Sonntag, 6. Januar 2013

Statistik widerlegt die globale Erwärmung nicht

Ab und zu gelingt es, einen unsinnigen Artikel durch die Fachbegutachtung zu schmuggeln. Ich habe hier Gerlich und Tscheuschner diskutiert, die allen Ernstes meinten, sie könnten den Treibhauseffekt widerlegen. Oder über den schwachsinnigen Versuch von McKitrick et al., zu "beweisen", dass es keine mittlere globale Termperatur gibt. Es gab auch vom Biologielehrer Ernst Beck den Versuch, zu "beweisen", dass der Gehalt der Atmosphäre an Kohlendioxid nicht angestiegen sei, sondern im Laufe der Zeit wild hin und her schwankt. Diese ganzen Versuche zeigen oft ähnliche Warnzeichen. Die Publikation erscheint in eher fachfremden oder zweitrangigen Journalen, oft gibt es eine Vorgeschichte der versuchten Publikation an anderer Stelle, die Autoren selbst sind fachfremd oder bereits bekannt für ihre Leugnerthesen. Manchmal werden auch nur Schlüsselsätze der Klimaleugner irgendwo rein geschmuggelt oder in begleitenden Pressemeldungen verbreitet, die vom Artikelinhalt gar nicht gedeckt werden. Vor einigen Wochen war es mal wieder so weit. Die Ökonomen Beenstock, Reingewertz und Paldor stellten fest, dass aufgrund statistischer Gründe Treibhausgase nicht für die Temperaturentwicklung verantwortlich sein können. Da ist was faul, aber was?



Der Artikel war in Abwandlungen schon seit 2 Jahren auf dem Markt und scheiterte mindestens bei 2 Versuchen bei der Fachbegutachtung. Doch endlich wurde ein Journal gefunden mit einem ausreichend naiven oder gutwilligen Redakteur und zwei hinlänglich inkompetenten Gutachtern, um den Murks drucken zu lassen. Hurra riefen da die Leugner, schon wieder ein endgültiger Beweis, dass der menschengemachte Klimawandel nur ein Schwindel ist. Scheint nicht zu stören, dass wir solche endgültigen Beweise in nicht knapper Zahl seit zwei Jahrzehnten haben, aber sie noch nie jemanden mit Ahnung von der Materie beeindrucken konnten. Auch gelehrt daherkommender Unsinn bleibt Unsinn. Aber warum ist die Arbeit der Ökonomen, die da gerne die menschliche Verantwortung für den Klimawandel leugnen möchten, Unsinn?

Das Verfahren ist sehr speziell und für Menschen ohne statistische Kenntnisse hinreichend schwer zu verstehen, so dass man den Unsinn hinter vielen technischem Hokuspokus verstecken kann. Aber letztlich ist der Ansatz der, dass man sich künstlich dumm stellt (oder vielleicht nicht künstlich, da will ich jetzt nichts drüber mutmaßen). Man tut so, als wüßte man nicht, dass es einen Treibhauseffekt gibt, dass die globale Temperatur vom globalen Energiebudget abhängt und deshalb aufgrund von Gesetzmäßigkeiten ansteigt. Man fragt vielmehr, könnte man den Temperaturanstieg statistisch von einem zufälligen Ereignis unterscheiden. Also angenommen, der Temperaturanstieg wäre ein sogenannter "random walk" bei dem jeder weitere Temperaturschritt zufällig erfolgt. Und dieser "random walk" ist gerade zufällig so verlaufen, dass die globale Temperaturentwicklung eine hohe Korrelation mit dem Anstieg der Treibhausgaskonzentrationen zeigt. So könnte dies doch ein zufälliges Zusammentreffen sein. Wenn man sich sehr, sehr dumm stellt, das ist, wie gesagt, dabei die Voraussetzung. Deshalb bringt man ein statistisches Instrument in Stellung, das nachweisen soll, ob zwei Zeitreihen nur zufällig miteinander korrelieren, wenn man eben nichts weiß als diese zeitlichen Verläufe. Das Resultat der Untersuchung ist dabei, grob vereinfacht, dass die Temperatur von einem "random walk" nicht unterscheidbar ist und bereits die Differenzen von Jahr zu Jahr eine zufällige Verteilung zeigen, die sich über den Zeitverlauf nicht ändert. Die Treibhausgaskonzentrationen hingegen zeigt eine stationäre zeitliche Verteilung nur, wenn man die Differenzen der Differenzen betrachtet. Deshalb ist nach Meinung der Autoren eine festgestellte Korrelation zwischen beiden Zeitreihen nur zufällig und der anthropogene Einfluß auf den Klimawandel widerlegt.

Wenn man noch nie mit der Sache in Berührung gekommen ist, könnte man denken, dass bei zufälligen Bewegungen in beliebigen Richtungen nach einer gewissen Zeit im Mittel keine Bewegung festzustellen ist. Aber das ist nicht wahr. Im "random walk" kann man durchaus eine statistisch signifikante Bewegung in eine Richtung feststellen. Erst wenn man fragt, wie sich die Wegdifferenzen für bestimmte Zeitabschnitte im Lauf der Zeit verhalten, stellt man fest, dass diese zufällig und im Laufe der Zeit gleichbleibend, also stationär sind. Das kann man statistisch testen. Wenn aber die Bewegung eben nicht zufällig ist, kann man das mit diesem Verfahren nicht ausschließen. Und das ist das Problem, denn wir wissen bereits, dass es einen Treibhauseffekt gibt und wie stark er ist.

Wir wissen noch mehr. Wir wissen, dass die globale Temperatur einen plausiblen Bereich hat. Bei den gegenwärtigen Randbedingungen (Sonneneinstrahlung, Atmosphäre usw.) wird die Welt nicht auf den Gefrierpunkt abkühlen oder anfangen zu kochen. Schon Abweichungen von einigen Zehntelgrad erfordern klare physikalische Ursachen und globale Temperaturänderungen von über 10 Grad in wenigen Tausend Jahren beobachten wir einfach nicht ohne erhebliche Veränderungen der Randbedingungen. Und doch behaupten Beenstock et al., dass die globale Temperatur von einem "random walk" statistisch nicht zu unterschieden sei, also die Welt kochen oder gefrieren müßte, wenn man nur ein paar Tausend Jahre abwarten würde. Das ist dann das eigentliche Problem, wenn man sich künstlich dumm stellt - es kann zu dummen Ergebnissen führen.

Ein weiteres Problem bei solchen statistischen Daten ist, dass die zu vergleichenden Zeitreihen vergleichbar sein sollten. Nun sind aber die Temperaturdaten tatsächlich jährliche Daten, die aus Jahresmitteln noch feiner aufgelöster Temperaturaufzeichnungen gewonnen wurden. Die Daten zu Konzentrationen von Treibhausgasen andererseits sind teilweise atmosphärische Messungen, teilweise aus Eisbohrkernen gewonnen, bei denen die Auflösung nur noch ungefähr jährlich oder schlechter ist. Die Daten können physikalisch streng voneinander abhängen und trotzdem statistisch unterschiedlich aussehen. Die Temperaturdaten sind auch auf der jährlichen Skala ziemlich variabel, etwa durch Umverteilung von Wärme zwischen Ozeanen und Atmosphäre. Die Kohlendioxidkonzentration andererseits zeigt zwar variable Stufen, steigt aber zuverlässig jedes Jahr. Vielleicht noch problematischer ist aber, dass man seriös nur Temperaturverlauf und den klimatischen Treibhausgasantrieb vergleichen kann. Der ergibt sich aus allen Treibhausgasen, nicht nur Kohlendioxid, ist, langfristig betrachtet, logarithmisch von den Konzentrationsdaten abhängig und daher fragt man sich, was denn da wirklich dem statistischen Test unterworfen wurde - so eindeutig findet man es in der Publikation gar nicht. Man kann daher auch nicht ausschließen, dass die Autoren ein bißchen herumprobiert hatten, bis sie solche Testeinstellungen und solche Zeitreihen zur Hand hatten, dass gerade das bevorzugte Ergebnis erzielt wurde.

Letztlich fatal aber für das Verfahren der Ökonomen ist wohl, dass ihr statistisches Verfahren zu falschen Resultaten führen muss, wenn sie unphysikalische Annahmen machen. Eine unphysikalische Annahme wäre etwa, dass sie so tun, als gäbe es keinen physikalisch bestimmten Trend in den Temperaturdaten. Dann würden sie nämlich automatisch als Testergebnis erhalten, dass sich die Temperaturdaten wie ein "random walk" verhalten, weil sie nicht zu irgendeinem festen Wert zurückkehren, sondern über die Jahre in eine Richtung abdriften, aber sich Jahr für Jahr scheinbar zufällig mit mehr oder weniger stationärer Varianz ändern. Wenn man den falsch angewendeten Test dann als polynomialen Kointegrationstest für den anthropogenen Anteil der globalen Erwärmung bezeichnet, klingt das zwar unheimlich technisch und wissenschaftlich, bleibt aber physikalisch Unfug. Letztlich wurde also nur gegen eine falsche Null-Hypothese getestet und in dem Fall ist das Ergebnis des Tests, selbst wenn es korrekt ist, nicht relevant.

Lustigerweise erwähnen die Autoren in ihrer Diskussion, dass die Behandlung der Treibhausgase so, als würden sie physikalisch in eine Größe ausgedrückt werden, die wie die globale Temperatur statistisch stationäre Variabilität der ersten Differenzen zeigt, zum Resultat führen würde, dass die globale Temperatur tatsächlich von ihnen abhängt. Das verwerfen sie dann aber direkt - aus Gründen, die ihnen persönlich vermutlich vernünftig erscheinen, denen aber niemand zu folgen braucht.

Im einzelnen erläutert haben das seit 2010 Rabett Run, Tamino, kürzlich James Annan und vorher schon andere, aus deren Argumenten ich mich wesentlich bedient habe. Aber solche Widerlegungen und die völlige Wirkungslosigkeit auf die Fachdiskussion wird verzweifelte Anhänger von Leugnerthesen nicht daran hindern, diese Pseudowissenschaft als Argument immer wieder hervorzukramen. Andere Argumente hat diese Gruppe nicht.

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