Samstag, 28. November 2015

Was beim Klimagipfel in Paris auf dem Spiel steht

Am 30. 11. 2015 beginnt in Paris schon wieder eine Konferenz von Staaten zu Maßnahmen gegen den Klimawandel. In den Medien wird schon im Vorfeld breit über das Thema berichtet, erst recht parallel zur Klimakonferenz in Paris. Als Beobachter fragt man sich natürlich, warum es schon wieder eine solche Konferenz gibt, was man überhaupt davon erwarten kann und ob es überhaupt eine Rolle spielt, wenn eigentlich im Ergebnis solcher Treffen der Staaten vor allem unverbindliche Absichtserklärungen herauskommen.

Bei den Klimakonferenzen muss man unterscheiden zwischen Fachkonferenzen, in denen Wissenschaftler das Thema diskutieren und zu Berichten und Empfehlungen kommen, Klimakonferenzen zur Vorbereitung von Entscheidungen im Rahmen der verschiedenen bestehenden Verträge oder Rahmenkonventionen und die eigentlichen Klimagipfel im Rahmen der Unterzeichner der Klimarahmenkonvention (United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC) oder des Kyotoprotokolls. Letzteres ist das, was jetzt in Paris stattfindet. Es geht darum, einen Nachfolgevertrag zum Kyotoprotokoll zu beschließen, der ab 2020 in Kraft treten soll und auch Staaten zu verbindlichen Emissionsbegrenzungen für Treibhausgase verpflichten soll, die bisher keine Begrenzungen akzeptiert hatten. Einerseits hatten jene Staaten das Kyotoprotokoll nicht ratifiziert, wie die USA, oder sie waren als Schwellenländer oder zu entwickelnde Staaten von Emissionsbegrenzungen ausgenommen.

Die globale Temperatur steigt - Leugnen zwecklos. Die Staaten wollen einen Anstieg um mehr als 2 Grad gegenüber 1880 verhindern. Aber dazu muss man starke Einschnitte beschließen. Daten und Abbildung von NASA-GISS.


Es gibt einige Gründe, warum die Staaten es seit Jahrzehnten nicht schaffen, wirksame Maßnahmen gegen den Klimawandel zu treffen. Kein Grund ist, dass die wissenschaftliche Basis fehlen würde - die ist bereits seit den ersten Berichten zum Kimawandel von 1979 klar, dem JASON-Bericht der US-Regierung und dem Charney-Bericht des amerikanischen National Research Council. Beide Berichte kommen zu den gleichen Schlußfolgerungen. Die CO2-Konzentration der Atmosphäre steigt durch menschenverursachte Emissionen und könnte sich bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts verdoppeln, wenn die Emissionen weiter so steigen wie bisher. Dies würde langfristig zu einer Erwärmung um ca. 3 Grad führen, etwa in der halben Größe der Temperaturänderung zur letzten Eiszeit. Die Folge wären ein Anstieg des Meeresspiegels um einige Meter, was zwar sich auf einer Zeitskala von Jahrtausenden abspielen würde, bei einer möglichen Auflösung des westantarktischen Eisschildes auch innerhalb eines oder weniger Jahrhunderte stattfinden könnte. Weiterhin würden sich Klimazonen verschieben und Niederschlagsmuster weltweit ändern, was insgesamt zu Streß und Kosten der Anpassung führen würde und verschiedene Regionen zu Gewinnern oder Verlierern des Klimawandels machen würde. Die sozialen, wirtschaftlichen und bevölkerungspolitischen Folgen wäre unsicher, möglicherweise aber sehr störend und wahrscheinlich nicht vorteilhaft.

Gegenüber diesen Berichten, die eigentlich ausreichend Grund gegeben hätten, Maßnahmen gegen den Klimawandel zu treffen, wurde noch einmal Zeit gewonnen, weil der Anstieg der Emissionen von Kohlenstoff dann langsamer war, als damals befürchtet, denn zum einen setzte durch die Ölkrisen 1974 und 1979 ein verstärktes Energiesparen ein, zum anderen reduzierte der Zusammenbruch der Sowjetunion zeitweilig die Treibhausgasemissionen erheblich. Der Zeitpunkt einer Verdopplung der CO2-Konzentration wurde dadurch in die zweite Hälfte des 21, Jahrhunderts verschoben. Doch die 5 IPCC-Berichte seit 1990 haben die Grundaussagen von 1979 bestätigt, zugleich wurden diese Aussagen immer detaillierter und geben gleichzeitig immer mehr Grund zur Sorge. Warum auch eine Erwärmung um 3 Grad nicht so harmlos ist, wie es sich vielleicht anhören mag, hatte ich mal hier erläutert.

Die eindeutigen Aussagen der Wissenschaft hatten aber politisch eine geringe Wirkung, aus folgenden Gründen:
  1. Der Klimawandel spielt sich auf einer sehr langen Zeitskala ab. Die Kosten der Emissionsminderung entstehen sofort. Der Vorteil eines gedämpften Klimawandels wird erst in Jahrzehnten merklich und erstreckt sich über Jahrtausende.
  2. Lobbyisten der Industrien für fossile Brennstoffe und starker Kohlenstoffverbraucher konnten die öffentliche Diskussion in den letzten 30 Jahren massiv beeinflussen, um den Eindruck zu erwecken, dass die Wissenschaft sich üebr das Problem nicht einig wären und wir noch mehr Daten bräuchten. Das ist die große "Es gibt keinen Konsens"-Lüge, die aufgrund der Einmütigkeit aller großen Berichte zum Thema seit 1979 schon lange offensichtlich ist.
  3. Gerade die schlimmsten Emittenten, wie die USA, Kanada und Rußland und überhaupt die Industriestaaten im Gegensatz zu den Entwicklungsländern, glauben oder glaubten, dass der Klimawandel bei ihnen weniger gravierend und vielleicht sogar teilweise vorteilhaft sei und daher die wirtschaftliche Entwicklung den Vorrang haben soll.
  4. Die Staaten spielen Mikado - wer sich zuerst bewegt verliert. Man wartet darauf, dass immer andere den Anfang machen und die meisten Zugeständnisse machen. Wenn aber jeder darauf wartet, dass der andere sich zuerst bewegt, bewegt sich niemand.
Der Gipfel in Paris hat bessere Chancen als andere. Zum einen ist die wissenschaftliche Basis inzwischen extrem sicher. Die Leugner des Problems haben jede wissenschafliche Diskussion der letzten 30 Jahre klar verloren und die neuen globalen Temperaturrekorde  2010, 2014 und 2015 widerlegen auch eindeutig die schon immer umstrittene These, dass es eine Erwärmungspause seit 1998 gegeben hätte. Der Rückgang des arktischen Eises, beobachtete Wetterextreme und globaler Temperaturanstieg können einfach nicht mehr ignoriert werden. Zum zweiten haben auch Indien und China erkannt, dass sie schlimme Probleme mit ihrer Umwelt haben und sich aus internationalen Verpflichtungen zum Klimaschutz nicht ausschließen können. Zum dritten werden gleich zu Beginn dieser Konferenz die Regierungschefs der meisten Länder teilnehmen und daher in der Lage sein, bindende Entscheidungen auszuhandeln.

Leider ist aber inzwischen wertvolle Zeit vergeudet worden. Die Kohlenstoffmenge, die emittiert werden darf, um nur mäßige Klimaänderungen zu erzeugen, bleibt ja gleich. Die zugestandene Restmenge an Kohlenstoff, die wir noch emittieren dürfen, ist aber inzwischen drastisch gesunken. Während es bis 1990 gereicht hätte, die Emissionen langsam zu senken, müssen sie für den gleichen Effekt inzwischen sehr schnell reduziert werden. Das eine führte zu moderaten Kosten, das andere verursacht eher hohe Kosten. Wir müssen heute die Kohlenstoffemissionen also um ein Vielfaches drastischer senken, als es vor 25 Jahren erforderlich gewesen wäre. Was daher an Reduktionen in Paris anvisiert werden wird, wird nur ein Bruchteil der wirklich erforderlichen Maßnahmen sein. Und das ist fatal.

Wir wissen nämlich inzwischen, dass wir nicht nur über Meeresspiegelanstieg, höhere Temperaturen und mehr oder weniger Regen reden. Wir haben auch inzwischen gelernt, dass es zwei Mechanismen gibt, die durch einen schnellen Anstieg der Treibhausgase gestartet werden können, die uns Maßnahmen gegen den Klimawandel aus der Hand schlagen. Zum einen könnten durch ein Auftauen der Permafrostböden die dort gespeicherten Kohlenstoffreserven freigesetzt werden, die die derzeitigen menschengemachten Emissionen voll ersetzen könnten. In dem Fall könnten wir also unsere Emissionen auf Null senken und der CO2-Anstieg würde im gleichen Tempo weitergehn, alleine als Rückkopplungswirkung der bisher laufenden Klimaerwärmung. Zum anderen könnten Erwärmung der Meere und ihre Versauerung und die dadurch und durch Überdüngung ausgelöste Ausdehnung sauerstoffarmer Zonen zum einem biologischen Kippen der Meere führen. In dem Fall würden Schwefelbakterien sich gewaltig vermehren und aus den Meeren Schwefelwasserstoffquellen machen, die die Meere und auch weite Teile des Landes vergiften könnten. Entscheidend ist dabei nicht so sehr, wie viel Kohlenstoff die Menschen einbringen, sondern wie schnell das geschieht. Wahrscheinlich ein solcher Mechanismus hatte vor 252 Millionen Jahren das größte Artensterben aller Zeiten verursacht, an dessen Ende über 70 Prozent aller Arten ausgelöscht wurden. Dummerweise wissen wir nicht, ob dieser Mechanismus startet, wenn wir dieses Jahrhundert mehr als 1000 ppm CO2-Anteil in der Luft erreichen (das wären 2,5 Mal mehr als derzeitig) oder 2000 ppm oder gar nur 600 ppm (bei jetzt eingefrorenen CO2-Emissionen wäre das noch in diesem Jahrhundert erreichbar).


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