Sonntag, 15. März 2009

Kurz und schmutzig - trübe Luft maskiert Erwärmung

Die Lebensdauer von Aerosol, von sehr kleinen Partikeln in der Luft, ist kurz. Und sie sind ohne Zweifel ein gefährlicher Anteil der Luftverschmutzung, indem sie Atemwegserkrankungen und Krebs fördern. Deshalb ist die Entfernung der Partikel und ihrer Vorläufer, vor allem der Schwefeldioxid- und Sulfatemissionen, ein erstes Ziel der Luftreinhaltung. Wir glauben, daß dabei in Europa große Fortschritte gemacht wurden, in den Schwellenländern in Asien oder Südamerika die Luft hingegen noch zunehmend trübe wird. Und diese Eintrübung korreliert wohl auch mit dem verstärkten Ausstoß von Treibhausgasen, wie Kohlendioxid. Es ist eine ziemlich sichere Schätzung, daß Schwellenländer schon bald, nachdem ein gewisses Wohlstandsniveau erreicht wurde, die gleichen öffentlichen Forderungen nach besserer Luft sehen werden, die wir in Europa schon hinter uns haben, und dann auch hier die Aerosolkonzentrationen fallen werden, ohen daß dem in gleichem Maße die Treibhausgasemissionen folgen.

Aerosole können mehrere Effekte auf die Erderwärmung haben. Kohlenstoffpartikel sind schwarz. Sie absorbieren Strahlung sehr gut und heizen sich dabei auf. Sie verstärken den Treibhauseffekt. Sulfataerosol hingegen ist recht hell und reflektiert Strahlung gut. Sulfataerosol schwächt den Treibhauseffekt. Außerdem gibt es indirekte Aerosoloeffekte. Aerosole mit wasserlöslichem Anteil, z.B. Meeersalz, Sulfate, Nitrate und Chloride, bildet gute Kondensationskerne für Wasser, führt zur verstärkten Nebel- und Wolkenbildung. Niedrige Wolken reflektieren Sonnenstrahlen sehr gut und kühlen die Erde. Sie sind auch am ehesten als Ergebnis der Aersosolbildung durch menschliche Emissionen zu erwarten. Manche Aerosole reichen aber bis in die obere Troposphäre rauf in über 8 km Höhe. Dort gibt es zunehmend auch eine Verstärkung des Treibhauseffektes durch Wolken. Da es schwierig ist, flächendeckend Aerosoldaten zu erheben, ist es eine große Quelle der Unsicherheit in den Klimamodellen. Wie viel Aerosol welcher Art ist in welcher Höhe und an welchem Ort vorhanden, wie groß sind die Partikel und woraus bestehen sie und wie viel und welche Wolken machen sie? Es gibt für alles Parametrisierungen und sie sind alle unsicher. Trotzdem weiß man mehr als nichts. Man weiß, daß Sulfataerosole dominieren. Man weiß, daß es plausibler ist, vor allem eine Verstärkung der Bildung niedriger Wolken anzunehmen. Und es gibt indirekte Hinweise darauf, daß die Sonnenstrahlung in der Nachkriegszeit an vielen Stellen der Erde gedämpft wurde. Man erwartet also, daß Aerosol insgesamt eher eine abschwächende Wirkung auf die globale Erwärmung ausübt, vielleicht zu einem mäßigen Grad, vielleicht auch zu einem sehr starken Grad.

Jetzt gibt es neue Daten dazu: Kaicun Wang, Robert E. Dickinson, Shunlin Liang, Clear Sky Visibility Has Decreased over Land Globally from 1973 to 2007, Science, 323, 1468-1470 (2009). (Download des vollen Artikels kostenpflichtig, aber Abstract und Supplement mit Abbildungen kostenfrei). Die University of Maryland hat dazu eine Pressemitteilung. Was Wang et al. getan haben, ist schnell erzählt, beinhaltet aber ein mühsames Durchforsten großer Datensätze. Sie haben sich die Datensätze genommen, die von den Wetterdiensten weltweit ausgetauscht werden, z.B. relative Feuchte, Niederschlag, Bewölkung und Sichtweitenschätzungen (die für den Betrieb von Flughäfen sehr wichtig sind, denn wenn man Sichtweiten gut kennt, kann man auch die Flugzeugabfolge für Landeanflüge minimal halten, was die Erträge der Flughäfen steigert). Für 2000 bis 2007 wurden diese Datensätze mit Daten mehrerer Satelliten verglichen und dadurch bis 1973 zurückgerechnet, welche optiche Dichte von Aerosol Satelliten bestimmt hätten, hätten sie vor 2000 schon solche Daten erhoben. Diese Schätzung ist so gut wie die Korrelationen, die man für 2000 bis 2007 findet. Diese sind nicht berauschend, aber brauchbar - mehr als 50% (teilweise deutlich mehr) der Variabilität der Satellitendaten kann mit den Daten der Wetterdienste beschrieben werden. So kann man langfristige Datensätze für die optische Dichte von Aerosolen schätzen und Aussagen zu Trends machen.

Die Ergebnisse sind plausibel, aber in Teilen auch neu. In Europa nimmt die optische Dichte von Aerosol über den gesamten Zeitraum ab - Ergebnis der Luftreinhaltepolitik. Das heißt aber auch, daß hier das Aerosol den Treibhauseffekt immer weniger maskiert. In Nordamerika ist die Situation für den Zeitraum neutral - die erste Überraschung. Luftreinhaltemaßnahmen und steigende Emissionen durch Bevölkerungswachstum und wachsende industrielle Produktion und Verkehr heben sich hier auf. Fast überall sonst sind die optischen Dichten der Aerosole bis in die Gegenwart angestiegen. Hier wurde durchweg der Effekt der wachsenden Treibhausgasemissionen durch die Kühlung der Aerosole maskiert.

Dies geschieht zu einem stärkeren Maß, als für den letzten IPCC-Bericht angenommen, der für die Zeit seit 1980 annimmt, daß global der kühlende Effekt von Aerosol nicht mehr wächst. Damit wäre eine stärkere Erwärmungswirkung der Treibhausgase mit den Temperaturdaten der letzten Jahre verträglich als bisher angenommen. Das ist keine gute Nachricht. Denn die Treibhausgase bleiben in der Luft auf Dauer, während die Aerosole immer wieder nachgeliefert werden müßten - und im Interesse der eigenen Gesundheit hat niemand daran Interesse.

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