Samstag, 22. Januar 2011

Ein Problem anderer Leute - warum gegen den Klimawandel nichts getan wird

Der Klimawandel wird meistens wahrgenommen als ein Problem anderer Leute. Wir erfahren zwar aus den Medien, daß wir mit unserem Lebensstil das Klima dauerhaft verändern und dies gravierende Folgen hat, aber die Folgen werden erst in der Generation der Kinder und Enkel real. Schaut man in die Projektionen für Treibhausgasanteile und globale Temperatur, sieht man überall, daß wir erst ganz am Anfang der Entwicklung stehen, obwohl der globale Temperaturanstieg schon seit über 30 Jahren von natürlichen Faktoren nicht mehr verdeckt werden kann. Wir würden wohl handeln, wenn wir eine dramatische Entwicklung sähen und innerhalb von wenigen Jahren erkennbar Ernten einbrächen, Lebensräume verschwänden und das Wetter unerträglich würde. Aber hier ist kein Feuer ausgebrochen, bei dem man sofort flüchten würde, sondern hier sind eher die Wasserleitungen bleibelastet und man merkt erst nach Jahren, daß man immer schwerer krank wird, wenn es schon zu spät ist.




Wenn der Klimawandel als Problem anderer Leute wahrgenommen wird, ist der Anreiz bei den Menschen groß, es zu verdrängen. Denn man möchte seinen Lebensstil und seine Bequemlichkeit nicht aufgeben, nicht mehr bezahlen müssen, wenn davon andere Menschen, nämlich die kommenden Generationen, daraus den Nutzen haben. Das ist purer Egoismus. Aber wir möchten uns nicht als Egoisten sehen. Also setzt unser Unterbewußtsein ein und steuert unsere Wahrnehmung. Gibt es wirklich einen Klimawandel oder sind sich die Wissenschaftler noch uneinig? Jeder Abweichung unter den Wissenschaftlern wird verschärft wahrgenommen. Wenn es Jahrzehnte dauert, bis sich ein bestimmtes Treibhausgasniveau in eine höhere globale Temperatur übersetzt hat, dann haben wir doch viel Zeit, bevor wir handeln müssen? Also werden Maßnahmen immer wieder verschoben. In den USA sind seit dem Ergebnis aus 1979, daß der Klimawandel kommt und schlimm sein wird, bisher 31 Jahre ohne Maßnahmen vergangen, was die Kosten dafür dramatisch erhöht hat. Und wenn die Kosten für eigenes Handeln steigen, kann man immer wieder weitere Zeit mit der Frage verlieren, ob diese Kosten nicht höher sind als der Schaden aus dem verursachten Klimawandel. Die Verdrängung setzt umso stärker ein, je höher die Leistungen sind, die von uns verlangt werden, wenn wir das Problem zur Kenntnis nehmen. In den USA etwa braucht man zur Erlangung eines vergleichbaren Lebensstandards fast die doppelte Menge an Energie und die doppelte Menge an Kohlendioxid. Der Grund dafür ist, daß in den USA die Steuern auf Strom und Benzin viel zu niedrig sind. Weil man sich aber an dieses Niveau gewöhnt hat, finden sich gerade dort besonders viele Argumente, warum eine Steuer auf Energieträger furchtbar schädlich für die Wirtschaft wäre. Wenn auch nur etwas davon zuträfe, müßte Deutschland ein Entwicklungsland sein, unfähig auf dem Exportmarkt mitzuhalten, während die USA die Werkbank der Welt sind. Wir wissen, es ist umgekehrt. Die Wirtschaftswissenschaftler machen irgend etwas ganz furchtbar falsch. Aber die Anpassung der USA an niedrige Steuern auf Energieträger sorgt unfehlbar dafür, daß in den USA die Bekämpfung des Klimawandels als furchtbar teure und aussichtslose Sache empfunden wird. Man wartet lieber ab und rechnet gerne noch zehnmal aus, ob die Kosten des Klimawandels nicht vielleicht kleiner sind. Vor allem, wenn die Menschen, die dadurch sterben, ja "nur" Inder, Chinesen oder Afrikaner sind. Andere Leute...


Normalerweise ist der Grundsatz bei dem Einbringen von Stoffen in die Umwelt, daß wir zuerst wissen wollen, ob der Stoff nicht schädlich ist. Wenn nachgewiesen wurde, daß der Stoff in der Weise, wie man damit umgeht, keinen Schaden verursacht, darf er verwendet werden. Bei den Treibhausgasen ist es umgekehrt. Hier wird immer wieder gefordert, daß mit absoluter Sicherheit erst nachgewiesen wird, daß diese Stoffe einen Schaden verursachen, und zwar exakt welchen in welcher Weise. Das ist absurd, aber es liegt an der obigen Erklärung: wir sind Egoisten, die nicht für ein Problem anderer Leute bezahlen wollen, deshalb verdrängen wir gerne das Problem und versuchen, die Fakten ausgewählt so wahrzunehmen, daß wir vor uns selbst nicht als die Egoisten erscheinen, die wir sind. Das ist sehr menschlich, aber trotzdem sollten wir das möglichst ändern.

