wissen sind oder sich auf noch wenig untersuchte Bereiche beziehen. Ganz typisch dafür ist die These, galaktische kosmische Strahlung würde die Wolkenbildung beeinflussen und darüber das Klima. Teile der These sind durchaus nicht unplausibel. Galaktische kosmische Strahlung (GCR) gibt es, man kann sie messen und sie kann Kondensationskeime für Wassertröpfchen erzeugen. Der schwierige Teil sind die quantitativen Zusammenhänge. Entstehen genug Kondensationskeime, daß diese Art der Wolkenbildung einen messbaren Effekt auf das Klima hat? Der Nachweis fehlt, Korrelationen von GCR mit der globalen Temperatur sind ohne Befund, und letztlich ändert das Auftreten eines weiteren Faktors, der das Klima ändern könnte, nichts an den anderen.
Eine andere Außenseiterthese ist der Iriseffekt. Die These ist weitgehend widerlegt, sofern man den Iriseffekt als dominierenden Faktor für das Klima ansehen will, aber als Randeffekt kann man die These vielleicht nicht sicher ausschließen, womit ein Schattendasein für einige Zeit noch gesichert sein mag, bis bessere Wolkendaten und –modellierung hier Restunsicherheiten ausschließen.

Wer sich mit den Zombies noch näher auseinandersetzen will, für den kann ich hier einen Blockbeitrag (auf Englisch) anbieten.

Und speziell, warum wir Modellen vertrauen, könnte dieser Link (auf Englisch) erklären.

Keine Kommentare: