Sonntag, 21. November 2010

Der lebende Planet

Ich wollte ein neues Thema im Blog diskutieren, aber dazu muß ich erst einige Grundlagen legen. Und damit hier keine langen und langweiligen Vorträge stehen, gehe ich es indirekt an auf die Gefahr hin, daß ich neben Arbeit und Familie gar nicht mehr dazu komme, zum eigentlichen Punkt zu kommen. Sei es drum... Das Thema ist der lebendige Planet. Schaut man sich nämlich die Atmosphären verschiedener Planeten an, dann fällt bei der Erde auf, daß ihre Atmosphäre sich weit weg von einem chemischen Gleichgewicht befindet. Es ist ordentlich Sauerstoff vorhanden, der verschiedene andere Stoffe oxidieren könnte und auch nicht wenig Methan, das im Gleichgewicht eigentlich vollständig zu Kohlendioxid und Wasser abreagiert sein müßte. Anhand solcher Anzeiger (ein weiteres ist das vorhandene Lachgas) verrät die Erde, daß es hier Leben geht. Geologische Vorgänge könnten eine solche Atmosphäre nicht erzeugen, sondern würden uns entweder dem Mars oder der Venus ähnlich werden lassen. Schauen wir doch mal ein paar Milliarden Jahre in die Vergangenheit...



Vor 4,5 Milliarden Jahren ist die Erde entstanden - man rechnet gemeinhin ab dem Zeitraum, an dem sich zum ersten Mal eine feste Kruste gebildet hatte. Von dieser ersten Erdkruste ist nichts mehr übrig. Das schwerere Material bildete den Meeresboden, darauf schwammen leichtere Gesteine, die die Kontinente bilden. Die Erdkruste besteht aus Platten, die sich untereinanderschieben, wobei die letztlich eingeschmolzen werden und zwischen ihnen können sich auch Zonen befinden, in denen Magma aufsteigt und neuen Meeresboden oder gar neues Land bildet. Was wir heute an Gesteinen sehen, ist meistens entweder in den letzten Milliarden Jahren als vulkanisches Gestein (z.B. Basalt) neu gebildet worden oder wurde irgendwann einmal aus Ablagerungen gebildet, die im Laufe von Millionen Jahren zu Gestein gepreßt wurden (Tone, Schiefer, Kreide, Kalk, Sandstein).

Als die Erde entstand, hatte sie eine Uratmosphäre. Da sie sich aus dem Plasma, Gas- und Staubwirbel um die Sonne zusammengeklumpt hatte, könnte die Uratmosphäre reich an Wasserstoff und Helium gewesen sein. Der Wasserstoff hat alles reduziert, was sonst die Atmosphäre ausmachte. Es könnten Ammoniak und Methan weitere wichtige Bestandteile gewesen sein. Aber tatsächlich weiß man es nicht und Theorien darüber ändern sich immer wieder. Doch schon in den ersten Millionen Jahre sind auch gewaltige Menge an Wasserstoff und Helium wieder im All verloren gegangen. Gleichzeitig sind gewaltige Mengen an Kohlendioxid und Wasser aus dem glühend heißen Gestein der Erde ausgegast worden. Auch Edelgase, insbesondere Helium und Argon, könnten durch radioaktiven Zerfall reichlich aus dem Gestein ausgetreten sein. Doch davon wird viel wieder in den Weltraum verloren gegangen sein. Die Atmosphäre, die aus der Erdkruste ausgedünstet wurde, war also schon die zweite Atmosphäre, und bestand vor allem aus Wasser und Kohlendioxid. Das Wasser bildete schließlich die ersten Meere und das Kohlendioxid sorgte für den Treibhauseffekt, der verhinderte, daß die Erde gleich zu Beginn zum Eisklumpen ausfror. Denn die frühe Sonne war erheblich schwächer als sie es heute ist. Der Beginn der Erde und der Beginn der Venus dürften sich sehr geähnelt haben. Der Gasdruck an Kohlendioxid und Wasser war ein Vielfaches von dem heutigen.

Doch nicht nur regnete der größte Teil des Wassers aus, es gab auch viele Gesteine, die Carbonate mit dem Kohlendioxid der Luft bilden konnten und so auch dieses aus der Atmosphäre entfernten. Allerdings wurden viele dieser so gebildeten Carbonate aufgebrochen, wenn diese erst einmal durch die Plattentektonik in den Erdmantel abstiegen. Durch Vulkane wurde das Kohlendioxid wieder in die Atmosphäre abgegeben. Wohin ein Gleichgewicht dieser Vorgänge führt, sieht man an der Venus, die eine Kohlendioxidatmosphäre hat, die ein Vielfaches dichter als die Erdatmosphäre ist. Gleichzeitig gab es in dieser zweiten Atmosphäre keinen Sauerstoff. Gaste welcher aus oder entstand er irgendwie, müßte er direkt mit dem noch reichlich vorhandenen Wasserstoff zu Wasser reagieren. Das hatte Folgen. Ohne Sauerstoff bildet sich zum Beispiel keine Ozonschicht, die harte UV-Strahlung auffangen könnte. Die Ur-Erde war eine lebensfeindliche Strahlenhölle. Doch was die Erde anders machte als Venus oder Mars war die Tatsache, daß sich auf ihr Leben bildete. Das Leben entstand vielleicht in der Erdkruste, vielleicht in Soleblasen im Eis oder in geschützten Uferzonen des Ur-Meeres. Wo genau, ist noch unklar. Doch aus den ersten Einzellern, die zunächst Wasserstoff verwerteten, entstanden irgendwann Bakterien, die aus Sonnenlicht Energie ziehen konnten und dazu Körpermasse aus Kohlenstoff aufbauten und Sauerstoff aus Kohlendioxid und Wasser freisetzten. Im Laufe weniger Millionen Jahre gaben diese ersten Bakterien oder die frühen Algen, die diese Photosynthesebakterien als Chloroplasten nutzten, Unmengen an Sauerstoff ab. Der Sauerstoff reagierte mit dem restlichen Wasserstoff, dann mit den anderen reduzierten Substanzen der Erdkruste oder gelöst im Meer. In erster Linie war das Eisen. Die Ozeane hielten gewaltige Mengen an gelöstem Eisen der Oxidationsstufe 2, das recht gut löslich war und das Urmeer vermutlich intensiv grün färbte. Doch der Sauerstoff oxidierte das Eisen in die dritte Oxidationsstufe, welches in Wasser schwer lösliche Hydroxide und Oxide bildete und als rostbraunes Eisenoxid oder Eisenhydroxid ausfiel. Am Meeresgrund bildeten sich hunderte Meter dicke Schichten von Eisenoxid und die Erdoberfläche färbte sich ebenfalls über weite Gebiete rostbraun.

Es ist kaum zu glauben, aber Einzeller gaben Sauerstoff in solchen Mengen ab, daß sie die Zusammensetzung der Erdatmosphäre völlig änderten. Es war die erste Umweltkatastrophe der Erde. Die ganzen anaeroben Einzeller, die vom Abbau von Wasserstoff, Methan oder Sulfiden lebten, wurden vergiftet und immer tiefer ins Meer oder in den Boden abgedrängt. Dafür konnten die ersten aeroben Bakterien entstehen, die den damals noch in geringen Konzentrationen vorhandenen Sauerstoff veratmeten. Als das Sauerstoff in den Bereich von einem Prozent Anteil an der Atmosphäre angestiegen war, konnte sich die erste dünne Ozonschicht ausbilden. Das Leben konnte nun auch direkt an der Oberfläche siedeln. Kohlendioxid wurde in solchen Massen in den Lebewesen verbaut und dann in den Sedimenten abgelagert, daß der Gasdruck der Erde auf ein Bruchteil zurückging. Übrig blieb der Stickstoff, der jetzt erst zum wichtigsten Gas in der Atmosphäre aufsteigen konnte. Und dies führte zur zweiten Umweltkatastrophe der frühen Erde. Da der Treibhauseffekt des Kohlendioxids schwächer wurde und die frühe Sonne viel schwächer war als heute, fror die frühe Erde zum ersten Mal weitgehend zu. Der Eispanzer zerstörte viele Algen, verhinderte die Ablagerung von Kohlendioxid als Carbonat in Sedimenten, während Vulkane ungehindert Kohlendioxid in die Atmosphäre abgeben konnten. Irgendwann war der Kohlendioxidgehalt und damit der Treibhauseffekt wieder so weit gestiegen, daß die Erde wieder auftaute. Möglicherweise gab es mehrere solcher Ereignisse in den ersten Milliarden Jahren der Erde. Doch je älter die Sonne wurde, je mehr ihre Leuchtkraft zunahm, desto weniger Kohlendioxid war erforderlich, um die Erde in einem aufgetauten Zustand zu halten. Und so können wir für die dritte Atmosphäre der Erde aus vor allem Stickstoff und Sauerstoff mit etwas Kohlendioxid feststellen, daß sie durch das Leben auf der Erde wie ein Thermostat dafür sorgt, daß ein bestimmter Temperaturbereich eingehalten wird. Die Atmosphäre der Erde ist Teil des Lbens, und das macht die Erde einzigartig im Vergleich zu allen anderen Planeten ohne Leben.

5 Kommentare:

Treverer hat gesagt…

hi,

ich komme nicht umhin, nochmals zu bemerken, daß ihre kommentarfunktion durch die form der anmeldung sicher erheblich weniger genutzt wird, als es (anzahl) der leserschaft entspricht. nun gut, vielleicht besser so als jenes, was z.b. auf primaklima läuft. und es vermeidet vielleich solche dinge, wie sie jetzt kommen: ;-)

als ich die überschrift "der lebende planet" las, dachte, supi, jetzt kommt da doch mal ein esoterik-beitrag. ;-) aber dann blieben sie ja doch ganz hart bei den (unbekannten) fakten, anstatt sich ins romantisch-schwärmerische zu begeben. dennoch scheint es mir - allein schon aufgrund des titels - angebracht zu erwähnen, daß die wissenschaft die ganzen letzten jahre, jahrzehnte entdeckt hat, daß das leben viel mehr platz auf dieser erde eingenommen hat, als früher gedacht. seien es heiße quellen, die tiefsee, hunderte meter unter der erde. oder im kleinen in z.B. jedem körper eines (säuge-)tieres. die erde ist also viel lebendiger als früher gedacht und insofern folgt die wissenschaft (auch hier) nur ehemals philosphischen, esoterischen ansichten von "lebendiger welt". ein entscheidender schritt würde m.e. die überwindung der trennung von lebender und unlebendiger materie sein.

wobei: die wissenschaft ist dazu ja sofort bereit, insofern dabei merkmale der lebendigkeit aufgeben werden. komische welt(sicht), in der man lieber das bewußtsein des menschen (und der tiere) leugnet, als den begriff, die bedeutung "bewußtsein" auch auf moleküle & elektronen zu erweitern. (und folgt dort auch 'nur' philosophen wie aristoteles & descart . hmm, wie sie es machen, es gibt immer was zu mecker. :-) ) wo man doch heutzutage schon lange von der individualität z.b. eine elektrons sprechen kann - was vor kaum 100 jahren noch undenkbar war.

nun, auch wenn sie hier vom lebenden planeten sprechen - sie vermeiden offensichtliche jegliche esoterisch, pantheistisch, philosophische spekulation. nun gut, kann ich verstehen - wenn der planent eigenes bewußtsein hätte, dann scheint "intelligence science" nicht mehr fern (oh, welch zufall: ich lese gerade "der schwarm"). LOL

doch auch so habe ich größtes verständnis für die abwehr: denn gerade klimaforscher (und vorneweg: biologen) - der sie zwar nicht sind, aber ja zum gleichen thema schreiben - anerkennen, daß sie durch ihr thema mit gutem recht in die gleiche ecke gestellt werden, wie die angeblichen spinner die vor dreißig jahren als ökokämpfer in die boote sprangen, das i-ging warfen, regentänze aufführten und die welt, die erde als lebendiges wesen, von dem wir ein teil sind, verstanden.

mit recht gehören sie in diese ecke, da sie damit 2000 (oder mehr) jahre unserer christlich-abendländischen tradition attackieren mir ihrer getrenntheit von gott/natur & der überheblichen überlegenheit des menschen. hmm, vielleicht so: darwin erklärte den menschen zum tier - heutige wissenschaft erklärt den menschen zum teil der erde (man denke nur an die bilder von dem mondflügen!). das gefällt manchen nicht - daher auch die attacken gegen sie (klimaforscher, biologen) aus rechter, religiös-fundementalistischer seite.

so...und nun habe ich viel zuviel zum spekulativ-geistigen gedöns geschrieben, daher meine fragen zur sache im nächsten post...

Treverer hat gesagt…

also, zur fortsetzung, aber keine angst ;-)

was mich so wundert, ist der umstand, daß sich überhaupt eine sauerstoffatmosphäre hat ausbilden können. sie erwähnen ja zu recht die dadurch entstehende umweltkatastrophe. d.h. die umgestaltung der atmosphäre war verheerend tödlich für die meisten damaligen lebewesen. nur: warum könnte sie sich dann durchsetzen, nämlich gegen(!) die vorherrschenden bedingungen, d.h. gegen die (zahlenmäßig) vorherrschenden lebewesen. im grunde hätten doch sauerstoff generiende lebewesen so in der unterzahl, die minderheit bleiben müssen, wie es heute bei z.b. methan prodzierenden lebenwesen ist.

und noch etwas macht es doch verwunderlich (wenn mich mein fast vergessenes schulwissen nicht trügt): die feststellung das sauerstoff ein sehr agressiver, d.h. leicht reaktionsfreudiger stoff ist, begründet sich doch im umkehrschluß darin, daß die produktion von sauerstoff relativ viel energie benötigt (hmm, vielleicht war die nicht da, solange die sonne zu schwach war?). nur: warum sollten lebenwesen solch einen weg gehen, außer als ausnahme: anstatt jedes quentchen vorhandener energie zu nutzen (und daher co2 aus zu stoßen), verwenden diese lebenwesen die vorhandene energie um sauerstoff ab zu geben, dessen energiegewinn dann anderen(!) lebewesen zu gute kommt? schon komisch - könnten sie es doch gleich selbst im wahrsten sinne des wortes verbrennen. wenn man biologische systeme reinst physikalisch betrachtet, macht es doch keine sinn, so "selbstlos" zu sein und sich auf solche art und weise gegen die konkurrenz durch zu setzen? da es offensichtlich doch geschah: welche besonderen umstände führten dazu?

p.s.: hey, swieso steht da Rainer? ? ? nur probleme mit dieser authentifizierung...dreck...

J. Zimmermann hat gesagt…

Hallo, Rainer, zur Frage - warum konnten sich die Photosynthese betreibenden Organismen durchsetzen? Ich habe keine Ahnung. Wenn ich raten soll: alle übrigen chemischen Energiequellen waren immer recht begrenzt und damit die Zahl der Organismen, die es nutzen konnten. Die Energiequelle für die Photosynthese aber, das Sonnenlicht, war im Vergleich dazu gewaltig. Schon deshalb sollte die photochemische Produktion bald dominieren. Der zweite Punkt ist (alles folgende mit Vorbehalt, ich habe wenig Ahnung von Biochemie), daß bei der Photosynthese in einem Schritt 4 Elektronen frei werden, die in den folgenden Stoffwechselschritten (Licht- und Dunkelreaktionen) zur Produktion von umgerechnet ca. 8 Molekülen ATP genutzt werden können (aus dem Gedächtnis heraus), während z.B. bei dem Abbau von Methan und anderen damals möglichen Stoffwechselvorgängen anaerober Einzeller üblicherweise in jedem Schritt nur ein Bruchteil der Energiemenge gebildet werden konnte. Die Energiedichte bei der Photosynthese war höher und die Organismen leistungsfähiger. Die dabei entstehenden Radikale bzw. der dann im weiteren gebildete Sauerstoff waren für den Organismus nur Gift und somit ein Abfallprodukt, und wurden daher trotz der Möglichkeit, weitere Energie zu liefern, schnell abgegeben.

J. Zimmermann hat gesagt…

P.S.: Zum Thema "Esoterik". Es stimmt, ich bin kein Freund esoterischer Erklärungen. Und anderseits kann ich mit der Gaia-Hypothese eines James Lovelock etwas anfangen. Und das eben deshalb, weil das keine Esoterik ist, sondern eigentlich ganz trockene Naturwissenschaft. Man kann natürlich mit der Gaia-Hypothese auch Schindluder treiben. Genau das möchte ich in weiteren Posts erhellen. Ich hoffe, ich vergesse dabei auch nicht zu erwähnen, wie man die Gaia-Hypothese widerlegen könnte. Denn eine Hypothese, die man nicht widerlegen könnte, ist ja nicht viel wert.

Ebel hat gesagt…

Im Sinne der Evolution wird zunächst die Photosynthese zufällig als zusätzliche Energiequelle erschlossen worden sein und dementsprechend war für die Organismen mit Photosynthese auch der Sauerstoff Gift, das ausgeschieden werden mußte. Vielleicht gab es schon vorher zwar Versuche, die Photosysnthese zu nutzen, aber ohne die Ausscheidung des "Giftes" Sauerstoff sind diese Organismen abgestorben. Der Mensch scheidet z.B. Harnstoff aus - obwohl dessen Verbrennung noch erhebliche Energiemengen liefern würde ( http://www.imn.htwk-leipzig.de/~pfestorf/praktikum/Kalorimetrie.pdf S. 5).

Das nachher im Laufe der Evolution die anderen Energiequellen bei der hohen Effizienz der Photosynthese an Bedeutung verloren ist verständlich - aber die "Giftausscheidung" blieb erhalten.

MfG