PS.: passend zum Thema dieser Beitrag in Newsweek von Thomas Schelling.

6 Kommentare:

Ebel hat gesagt…

Das Problem liegt nach meiner Meinung wo ganz anders - nämlich in der falschen Darstellung der Wirtschaft. Am Besten drückt sich die Falschdarstellung in dem FDP-Slogan "mehr Netto vom Brutto" aus. Der Durchschnittsbürger denkt dann, er hätte tatsächlich mehr Realeinkommen, wenn die Abgaben gesenkt würden. Für die erste kurze Zeit nach der entsprechenden Gesetzesänderung trifft das sogar zu. Aber dann stellt sich die ganze Wirtschaft auf die neuen Verhältnisse ein. Herr Zimmermann hat das ja schon an dem Energiepreisvergleich USA-Deutschland gezeigt und Norbert Walter (Chefvolkswirt der Deutschen Bank) hat das am Öl gezeigt http://www.sft.de/sft/bilder/TeuresOel.pdf

Die neuen Verhältnisse werden dann realisiert z.B. durch Streichen des Weihnachtsgeldes ("Sie haben doch schon mehr wegen der Verringerung der Abgaben") oder Verzögerung der Anpassung an die Inflation usw.

Wenn tatsächlichwas geändert werden soll, dann muß das Auswirkungen auf die Arbeitszeit haben und wenn der Lebensstandard und der Umweltschutz steigen sollen, dann muß das Arbeitsvolumen (nicht die individuelle Arbeitszeit der Beschäftigten) steigen. Die Reserven liegen in unfreiwilliger Arbeitslosigkeit und unfreiwilliger Teilzeitarbeit. Die Vollbeschäftigten arbeiten heute mit Arbeitszeiten um 1700h/Jahr und die Durchschnittsarbeitszeit der Erwerbspersonen liegt um 1150h/Jahr (um 1960 lag beides bei ca. 2000h/Jahr).

Also mit Vollarbeitszeiten um 1400/Jahr kann sowohl das Realeinkommen gesteigert werden als auch der Umweltschutz verbessert werden. Bei richtiger Wirtschaftspolitik (geringere Arbeitszeiten) haben also die Bürger sowohl ein höheres Realeinkommen als auch bessere Umweltbedingungen. Die verkürzte Arbeitszeit entsteht durch das Fastverschwinden der Arbeitslosigkeit und der damit verursachten Kosten.

MfG

J. Zimmermann hat gesagt…

Ich gebe zu, das Argument habe ich nicht verstanden.

Mir ging es um die Psychologie des Leugnens. Der Hintergrund ist ja nicht irgend etwas Mythisches in der Art, es gibt böse und gute Menschen. Innerhalb ihres Bereiches haben wir jeweils normal handelnde Menschen, die sich selbst immer als im Grunde gut ansehen. Aber das Handeln und Denken im menschlichen Rahmen kann durch die Umstände schädliche Auswirkungen haben. Dazu gehören selektive Wahrnehmung und die nachträgliche Herstellung einer rationalen Argumentationskette zur gefühlsmäßigen Entscheidung, die man bereits vorher getroffen hat.

Im Falle des Klimawandels können Menschen, die eigentlich den Umweltschutz für richtig halten, trotzdem das Problem für nicht dringend halten, weil sie eine Argumentationskette finden, die den eigenen Egoismus kaschiert. Das heißt aber umgekehrt auch, wenn man einen Weg findet, den Menschen den unmittelbaren Schaden durch den Klimawandel begreiflich zu machen, findet man vielleicht einen Weg aus dieser Denkfalle. Entweder kann man darstellen, welche Wirkungen des Klimawandels schon zu Lebzeiten ein Problem werden oder man kann zumindest darauf hinweisen, daß die eigenen Kinder in Europa nicht auf einer Insel leben werden, sondern ihnen Krieg und Elend bevorstehen könnten. Oder man könnte darlegen, dass man auf seinen Lebensstandard gar nicht verzichten muss und man nicht für fremden Vorteil zu zahlen hat.

Man kann darüber auch feststellen, warum die Reduktion der Emission der FCKW ein Erfolg war (der Abbau der Ozonschicht war eine unmittelbar wahrgenommene Gefahr, während die Kosten der Reduktion der FCKW-Produktion als gering empfungen wurden), während die Reduktion der Treibhausgasemissionen bislang außerhalb der EU ein Desaster war, innerhalb halbherzig und unzureichend erfolgte.

Bleyfuß hat gesagt…

Die Klimaschützer sind insoweit im Nachteil , als sie eine negative
Nachricht zu vermelden haben; nimmt man sie ernst , so sieht man sich
mit gewaltigen, ja übermächtigen Aufgaben konfrontiert.
Moralische Maßstäbe würden sich stark verschieben, denn der
Kohlehändler oder Spediteur, bislang ehrbare Leute würden über Nacht zu
quasi-Verbrechern an den Lebengrundlagen bzw. "Klimakillern". Dabei tun
sie im großen Stil nichts anderes als jedermann im kleinen, der im
Winter sein Häuschen heizt, die ganze Gesellschaft wird unter
Genaralverdacht gestellt. Insoweit ist es nicht verwunderlich, wenn die
Akzeptanz für Schlussfolgerungen aus der Klimaforschung nicht groß ist. Es ist denkbar, dass ich eine Art Verbundenheit mit den Leuten am Pranger einstellt, von "Solidarität" würde ich lieber nicht sprechen wollen. Die Klimaforschung muss damit leben und bürgerlichen Ängsten die Spitze nehmen.

Ebel hat gesagt…

@ Bleyfuß hat gesagt...
"Die Klimaschützer sind insoweit im Nachteil , als sie eine negative Nachricht zu vermelden haben; nimmt man sie ernst , so sieht man sich mit gewaltigen, ja übermächtigen Aufgaben konfrontiert."

Das sind die zwei Probleme, die ich schon genannt habe:
1. Die klimaschützer haben keine negative Nachricht zu vermelden, da die Produktivität in den Industrieländern, die auch am meisten tun müssen, so hoch ist, daß Aufwendungen zum Klimaschutz niemanden Nachteile bringen, weil so viel Erwerbspersonen gerne arbeiten würden, aber nicht dürfen. Wenn diese Erwerbspersonen im Klimaschutz eingesetzt werden und ordentlich bezahlt werden, werden sogar noch mehr Beschäftigte in den bisherigen Zweigen gebraucht, weil sich ja die im Klimaschutz eingesetzten mehr leisten können. Geld ist nur ein "Schmiermittel" (leider auch in der negativen Bedeutung), damit die Wirtschaft richtig läuft. Ähnlich wie beim Motor - die Leistung kommt von der Bezinverbrennung (analog der Tätigkeit der Beschäftigten) - aber ohne oder mit zuviel Schmiermittel (analog Geld) läuft kein Motor (analog die Wirtschaft). Die Aufgabe der Regierung sind die Rahmenbedingungen der Wirtschaft, d.h. analog die richtigen Schmiermittelleitungen.

2. Diese positive Tatsache ist so zu vermitteln, daß kein negativer Eindruck entsteht.

Wie man mit der Tatsache umgeht, wenn Kohle, Öl usw. erheblich weniger gebraucht wird und dann die Besitzer von Kohle und Öl auf "reichen" Vorräten sitzen, die keiner haben will, muß man extra betrachten.

MfG

Bleyfuß hat gesagt…

@Ebel
Wenn ich sie richtig verstehe, möchten Sie Arbeitslose usw. in Klimaschutzmaßnahmen einbinden, und meinen, wenn man diese gut bezahlt, dann könnte daraus auch kurzfristig volkswirtschaftlicher Nutzen generiert werden. Für mich klingt das zu schön, um wahr zu sein; ich bin aber in Wirtschaftsfragen nicht sonderlich kompetent. Das hört sich für mich so an, als könne man sich am eigenen Zopf aus dem Sumpf ziehen. Ausschließen möchte ich das auch nicht, in der Ökonomie ist mancherlei möglich, die Frage ist nur, wie lange?

"2. Diese positive Tatsache ist so zu vermitteln, daß kein negativer Eindruck entsteht."

Genau das ist das Problem.

Unterschätzen Sie nicht die PR-Maschinerie der fossilen Industrie. Was wollten Sie dem entgegen setzen?
MfG

Ebel hat gesagt…

Bleyfuß lesen Sie mal bitte in den VDI-Nachrichten vom 28.01.2011 S. 1 "Es gibt kein Beschäftigungswunder": Es sind nur mehr Beschäftigte, weil das konstant gebliebene Arbeitsvolumen auf mehr Teilzeitbeschäftigte aufgeteilt ist.

Wie die Aufteilung eines steigenden Arbeitsvolumens auf alle Erwerbspersonen (bei zumindest gleichbleibenden Reallöhnen der Beschäftigten) erreicht wird, ist unter Verwendung der Daten des statististischen Bundesamtes in meinem Buch dargestellt: http://www.mv-buchshop.de/catalog/product_info.php/cPath/36_41/products_id/1316?osCsid=t76857jbrkv3v9lqqt77q4v7mod221rg

Putzig sind auch die Stellungnahmen der Parteispitzen dazu, die auch im Buch abgedruckt sind.

MfG